Auf die letzten Meter

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Gelassen sieht Alucard in den Seitenspiegel und wieder nach vorn. Blinzelt ein paar mal. Sieht in den Spiegel, dreht den Kopf auf die Seite und verzieht leicht das Gesicht. "Prinzessin? Ich würde behaupten, dass wir da jetzt theoretisch hinter uns so das ein oder andere Wägelchen haben." Alex verdreht die Augen. "Wir sind auf der Autobahn. Natürlich haben wir Autos hinter uns! Was willst du-" Sie sieht in den Rückspiegel. "Shit..." Anderson seufzt und zieht den Gurt noch einmal fester. Setzt sich richtig hin und nickt. "Du kannst, Engel." Alucard hält sich lieber sofort fest. "Bin bereit." Die blauhaarige sieht zu ihm rüber. "Du musst die Lady anrufen. Die Piloten müssen alles abdecken was auffallen könnte und mit was man ihn nachverfolgen kann. Festhalten kannst du dich nebenbei. Schrei ihr nur nicht ins Telefon." Sie können von Glück reden, dass der letzte Wagen ein Sportwagen ist. 

Alex will schon Gas geben, als von rechts ebenfalls einige Polizeiwägen die Auffahrt herunterfahren und sich vor sie positionieren. Sie versperren beide Spuren vor ihr. Bremsen herunter und verlangsamen sie alle. Die Polizei von hinten kommt herangefahren. "Jetzt wäre es an der Zeit einen Plan zu haben.", meint Alucard und wirkt nicht wirklich begeistert. Auch der Pater sieht sich ein wenig nervös um. So schnell kommen sie hier nicht raus. Eine Welle der Ruhe überkommt die beiden Männer. Sicherheit. Ein wenig Nervosität, aber nur in kleinen Mengen. "Maus? Ich habe nie einen Plan. Entweder ich habe mehrere, oder ich bin verdammt spontan. Ruf die Lady an, ich kümmere mich um das andere." Die junge Frau atmet tief ein und wieder aus. Schaltet ihre Musik wieder an und lässt sich währenddessen immer weiter runterbremsen. "Bist du dir sicher, dass du-" "Kein Gerede mehr ab jetzt. Mach deine Aufgabe und halt sonst die Schnauze." Als wäre das Weib nehmen ihm eine komplett andere Frau!

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme- Anderson betet jetzt einfach nur noch stumm vor sich hin und überprüft noch einmal, ob alles passt. Gurt sitzt. Er ist in einer aufrechten Position. Festhalten kann er sich jederzeit. Mit einem Mal wird der Wagen abrupt abgebremst. Überrascht haut es ihn und auch Alucard ein wenig nach vorn. Die Streifenwägen hinter ihnen müssen ebenfalls abbremsen, haben aber durch dieses plötzliche Momentum ein bisschen mehr Probleme. Alex schaltet von dem sechsten in den zweiten Gang. Tritt auf das Gas. Die Reifen drehen durch. Bekommen wieder Bodenhaftung und sie schießen nach vorn. Die Drehzahl geht hoch. Kurz vor dem roten Bereich schaltet sie hoch in den dritten. Drückt auf die Hupe und lässt Alucards Ohren klingeln. Sie fädelt zwischen den beiden Streifen vor ihr ein, sodass sie in der Mitte fährt. Gleicht sich kurz ihrem Tempo an. 

Ein Blick nach links zu den Polizisten. Das sind doch glatt die, die sie beim ersten Mal bei der Kontrolle vor ein paar Monaten hatten! Sie grinst breit. Streckt die Zunge raus, nimmt beide Hände hoch und zeigt die Mittelfinger. Winkt ihnen kurz zu und wird wieder ernst. Steigt voll auf das Gas. Zieht ohne Probleme an den Wägen vorbei und fährt jeden Gang soweit aus, bis sie wieder im sechsten ist. "Das Weib... schon wieder...", murrt Anderson mit verschränkten Armen und schüttelt den Kopf. "Was meinst du?" Der schwarzhaarige sieht nach hinten und der Geistliche verdreht die Augen. "Das hat sie schon beim ersten Mal gemacht." Sie ist viel zu leicht zu Provozieren. Ganz klar! "Was ich mich frage... wie sind sie uns draufgekommen? Die Fahrzeugwechsel waren doch sonst immer so verdammt effektiv?" 

Der Pater versteht es nicht. Wie sind sie ihnen so schnell wieder drauf gekommen? Woher wussten sie, welches Fahrzeug sie haben? Woher wussten sie in welche Richtung sie fahren? Während Alucard am Handy hängt und über die Musik sprechen muss, überholt Alex die anderen Autos mit guten 280 Km/H links und rechts. Das Hupen ist ihr sowas von egal. Sie werden die Absperrungen errichten. In zwei Kilometern ist schon die richtige Ausfahrt. Wenn sie die erwischt, sollte es reichen! Der Wagen ist leider schon auf Höchstgeschwindigkeit. Ein Chevrolet Camaro Z28. Ein Hammerteil mit, zum Glück, vier Sitzen und genug Leistung um das alles zu packen. Da, die Ausfahrt. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel, alles sauber. Auch noch keine Sperren! Super. Alex bremst den Wagen ein wenig herunter und fährt einigermaßen normal die Ausfahrt hoch. Bleibt dann stehen und biegt zivilisiert ab. Leider bleibt das normale nicht für lange. Schon wieder Polizei. Sind sie beschissene Schwerverbrecher?! Sie haben niemanden umgebracht! Oh... warte. Whupps.

Wieder gibt Alex Gas. Dreht voll auf und überholt knapp auf der Brücke. Alucard, der mitten im Gespräch ist, flucht erst einmal auf einer ihr unbekannten Sprache und selbst Integra zieht kurz eine Augenbraue hoch, ehe es weitergeht. Anderson bekreuzigt sich wieder. Hält das Kreuz, welches er umhängen hat, fest in seinen Händen. Betet dafür, dass Alex sie nicht umbringt. Ja, er hat vertrauen in ihre Fahrkünste. Aber scheiße, das kann nach hinten losgehen! "Piloten werden informiert! Sie sind gleich abflugbereit wenn wir da sind." Der Urvampir ist mit dem Gespräch fertig und schluckt, als er wieder eine Ampel sieht. Aber diesmal ist sie grün. Sie zieht an einem weiteren Wagen vorbei, bremst ab und zieht die Handbremse, ehe sie das Lenkrad auf die Seite reißt. Alucard legt sich eine Hand auf seinen Mund und hofft einfach nur, dass es besser wird. Er will jetzt nicht sterben! Er kann nicht sterben, das ist ihm bewusst. Aber trotzdem!

Ein wenig höhnisch lehnt sich der Pater auf die Seite und sieht den schwarzhaarigen an. "Willst du hinter kommen und kuscheln?", fragt er und die roten Augen gehen sofort zu ihm. Alucard überlegt gerade wirklich, ob er nicht den Platz wechselt und sich ein wenig sicherer fühlen soll. Die ist wahnsinnig! Doch er schüttelt den Kopf. "Alles... Alles in bester Ordnung." Auch wenn Anderson genau die Angst spüren kann, die von ihm kommt. Und die Konzentration, Anspannung und leichte Freude von Alex. Der Urvampir sieht nach vorn und reißt die Augen auf. "AUTO!" Von Alex kommt aber nur ein gereiztes: "SCHNAUZE!", was ihn verstummen lässt. Ohne Probleme weicht sie dem abbiegenden Wagen ab, fährt halb in die Kreuzung, stellt den Wagen erst dann quer und schert vor einem LKW in die Spur, der ein lautes Hupen von sich gibt. Von außen gesehen ist das Heck des Wagens nur wenige Zentimeter von dem LKW entfernt gewesen. Einen Gang runter. Gas. Geschwindigkeit aufbauen. Gang hoch. 

Sie fahren eine Landstraße entlang. Relativ ruhig und die wenigen Autos können sie überholen. Überhaupt kein Problem. Scheiße. Auf der Brücke, unter der sie durchfahren, stehen Streifen. Halten den Verkehr auf. Jetzt ist eh schon alles egal. Mit Vollgas fährt Alex unter der Brücke durch und sieht in den Rückspiegel. Die Polizisten steigen in ihre Autos und wollen sie höchstwahrscheinlich von ihrem Ziel abhalten. Nur ist das nicht mehr allzu weit entfernt. Auf die letzten Meter bekommen sie doch glatt noch ein paar Probleme. Die Abfahrt rauf. Vollgas weiter gerade aus. Überholen. In der Ferne kann sie schon den Platz erkennen, auf dem alles ablaufen soll. Alucard blickt in die Richtung, in die sie selbst immer wieder sieht. Ein paar Bäume verdecken die Sicht ein bisschen, aber er kann den Jet sehen. Er hat die Nummer der Piloten bekommen und wählt sie. Jemand hebt ab. "Wir sind gleich da. Startet die Motoren, wir bringen unerwünschten Besuch mit." Ohne eine Antwort abzuwarten, legt er wieder auf.

Ein wenig besorgt beobachtet der Pater, wie sie ein wenig langsamer wird. Stimmt etwas nicht? Die junge Frau biegt auf einen Feldweg ab. Für so ein tiefgelegtes Auto kaum ausgelegt. Trotzdem gibt sie Gas. Lässt Kies, Schotter und Dreck hinter ihnen aufspritzen und fährt direkt in die Pampa. Oder doch nicht? Selbst er kann in der Entfernung einen Flugplatz erkennen. Und ein wenig abseits steht der Jet. Sie haben es geschafft! Alex hat es geschafft! Diese weiß, dass der Drops aber noch nicht ganz gelutscht ist. So etwas kann schnell zu falscher Sicherheit führen. Hinter ihr fahren die Streifen an der Ausfahrt vorbei, bevor sie sie wahrscheinlich sehen, langsamer werden und umdrehen. Echt jetzt? Hätten sie nicht einfach weiterfahren können? Die blauhaarige gibt noch einmal richtig Gas. Steine schlagen gegen die Unterseite des Wagens. Gegen den Radkasten. Sie will nicht wissen, was für Schäden sie gerade an dem Auto anrichtet. 

Ohne zu zögern fährt Alex auf den Flugplatz. Rast an einfachen Propellermaschinen und Gleitflugzeugen vorbei. Sogar ein Helikopter glänzt in der Sonne, die nun zwischen den Wolken hervorkommt. Trotz der Vollbremsung und eigentlich stehenden Rädern schlittern sie noch einige Meter durch das Gras, ehe der Wagen zum stehen kommt. Sie muss nicht einmal etwas sagen. Jeder steigt aus. Sie schnappt sich das Handy und schaltet die Musik aus, ehe sie gemeinsam zum Jet rennen. Dort wird so oder so schon auf sie gewartet. Alex sprintet als erstes die Treppe hoch. Anderson folgt, Alucard als letztes. Die Tür wird geschlossen und bevor sie sich hinsetzen merken sie, wie der Jet sich bewegt. Jeder setzt sich hin und erst jetzt entspannt sich auch jeder. Der Jet beschleunigt. Sie können vom Fenster aus sehen, wie die Polizisten stehen bleiben und nur aus ihren Wägen aussteigen. Ihnen hinterhersehen. Alexandras Herz rast. Vorsichtig hebt sie ihre rechte Hand. Sie zittert schlimmer als je zuvor. 

Die drei A'sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt