Sprich nicht, wenn du nicht aufgefordert bist

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"Du solltest jetzt langsamer werden, Prinzessin", meint Alucard und sieht das Ortsschild direkt vor den ersten Häusern an. Aber keine Reaktion. "Alex?" Immer noch nichts. "Alexandra!" Angespannt und genervt reißt sie ihren Kopf herum. "Ich sagte Schnauze halten! Was ist daran so schwer zu verstehen?!", faucht sie ihn an und konzentriert sich sofort wieder auf die Straße. Woah, was war das? "Ich hab dir gesagt, dass du sie nicht ansprechen solltest.", meint Anderson nur Schulterzuckend und lehnt sich zurück. Alucard sieht, wie er sich tatsächlich an dem Henkel über der Fensterscheibe festhält. "Warum hältst du dich fest? Das wird-" "Willkommen in ihrer Welt, Alucard.", meint der Pater und wirkt ernster als nie zuvor. So ganz verstehen tut er zwar nicht, aber der Urvampir sieht wieder nach vorn. Er hat ja nicht viel Ahnung vom Autofahren. Aber sollte man innerorts nicht ein wenig langsamer fahren?

Tatsächlich bremst Alex ein wenig ab. Alucard beobachtet, wie mühelos ihre Füße zwischen Gas, Kupplung und Bremse hin und her schweben. Sie bedient die Gangschaltung ohne hinzusehen. Von ungefähr 160 sind sie nun runter auf 80, was schon einmal um die Hälfte weniger ist! Das ist gut! Oder? Der Motor ist laut, übertönt aber ihr Handy nicht, was einen ziemlich mitreißenden Rhythmus abgibt, dem sich Alucard nicht ganz entziehen kann. Mit den Fingern tippt er auf seinem eigenen Oberschenkel herum. Zieht hin und wieder die Luft ein, wenn sie ein anderes Auto überholt. Gut, wenn sie möchte! Die Streifen hinter ihnen sind weg. Der Urvampir ist ein wenig begeistert. "Engel? Fahrzeugwechsel?", ruft Anderson und hat das Handy bereit. Kurze Stille. Der schwarzhaarige sieht auf die Seite. Stellt sich schon auf den nächsten kleinen Wutausbruch vor. "Ja. Vier. Sport. Familie. Familie. Sport. Adresse gibst du selbst ein." Perplex starrt Alucard sie an. Warum ist er sie bei ihm so ausgetickt?

Die Frage wird er später stellen. Wenn er das hier überleben sollte! Auch wenn er eben unsterblich ist, ist diese Überlebensangst immer noch in seinem Hirn gespeichert und übernimmt trotzdem mal gern. Eigentlich kann er es unterdrücken! Aber in seltenen Fällen ist es eben scheiße und unmöglich. So auch hier. Während Anderson an seinem eigenen Handy hängt, sieht Alucard wieder nach vorn und weiß nicht, was er jetzt machen soll. Soll er es erwähnen? Soll er es nicht erwähnen? "Die... Die Ampel. Sieht die nur für mich so rot aus?", fragt er ganz vorsichtig und schluckt. "Nein, die ist rot.", antwortet Anderson ruhig auf die Frage und widmet sich wieder seinem Gespräch. "Sollten wir nicht mal langsamer werden?" Dem Urvampir gefällt das gar nicht. Selbst er weiß, dass man bei einer roten Ampel stoppen sollte! Das wird hier aber eiskalt nicht gemacht und das macht ihm so ein wenig sorgen. Gut, große Sorgen!

Seine eigene Hand geht zum Griff. Kurz zieht er zu Alex, die aber runterbremst und auch einen anderen Gang einlegt. Ihre Augen gehen hoch. Runter. Links. Rechts. Sind überall und nirgends. Plötzlich wird es grün. Erleichtert atmet Alucard aus und will den Griff schon loslassen, als sie das Lenkrad herumreißt und die Handbremse mit einem Ruck anzieht. Die Reifen quietschen auf. Der Wagen stellt sich quer. Sie driften um die Kurve. Mehrere Male hört man Hupen und Gekreische, was Alex aber nicht wahrnimmt. Sie sieht lediglich die Straße. Das eingebaute Navi wird bald benutzt. Handbremse raus. Kupplung. Neuer Gang. Gas. Weitergehts. Sollte es noch bleicher als Alucard gehen, hat man eine neue und helle Farbe als weiß gefunden. Mit großen Augen starrt er nach vorn auf die Straße. Krallt sich in den Henkel ein. Hat die Beine ein wenig angezogen. Sein gesamter Körper ist angespannt.

Mit einem Mal schnallt sich Anderson ab. Sofort beginnt der Wagen zu Piepsen, da sich jemand abgeschnallt hat. "Rückspiegel ist weg.", meint er und lehnt sich nach vorn um die besprochene Adresse in das Navi einzugeben. Jetzt findet er sich auch schneller zurecht! Der Umgang mit Alex und dem Handy hat ihm dahingehend ein wenig geholfen, die 'Sprache der Technik' ein wenig besser zu verstehen. Die blauhaarige verzieht zwar das Gesicht, muss sich aber jetzt auf die Außenspiegel verlassen. Ein Wagen, nein zwei sind wieder hinter ihr. Wie sind sie so schnell an sie herangekommen? Oder haben sie vorhergesehen wo sie hinfährt? Sie sieht sich die Umgebung an. Shit. Das ist das gleiche Dorf wie damals. Die gleiche Strecke! "Pater? Bestell die Autos nicht an die gleichen Stellen wie letztes Mal. Wir fahren gerade den gleichen Weg.", knurrt sie entgeistert und Anderson starrt sie perplex an. Sie hat ihn Pater genannt? Autsch...

"Sind nicht die gleichen. Nummer eins ein Parkplatz bei einer Gaststätte. Zwei Ausfahrten. Nummer zwei eine Tankstelle. Nummer drei ein Waldstück. Nummer vier ist zwar ein Haus, aber nicht das gleiche." Alucard hört den beiden zu. Wie kann der Pater noch leben? Meinte sie nicht, dass man sie nicht ansprechen sollte? Ist das so ein Frauending, oder würde er für den Kommentar geköpft werden? Er sollte einfach die Klappe halten, wenn er nicht angesprochen wird. Ist gesünder für alle. Anderson sieht nur wie sie nickt und geht bei dem Navi auf den Knopf, der die Routenführung startet. Es braucht seine Zeit. Die junge Frau sieht kurz auf das Navi, als es geladen hat und schnaubt. 23 Minuten? Na das nennt sie doch einmal Luxus! Ein wenig entspannter sieht sie wieder auf die Straße. Zieht weitere Drifts durch und will nicht wissen, wie die Reifen jetzt aussehen. Aber der Wagen im generellen ist gut! BMW ist zwar nicht ihre Lieblingsmarke, aber man kann damit fahren.

Wieder muss sich Alucard den Kommentar verkneifen, dass sie vielleicht langsamer fahren soll. Vor allem deswegen, weil da ein Bahnübergang ist und die Lichter blinken! Die Schranken gehen runter. Die anderen Autos stehen schon. Aber für Alex gibt es nur einen Weg. Nach vorn. Die Schranken sind unten. "Passt auf Splitter auf!", warnt sie die anderen beiden und zieht den Wagen auf die Gegenfahrbahn. Ihre Augen gehen die Gleise entlang. In der Ferne kann sie den Zug sehen. Gut, alles oder nichts. Sie schaltet einen Gang runter. Der Motor heult auf. Ihr Fuß drückt das Gaspedal bis ganz nach unten durch. Die Drehzahl geht in einen gefährlichen Bereich. Erst kurz vor dem roten Warnbereich schaltet sie wieder hoch. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen ebenfalls die Autos, während sie an den anderen vorbeirast. Sie fährt ein wenig außen und lenkt nur kurz vor dem Zusammenprall mit den Schranken ein wenig nach rechts, um gleich auf die richtige Spur zu kommen. Im nächsten Augenblick kracht es Ohrenbetäubend. Der Wagen hebt aufgrund der leichten Steigung ab und ist für einen gewissen Zeitraum ohne Bodenhaftung. Selbst der Pater, der jetzt eigentlich an ihren Fahrstil gewöhnt sein sollte, betet gerade um sein Leben.

Die drei A'sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt