133.Kapitel

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~ Ninas Sicht~

Nach einer langen, qualvollen Stille in der sich jede Sekunde, wie Unendlichkeit anfühlte brach endlich jemand das Eis. „Sie hatte ein Medaillon.", murmelte Alfredo, „seit ihrer Geburt, wir haben es extra für sie anfertigen lassen. Es ist haargenau so wie du es beschrieben hast."

Lunas Eltern blickten nur noch geschockt zwischen uns hin und her. Was ich in diesem Moment fühlte war schwer zu beschreiben. Auf der einen Seite fiel mir ein Stein von der Brust, da mir jemand glaubte. Da das hieß, dass ich nicht verrückt war. Aber gleichzeitig raste mein Herz wie verrückt, denn das musste ja heißen, dass ich recht hatte. Dass all meine Theorien sich erfüllten und Luna wirklich in Wahrheit Sol Benson war. Und das veränderte einfach alles.

Die ganze Situation war so absurd, als ich heute Morgen aufgestanden war hätte ich nie gedacht heute Abend hier zu landen. „Ich..ich ist das wahr?", stammelte Monica geschockt, „natürlich es könnte sein... Miguel und ich haben über diesen Fall auch schon einmal nachgedacht, aber... es erschien uns so absurd."

„Ich muss dieses Medaillon sehen.", kam es mir fester Stimme von Señior Alfredo, der auf einmal in seiner Brieftasche kramte, „Hier. Das ist ein Bild von Lily, Bernie und Sol." Er legte das Foto auf den Tisch und wir sahen es uns sofort an. Man sah Lily, eine schlanke Frau mit brünetten Haaren, welche ein Kind auf dem Arm trug. Wenn man genauer hinsah bemerkte man am Hals des Mädchens ein Amulett, dass Lunas wirklich verdächtig ähnlich sah. Bernie stand neben den beiden und lächelte gedankenverloren beim Anblick seiner Ehefrau und seiner Tochter.

„Oh mein Gott.", murmelte Miguel, „wir müssen das überprüfen. Monica, kannst du Luna holen?" Seine Frau nickte und machte sich sofort auf den Weg ins Obergeschoss.

Miguel, Alfredo und ich blieben zurück. Das alles war so schnell gegangen. „Wenn Luna wirklich Sol Benson ist, dann...das wäre..", Miguel verstummte in seinem Satz und nahm noch einmal das Bild in die Hand. Es schien wieder eine Ewigkeit zu dauern bis Monica mit Luna an ihrer Seite erschien. Ich sah mir den prunkvollen Salon noch einmal an. Was wenn Luna wirklich in all das hineingeboren wurde?

Meine Freundin war sichtlich verwirrt. Sie trug Jeans, sowie ein Shirt und eine graue zu große Sweatshirtjacke, die aussah als sei sie von Matteo, aber ihre müden Augen und der unordentliche Zopf verrieten, dass sie wohl schon geschlafen hatte. „Nina?", murmelte sie verwirrt als sie mich sah, „was machst du denn hier? Ist irgendwas passiert?"

Sie stockte kurz als sie Alfredo und ihre Eltern ansah. „Und warum bist du heute in der Bibliothek so komisch weggelaufen? Und generell warum scheucht ihr mich aus dem Bett?" Vorwurfsvoll sah sie ihre Mutter kurz an, die allerdings nicht darauf einging. Bei unseren Blicken schien Luna allerdings schnell zu verstehen, dass die Sache wohl ernst war wodurch sie jetzt eher besorgt wirkte.

„Luna, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber kannst du Señior Alfredo bitte mal dein Medaillon zeigen.", bat ihr Mutter Luna mit sanfter, beruhigender Stimme, obwohl ihr angespannter Gesichtsausdruck genau verriet wie nervös sie gerade war. Auch Luna schien das zu bemerken, denn sie sah sich hilfesuchend nach Alfredo um. Als dieser dann zustimmend mit einem hoffnungsvollen Lächeln nickte, nahm Luna schließlich das Medaillon aus ihrer Jackentasche und ging ein paar Schritte auf Alfredo zu. Wir sahen gebannt dabei zu, wie sie das zarte Medaillon mit dem Mondanhänger in die zitternden Hände des alten Mannes legte.

Sekunden vergingen, in denen niemand etwas zu sagen wagen. Die Atmosphäre war bis zum Bersten gespannt und alle Blicke waren auf Luna und Alfredo gerichtet. Ich hielt den Atem an, als er auf einmal mit Tränen in den Augen den Blick vom Amulett abwandte und sich Lunas Gesicht ganz genau ansah. Mit schwachen Fingern strich er eine dunkle Locke hinter ihr Ohr und seufzte: "Irgendwo in mir drin habe ich es immer gespürt."

Meine Freundin zog verwirrt die Luft ein und stammelte: "Ich...ich verstehe nicht."

Er hob das Bild von Lily, Bernie und Sol vom Tisch auf und gab es Luna in die Hand. "Sieh selbst." Luna nahm zögernd das Foto in ihre Hände und begutachtete es ganz genau. "Aber das sind doch..."

Ihre Stimme verstummte, als ihr Blick auf das Medaillon am Hals der Benson Erbin fiel und sie begann zu verstehen.


~Lunas Sicht ~

Wie gebannte starrte ich auf das Foto. Es war eine schöne Abbildung. Eine Frau, ein Mann, ein Kind, eine glückliche Familie. Sie alle lächelten mich sanft aus der Aufnahme an. Niemand konnte ahnen was für eine Tragik sich hinter dieses Foto verbarg.

Ich konnte selbst den Blick nicht mehr lösen. Heute sah ich das Foto mit anderen Augen, denn ich sah mein Medaillon. Mein Medaillon am Hals von Sol Benson. Unzählige Male hatte ich es schon verglichen und mir gedacht, dass das nicht sein konnte, doch das war mein Medaillon.

Kein Zweifel. Mein Medaillon war ein Einzelstück und vor allem jetzt wo ich die Sonne hatte, würde ich es überall erkennen. Und dann war da noch.. "Die Gravur", murmelte ich entgeistert und Alfredo nickte. Ihm waren die Tränen in die Augen getreten und ich konnte kaum fassen was sich hier abspielte. Alles deutete daraufhin, dass ich... "S.B steht für Sol Benson, geboren in Buenos Aires. Irgendwo in mir drin, da habe ich es immer gewusst, Luna." Seine Stimme zitterte und er blickte mich so voller glück an, dass mir fast schwindelig wurde.

Ich konnte das nicht glauben. Das war viel zu absurd und ging viel zu schnell. Alles deutete daraufhin, dass...dass ich Sol Benson war. Aber das konnte doch nicht sein. Wieso sollte unter allen Menschen ausgerechnet ich, Luna Valente Sol Benson sein? "Soll das bedeuten..."

"Du bist es.", nickte Alfredo gerührt und nahm meine Hand, "ich wusste die ganze Zeit, dass du es bist. Tief in meinem Hinterkopf hatte ich immer dieses Gefühl, dass ich dich kenne. Erinnerst du dich daran, als wir uns kennengelernt haben? Wir hatten gleich eine Verbindung, du warst mir so vertraut. Du bist es, da bin ich mir ganz sicher."

Ich schlug mir die Hand vor den Mund, ich selbst hatte Tränen in den Augen bekommen. "Aber das ist so... das kann doch nicht wahr sein.", stieß ich aus und sah mich hilfesuchend nach meinen Eltern um, die allerdings genauso ratlos wie ich wirkten. Mein Vater nickte: "Wir konnten es auch nicht glauben. Nina hat bei euren Nachforschungen heute gemerkt, dass es auffällig viele Überschneidungen zwischen dir und Sol gibt und ist noch diese Nacht zu uns gekommen."

"Dir verdanken wir das alles.", meinte Alfredo gerührt mit einem Blick zu Nina.

Langsam schien alles in meinem Kopf sich zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. "Warte, bist du deshalb heute so plötzlich gegangen?", fragte ich und sie nickte: "Ja. Luna, ich weiß, es klingt unglaublich aber ich hab den ganzen Tag recherchiert, es gibt wirklich nichts, das nicht passt."

Mein Herz raste wie verrückt. Ich sollte Sol Benson sein? Das alles klang wie aus einem Roman, aber wenn ich tief in mich ging, dann ergab es Sinn. Schon von Anfang an hatten Alfredo und ich diese Verbindung gehabt. Es war als würde ich ihn schon ganz lange kennen und als würde etwas in mir sagen, dass ich ihm grenzenlos vertrauen konnte.

"Stimmt das...stimmt das wirklich?", murmelte ich so leise, dass nur Alfredo es verstehen konnte, welcher mich anlächelte und nickte. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich schluchzte lachend, wodurch auch Alfredo...meinem Großvater eine Träne über die Wange lief. "Komm her meine Enkelin, endlich kann ich dich wieder in die Arme schließen", lachte er emotional und ich ließ mich von ihm in eine Umarmung ziehen. "Ich kann es immer noch nicht glauben.", seufzte ich. Alfredo lachte und meinte: "Aber es ist wahr."

Ich fühlte mich in diesem Moment so emotional. Die Umarmung mit Alfredo war wunderbar. Mein Großvater. Ich hatte endlich entdeckt wo ich hingehörte, ich hatte meinen Platz gefunden, Und alles war so schnell gegangen, doch etwas in mir sagte, dass es richtig war. Zum ersten Mal fühlte ich mich so richtig komplett, jetzt wo ich meine Familie und Herkunft gefunden hatte. Jetzt wo ich wusste, woher ich kam und wo ich hingehörte. Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich, diese Entdeckung würde so viele Veränderung nach sich ziehen.

"Großvater..", seufzte ich als wir uns wieder aus der Umarmung lösten und er meine Hände nahm, "ich hab so so viele Fragen."

Glücklich stieß Alfredo ein Lachen aus und meinte: "Du wirst sie alle beantwortet kriegen."

Ich lächelte und genoss diesen Moment der vollkommenen Glückseligkeit, als auf einmal eine kalte, schneidige Stimme durch den Salon schallte: "Was zum Teufel geht hier vor sich?"

Twins, love and more mistakes 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt