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"Es reicht Vater!"~Tyler Jäger

Phil P.O.V

Gerade einmal fünf Minuten hier und schon reichte es mir schon wieder. Wenn Lea wenigstens hier wäre. Jakob war die ganze Situation natürlich furchtbar unangenehm. Die Schultern eingezogen und den Kopf nach unten gesenkt saß er da. "Wir können auch jederzeit nachhause gehen, wenn es dir hier zu anstrengend wird. Wir müssen nicht bleiben." Jakob wollte etwas auf meine Worte erwidern, aber es klingelte. "Tyler ist da." meinte ich und stand wieder auf. "Woher weißt du das so genau?" fragte Jakob interessiert. "Lea ist die einzige, neben meinen Eltern, die dieses Haus noch mithilfe eines Schlüssels betreten kann."

Ich ging wieder in den Flur und sah meinen älteren Bruder dort bereits schon stehen. "Phiphi, hast du mich schon vermisst." Ich schmunzelte über den lächerlichen Spitznamen kurz und schloss ihn für einen Moment in die Arme. "Ich bin froh, dass du hier bist, mein Bruder." meinte ich und klopfte ihm kurz auf die Schulter. Er lächelte erfreut und schob eine junge Frau sanft in meinen Blickwinkel. "Das ist Alia, wir sind seit einigen Monaten zusammen." erklärte er und warf ihr ein kurzes, schüchternes Lächeln zu. Manche seiner Züge wird er wohl nie verlieren. "Freut mich." Ich hatte so gut wie gar nichts in den letzten Jahren von ihm gehört.

Lea kam etwas verspätet mit Sopse an, natürlich ganz ausversehen. Lea wurde, im Gegensatz zu Tyler und mir herzlichst in die Arme genommen. Klar, das jüngste Kind. Zumindest konnten wir schnell anfangen zu essen und mussten nicht unnötig lange reden, hätte man zumindest hoffen können, wenn man meinen Vater nicht kannte. Er sah meinen Bruder schon zu Beginn der Essens so kritisch an. Als er den Mund aufmachen wollte unterbrachen Lea und ich ihn sofort. "Tyler!" kam es fast schon gleichzeitig aus unseren Mündern. Dieser, der die Blicke bisher ignoriert hatte, zuckte erschrocken auf.

"Wie läuft es mit deinen Liedern? Hast du schon jemanden gefunden, der dich unter Vertrag nehmen möchte?" fragte ich also schnell, um Papa ja nicht in Versuchung zu bringen. "Nein, bisher noch nicht, aber ich werde auf immer mehr Festivals eingeladen und mit Sicherheit wird es irgendwann mal jemanden geben, der sich für meine Worte interessiert." lächelte er. Ich nickte nur zustimmend und widmete mich wieder meinem Essen, aber wenn man Papa ruhig kriegte kam natürlich immer Mama von der Seite. "Und du Phil? Hast du in deinem Kollegium ein paar schöne Kolleginnen?" fragte sie. "Niemanden, der mich interessieren würde." antwortete ich nur trocken.

"Du solltest deiner Mutter etwas respektvoller gegenüber treten." warnte Papa, woraufhin ich nur schnaubte. "Komm ich sonst auch in die Hölle? Natürlich, danke Mama, dass du mir meine Depressionen ausgeredet hast, indem du meintest Menschen, die nicht dankbar für ihr Leben sind kommen in die Hölle. Genauso wie ich in die Hölle komme, weil ich meinen damaligen besten Freund geküsst habe, oder mich einfach nicht für Frauen interessiere." Genau das gleiche Gespräch hatten wir das letzte Mal vor einundzwanzig Jahren, nur mit weniger Leuten anwesend. Die Freundin von Ty sah ziemlich erschrocken aus, war wohl nicht stark genug vorgewarnt worden.

Tyler selbst blieb stumm, er sah mit festem Blick auf seinen Teller, die Hände zu Fäusten geballt. "Du warst schon immer ein ungezogenes Kind, eine Sündiger, der vom Weg abgekommen ist." zischte Papa. Ein lautes zersplitterndes Geräusch ertönte. Tyler hatte seinen Teller aufgebracht auf den Boden geworfen und war so ruckartig aufgestanden, dass sein Stuhl umfiel. "Es reicht Vater!" rief er. "Jahrelang habe ich mir dein Gerede über Sünde und Religion angehört, aber es ist genug! Dass ihr beide konservativ und intolerant seid, dass ist eure Einstellung, aber damit haben wir nichts mehr zu tun. Wie viele non-hetero-cis Kinder braucht ihr noch, um das endlich zu verstehen?"

Ich hatte ihn in meinem Leben oft sauer, aber noch nie so aufgebracht erlebt. "Ich bin es leid, dass ihr jetzt schon auf Phil und seiner Sexualität herum reitet, obwohl wir noch nicht einmal zehn Minuten hier sind! Was ist mit euch schief gelaufen, dass ihr eure Kinder nicht einfach dafür lieben könnt, dass sie gesund und glücklich sind? Ich checks nicht, ehrlich nicht." meinte er und warf verständnislos die Hände in die Luft. "Ty, schon gut." meinte ich und stand ebenfalls auf. "Nein, ich habe damals als dein großer Bruder versagt, ich werde diesen Fehler nicht nochmal machen."

Roommates | ManXManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt