Skeptisch wandert Alucard durch das leere Dorf. Er spürt keinen Menschen. Nichts, was Leben von sich gibt. Eigentlich wollte er schon lange wieder zurückkehren, aber etwas hielt ihn davon ab. Irgendetwas hat ihn angezogen, was ihn immer weiter in die Mitte des Dorfes bringt. Sicherheitshalber hat er selbst noch einmal auf die Gefühle der anderen beiden geachtet, aber es scheint friedlich da draußen zu sein. Gut so. Er weiß nichts von dem Kampf, der im Moment herrscht. Von der Angst des Paters, welcher nun endlich beim Schauplatz angekommen ist. Von der leichten Verzweiflung und auch Erleichterung Baskervilles, als Anderson endlich aufgetaucht ist. Von der Konzentration Alexandras, die sich selbst immer wieder in den Kampf einmischt und Schrödinger auf die Seite drängt. Nein. Der Urvampir hat immer noch die Gefühle der Ruhe und Entspannung im Hinterkopf, welche ihm als letztes gesendet wurden. Den Hilferuf seines Dämons hört er nicht.
In der Mitte des Dorfes sieht er eine Gestalt auf dem Boden knien. Misstrauisch bleibt Alucard stehen und mustert sie. Er nimmt kein menschliche Aura von ihr wahr! Aber auch keine eines Ghuls, einer Werkatze oder eines Vampirs. Sie besitzt... überhaupt keine Aura. Als wäre sie nicht existent. "Hey. Weißt du, was hier los ist?", fragt er auf dänisch, da dies die einzige Sprache ist mit der er hier weiter kommt und tritt auf sie zu. Sofort springt die Frau auf und dreht sich zu ihm. Alucard bleibt abrupt stehen. Sein Kiefer klappt ein wenig nach unten. Die Augen sind ungläubig aufgerissen. Die dunkelbraunen Augen sehen den Urvampir an. Sie sind voller Tränen, welche auch ihre Wangen hinunter laufen. Die ebenfalls dunkelbraunen Haare sind zu einem geflochtenen Zopf zusammengebunden. Der leicht geschwungene Mund geht ein wenig auf. "Es... Estera." Sofort hat er auf rumänisch gewechselt. Vor Alucard steht seine lange verstorbene Frau. Die erste Frau, für die er je Liebe empfand. "Vlad. Warum hast du mich verlassen?", fragt sie leise und schnieft. "Warum hast du UNS verlassen?" Perfektes Englisch.
Wie aus dem Nichts kommen zwei Kinder an ihre Seite gelaufen. Zwei Mädchen. "Warum hast du uns einfach so allein gelassen? Du warst weg. Auf Kriegszug gegen diese verdammten Osmanen!" Estera wird sauer, ehe sie sich wieder zusammenreißt. Ihre Stimme zittert leicht. "Du hast mich mit unseren Kindern einfach so allein gelassen. Sieh dir mal Raluka an. Sie hat ihren Vater vermisst! Sharai auch!" Sie schluckt und atmet tief durch. "Du hast dich verändert." Alucard weiß nicht, was er noch fühlen soll. Sein Herz wird schwer, während er Estera betrachtet. Noch schwerer, als er nach unten sieht und seine kleinen Mädchen sieht. Wie sie unsicher zu ihm hochsehen, sich aber nicht zu ihm trauen. Langsam geht er in die Knie und lächelt sanft. "Ihr seid immer noch so schön wie an dem Tag, an dem ich euch verlassen musste.", meint er leise und merkt, wie ihm selbst eine Träne die Wange hinunter läuft.
Er hatte damals seine Familie verlassen müssen, als er zu seiner letzten Schlacht aufgebrochen ist. "Vlad, bitte! Komm wieder zurück. Lass uns wieder eine Familie sein! Unsere Töchter brauchen einen Vater, Vlad. Sie brauchen DICH in ihrem Leben." Der schwarzhaarige steht wieder auf. Geht langsam auf Estera zu und hebt eine Hand. Will sie berühren! Traut sich aber nicht. "Ich bin ein Monster, Estera. So etwas würdest du nicht mehr in deinen Leben wollen." Die braunhaarige lächelt und hebt von sich aus ihre Hand. Legt sie an seine Wange. "Ich liebe dich, Vlad. Deswegen habe ich immer auf dich gewartet und endlich bist du zurück. Du bist kein Monster, warst es nie und wirst es nie sein, verstanden? Und jetzt komm! Ich habe einen guten Eintopf über dem Feuer köcheln und hier draußen ist es kalt. Raluka und Sharai wollen ihren Vater endlich richtig kennen lernen!"
Estera lässt ihn los und dreht sich um. Unsicher folgt er ihr und den beiden Mädchen zu einem Haus. Vor jenem bleibt er stehen, als er ein Geräusch hört. Menschen. Er sieht Menschen, aber... er spürt sie nicht. Verwirrt sieht er sich weiter um. Wo kommen all diese Menschen her, wenn es doch vorher leer war? Totenstill? "Kommst du? Hier drin ist es wärmer! Du bist so eiskalt, dass du wahrscheinlich auch erst einmal eine heiße Dusche brauchst." Sein Blick geht wieder zu der braunhaarigen, welche ihm mit einem Lächeln die Tür aufhält. Hinter ihr warten die beiden Mädchen, die noch immer nichts gesagt haben. Er kann sich nicht einmal mehr an ihre Stimmen erinnern, so lange ist das her. Aber sie sind wunderschön. Sie kommen nach ihrer Mutter, das merkt man. Ein Lachen erklingt. "Kommst du endlich rein? Ich heize nicht für draußen!" Alucards Mundwinkel gehen hoch. Ja, das hat sie gern gesagt.
Der Urvampir geht die Treppen zur Haustüre hoch und bleibt im Türrahmen stehen. Von drinnen kommt ihm Wärme entgegen. Der Geruch nach einem guten alten Eintopf, welchen Estera immer schon wunderbar zubereiten konnte. Er geht hinein und schließt hinter sich die Tür. "Zieh dir den Mantel aus und setz dich in das Wohnzimmer. Es ist gemütlich! Das Essen ist gleich fertig!", ruft sie aus einem Nebenraum und Alucard sieht hinein. Eine ziemlich große, aber rustikale Küche. Estera hat sich ihren Mantel ebenfalls ausgezogen und die beiden Kinder decken schon einmal den Tisch. Richten Teller her. Besteck. Der schwarzhaarige tut, wie ihm geheißen wurde und geht in das Zimmer gegenüber. In dem Wohnzimmer brennt im Kamin ein Feuer, welches die Wärme abgibt. Das Knistern beruhigt ihn so ein wenig und lässt ihn in Erinnerungen schwelgen. Als sie einfach nur in seinen Armen lag und sie kuscheln konnten.
Langsam aber sicher wird ihm warm. Nicht nur äußerlich durch das Feuer, sondern auch innerlich. Die Zeit, in der sie friedlich miteinander umgegangen sind. Die Zeiten ohne Streit und die Zeit vor seinem Feldzug mit den Osmanen. Wie gut ihm diese Ruhe wieder tun würde. Die Entspannung. Estera kommt in das Wohnzimmer und seufzt. Sofort dreht sich Alucard um und lächelt sie an. "Wie gut dich wieder zu Hause zu haben, Vlad. Es ist, als wäre mein größter Wunsch wahr geworden." Sie geht zu ihm und legt ihre Arme um ihn. Sanft legt er einen Arm um sie und streicht mit der anderen über ihre Haare. Sie fühlen sich anders an als damals, aber das sollte normal sein. "Ich liebe dich, Vlad. Jetzt sind wir endlich wieder eine Familie. Nach all den Jahren sind wir endlich wieder eine Familie!" Überrascht sieht er zu ihr hinunter als er merkt, dass sie weint. "Estera! Estera... wein doch nicht gleich. Ich bin da."
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Die drei A's
Fiksi PenggemarMitten in der Vampirpandemie entscheiden sich der Urvampir Alucard, der Regenerator Anderson und die junge Frau aus einer anderen Dimension Alexandra dafür, eine Dreiecksbeziehung einzugehen. Bis auf die eine oder andere kleine Streiterei funktionie...