Teil 36

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Mine

"Ich habe einen Termin beim Frauenarzt geholt für morgen", teilte ich ihm mit und zog meine Unterwäsche an. Da ich das Fenster aufmachen wollte und dies nicht in Unterwäsche, zog ich mir ein langes T-Shirt von mir an. "Ich weiß, dass es dich nervt, wenn ich nach Hause gehe, besonders nach dem was wir gemacht haben", legte er seinen Kopf auf meine Schulter. Auch wenn ich es nie ausgesprochen hatte, wusste er von meinen Gedanken bescheid, wie er es wusste, war mir fraglich. "Ich kann es auch verstehen. Du hast einen Sohn, aber bimiyorum kendimi iyi hissetmiyorum. (ich weiß nicht, ich fühle mich schlecht)", gestand ich ihm und drehte mich um, um meine Hände um seinen Kopf zu legen. Mit dem Daumen strich ich über seinen Bart, der leicht in der piekste. "Zieh nicht so ein Gesicht. Ich würde gerne bei dir bleiben, aber ich muss wirklich." Ich legte noch einmal kurz meine Lippen auf seine, entfernte sie aber schnell wieder. "Wir sehen uns auf der Arbeit", winkte ich ihm noch zu und schloss die Tür. Ich ging dann auch gleich in mein Zimmer und zog mir meine Sporthose an sowie Top. Meine Laufschuhe nahm ich aus dem Schrank und streifte sie mir vor der Haustür über. Ich wollte einen freien Kopf kriegen und das Laufen an der frischen Luft, war das beste was es gab. Als ich ein paar Strecken hingelegt hatte, setzte ich mich auf ein Stein im Park. Niemand war hier, da es auch schon spät war. Ich zog meine Beine zusammen und legte meinen Kopf drauf. So schaute ich dann auf den Himmel hinauf. Der leichte kühle Wind hinterließ eine Gänsehaut. Ich wollte mit irgendjemanden reden, einfach nur reden und alles erzählen. Das was zwischen Erdem und mir war, würde keiner verstehen. Ich selbst verstand es doch auch nicht! Ich hätte nie gedacht, dass ich mich auf so etwas einlassen würde, besonders dann, wenn da noch Frau und Kinder im Spiel waren. Erdem und seine Frau waren zwar nur wegen ihrem Sohn zusammen, aber wer wusste dies schon? Wenn dies mal heraus kommen sollte, stand ich dort, als Person, die eine Familie auseinander riss. Wenn es natürlich raus kam, was passieren würde. Nichts auf dieser Welt konnte man für immer verschweigen. Nichts.

Als es dann viel zu spät war, machte ich mich auf den Weg nach Hause. Dieses mal joggte ich nicht, sondern ging nach Hause. Zu Hause nahm ich erst einmal eine Dusche um mich zu entspannen und frischer zu fühlen. Bevor ich schlafen ging, nahm ich meine Tabletten, da dieser Vorfall von heute nicht einmal sein mussten. Wäre meine Mutter hier, würde sie einen aufstand machen, weswegen ich froh war, dass sie doch nicht da wäre. Ich war es leid ein weißes Blatt zu haben und nur drauf wartete beschriftet zu werden, aber es war einfach nur weiß. Die Erinnerungen waren nicht da, die mir so sehr fehlten. Immer wieder wollte ich wissen, wie alles war. Genau die wichtigsten Jahre waren weg, so dass mir nichts anderes blieb, als alles zu glauben, was man mir erzählte. Da ich Erdem auch nicht wegen der Feier gefragt hatte, wollte ich ihm eine Sms schreiben, ließ es aber sein. Er war zu Hause bei seiner Familie und wenn seine Frau fragen würde, wer ihm um diese Uhrzeit schreibt, wollte ich nicht, dass er Probleme bekam. Müde schloss ich meine Augen und versuchte immer wieder einzuschlafen, was mir dann auch irgendwann klappte.

Am Morgen wachte ich recht früh auf, so dass ich im Schneckentempo alles erledigte und sogar noch für ein ausgiebiges Frühstück Zeit hatte. Ich hatte mir eine Jeans angezogen und dazu ein Top als Oberteil, welches für für mich offen war und ich eine rosane Cardigan anzog. Meine Haare hatte ich geflechtet und machte mich auf den Weg zur Arbeit. In meiner schwarzen Tasche, die mir Erdem geschenkt hatte, lag mein Laptop und ein paar andere Dokumente. Heute fuhr ich mit dem Taxi zur Arbeit, da mein Auto in der Nähe der Firma stand. Passierte eben, wenn man nicht mit dem Auto nach Hause fuhr und von Erdem nach Haus gefahren wurde. Mit dem Taxi fuhr ich dann zur Arbeit und verschwand auch sofort in meinem Büro. Ein paar Ordner hatten sich auf meinem Tisch gestapelt, die ich dann in die Tasche legte und die die nicht passten in die Hand. Kurz bevor ich die Firma verließ, sagte Nadja bescheid, dass ich heute außerhalb arbeiten würde und wenn es wichtige Anrufe gäbe, sie mir einfach bescheid sagen sollte. Bevor ich Erdem oder Cihan über dem Weg lief, verschwand ich auch schon aus der Firma. Ich wusste zwar nicht was bei mir los war, aber ich wollte beide irgendwie nicht sehen. Ich legte meine Tasche auf den Beifahrersitz und machte mich auf den Weg zu Metins Wohnung. Ayla und ich hatten einen Ersatzschlüssel, sowie er unseren. Ich wusste, dass er nicht da war und deswegen ging ich beruhigt in seine Wohnung. Sie war wirklich klein, aber für eine Person reichte es vollkommen. So klein sie auch war, so sehr liebte ich sie. Sie war gemütlich eingerichtet, was wir Ayla zu verdanken hatten. Bevor ich mich auf dem Balkon gemütlich machte, machte ich mir noch einmal Kaffee. Sein Balkon war auch so klein, jedoch passte dort ein kleiner Tisch und ein Stuhl hin, mehr auch nicht. Dennoch reichte es mir, um es mir hier mit einer Tasse Kaffee gemütlich zu machen. Ich fuhr meinen Laptop hoch und lächelte auch schon leicht, als ich mein Hintergrundbild sah. Metin hatte es mal mit uns geschossen, als wir noch studierten. Wir saßen alle im Wohnzimmer und Ayla und ich sahen einfach nur fertig aus. Dennoch hatten wir ein Lächeln auf den Gesichtern, weil wir uns hatten und einfach darüber froh waren. Ich war wirklich froh solche wundervollen Menschen zu haben, die immer da waren und man immer auf sie zählen konnte. Ich schickte Metin eine Sms, dass ich in seiner Wohnung war und wenn er doch kam etwas zu Essen bringen sollte. Nach Hause wollte ich nicht, weil mich die vertrauten vier Wände einengten. Bevor ich noch weiter in den Gedanken versinken konnte, warf ich mich an die Arbeit und ging ein paar Dinge durch, die ich verbesserte. Danach fertigte ich eine Statistik an, die ich noch Herr Becker, meinem Chef, überreichen musste. "Oh, fuck", schrie ich auf, als ich auf die Uhr schaute. Ich hatte nur noch zwanzig Minuten und dann meinen Termin beim Frauenarzt. Schnell legte ich alles ins Wohnzimmer, damit keiner auf die Idee kam es einfach mitgehen zu lassen, wenn es auf dem Balkon stand. Innerlich verfluchte ich mich, was nichts brachte und ich zum Auto rannte.

Mit ein paar Minuten Verspätung hatte ich es geschafft und wollte auch direkt wieder verschwinden. Ich mochte es nie alleine zu Ärzten gehen, da ich früher hier Stunden immer verbrachte. "Frau Gencel", rief dann eine zierliche Auszubildende, der ich ein Lächeln schenkte. "Was führt Sie zu uns?", fragte mich die Ärztin, die dann noch einmal am Ende ihrer Frage die Brille hoch schob. "Ich wollte die Pille verschrieben haben", gestand ich ihr und spielte mit meinen Fingern. Ich fühlte mich wie ein Teenager! "Als Verhütungsmittel also?", hackte sie nach und schnell kam ich mir dumm vor. "Ja, genau." Wir sprachen noch über andere Dinge, wie dass es auch andere Mittel gab und natürlich zeigte sie mir alle, dazu erklärte sie mir auch wie sie funktionierten. "Wenn Sie wegen der Pille Veränderungen an sich spüren, kommen Sie bitte her. Dann würden wir nach anderen Mitteln suchen", verabschiedete sie sich und somit verschwand ich schnell aus der Praxis. "Metin, ich kaufe ruhig das Essen. Geh du einfach nach Hause", gab ich ihm Bescheid und ging zum Chinesen. Dort bestellte ich uns Frühlingsrollen und einmal Nudeln, die ich schnell einpacken ließ und verschwand. Bei Metin angekommen, machten wir uns beide ans Essen, weil wir beide wirklich Hunger hatten und es schon so köstlich roch, was den Appetit ankurbelte. "Danke, Schaf", so nannte mich Metin, wenn ihm danach war, aber auch nur weil ich ein kleines Schäfchen als Kuscheltier hatte, welches ich aber seit dem ich mit Erdem zutun habe, unter meinem Bett verstecke. Der Mann mit dem ich schlief musste ja nicht wissen, dass ich ein Kuscheltier hatte. "Ziehen wir uns noch einen Film rein?", fragte er, jedoch lehnte ich dankend ab. Er war selber viel zu müde und ich müsste nach Hause. "Ich passe." Meinen Laptop verstaute ich in meiner Tasche und nahm auch den Rest mit. "Soll ich dich bringen?"
"Neee, bin sowieso mit dem Auto unterwegs. Geh du dir mal ne Runde schlaf gönnen." Bevor ich ging, drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand. Draußen war es schon etwas kühl nicht wie gestern, so dass ich meine Cardigan etwas enger um mich schloss und schnell ins Auto hüpfte.

Zu Hause angekommen, schickte ich die Statistik Herr Becker, da ich wieder vorhatte morgen einfach zu Hause die Arbeit zu erledigen, was entspannter war und mich nicht so sehr anstrengte. Da Herr Becker auch von meinem Zusammenbruch in der Firma Wind bekam, erlaubte er es mir so lange zu Hause zu arbeiten, wie es mir danach war. Nach einer heißen Dusche legte ich mich dann auch wieder schlafen und fiel in die Traumwelt.

Mit einem verrückten Traum, so kam es mir jedenfalls vor, stand ich auf. Es war so verwirrend, dass ich mir nicht einmal weiter Gedanken darüber machte und einfach aufstand. Als ich mich fertig gemacht hatte, machte ich mir Kaffee, um überhaupt etwas zu mir zu kommen. Währenddessen schnappte ich mir mein Handy und rief zu Hause an. "Kizim..(Meine Tochter)", hörte ich die Engelsstimme endlich wieder. "Erzähl, was macht ihr so?", und mit der Frage konnte ich sie davon abhalten mir tausende von Fragen zustellen. Sie berichtete von Mert, der wohl eine Freundin hätte und sie nach Hause zum Kennenlernen gebracht hatte. Sie meinte, dass das Mädchen kaum still sitzen konnte vor Aufregung und immer wieder stotterte. "Anne, hatte ich jemals einen Freund, denn ich nach Hause gebracht habe, also zum Kennenlernen?"
"Wie kommst du denn auf so etwas?", klang ihre Stimme so aufgebracht, dass ich verwirrt vor mich hin schaute.
"Wieso reagierst du so über? Es war doch nur eine normale Frage! Ist etwas dran oder wie?", lachte ich und hörte meine Mutter am anderen Ende husten.
"Soweit ich weiß, hattest du keinen. Vielleicht hattest du einen hast es uns aber nicht gesagt. Mein Schatz, ich muss auch wieder auflegen. Sevim Teyzen wartet auf mich", und schon hatten wir aufgelegt. Ich dachte mir nichts bei dem Gespräch und zog mir etwas leichtes an, da ich runter zum Bäcker wollte, um mir ein Stück Kuchen zu kaufen. Als ich dann endlich der überaus freundlichen Bedienung das Geld überreichte, ging ich wieder nach Hause. Während ich dann mein Kuchen aß, erledigte ich die geschäftlichen Dinge, die zu Hause schneller erledigt waren als auf der Arbeit. Somit hatte ich auch früher Feierabend und entschied mich dafür die Wohnung zu putzen. Aus der untersten Ecke meines Schrankes fischte ich mir eine alte Jogginghose heraus, die schon auch gerissen war und ein T-Shirt, welches auch nicht mehr im besten zu stand war.

Genau als ich in anfangen wollte das Badezimmer zu putzen, klingelte es an der Tür. "Ich bins Erdem", hörte ich aus der Anlage und machte unten die Tür auf. Ich glaube in so einem Outfit hatte er mich noch nie gesehen und wenn er mich so nicht erschreckend finden würde, würde er für immer bleiben, so dachte ich und lachte darüber eine Weile.

"Neden geldin? (Wieso bist du gekommen?)", fragte ich ihn und ließ ihn den Eintritt in die Wohnung.

Das Schicksal lenktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt