Teil 31

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Erdem

Alles in einem war der Tag wirklich sehr nett. Auch meine Präsentation verlief recht gut und so kamen wir schnell zu einem Ergebnis. Jedoch würde die Gründung und Bau des Gebäudes noch etwas auf sich warten lassen. Mir entging es nicht, wie Cihan sich ständig an Mine ran warf und doch blieb ich gelassen und spielte meine Rolle des wichtigen Geschäftsmannes eins a. Da Mine, Rosella und ich im Hotel bleiben würden, nahm ich meine Karte und betrat mein Zimmer. Als erstes sprang ich unter die Dusche und zog mir eine Jogginghose und ein Muskelshirt an, ehe ich kurz runter zum Auto huschte und eine brandneue und 899,99 € teure Tasche aus seinem Karton raus holte. Eine Louis Vuitton Tasche aus schwarzen Lackleder, welches auch perfekt zu ihrem heutigen Outfit gepasst hätte. In der Mitte war die Marke zu erkennen. Ein Geburtstagsgeschenk für die wohl einer der größten Taschenliebhaberin, die ich kannte. Damals konnte ich es mir nicht leisten, solche exquisiten Geschenke für sie zu besorgen. Nur diese teure Kette mit dem blauen Stein und das nur, weil ich ihr auch das Wichtigste geraubt hatte, was sie besaß. Nie hatte sie auch ein Wort erwähnt, sie hatte nicht einmal danach verlangt, weil sie meine finanzielle Situation kannte. Meistens hatte sie Überstunden abgeleistet, um sich eine im Wert von 200 € zu kaufen. Schließlich hatte sie auch noch andere Ausgaben. Doch heute sollte sie ihre Tasche kriegen. Ich hielt es in der Hand und fuhr mit dem Aufzug hoch, bis ich vor ihrer Tür stehen blieb und anklopfte. "Herein.", ertönte ihre Stimme und folglich drückte ich die Türklinke herunter, trat ein und sah Rosella auf dem zweiten Bett sitzen. Zum Glück konnte ich die Tasche noch hinter meinem Rücken verstecken.
"Du warst wirklich großartig, mein Schatz.", kam es von ihr, sie lief auf mich zu und küsste meine Wangen. Ros war bereits mitte dreißig und verheiratet, trotzdem führten wir inzwischen eine gute Freundschaft. Da ich meist der Verantwortliche für solche Feste und Meetings war und sie als die Veranstaltungskauffrau alles organisierte.
"Danke, Baby.", grinste ich sie wie ein verspieltes Kind an, sie kniff mir in die Wange und fragte Mine: "Ist unser Erdem nicht süß?"
Mine dagegen wirkte überhaupt nicht begeistert, was Ros nicht sah, da sie ja mit dem Rücken zu ihr stand.
"Dafür das du zweisprachig aufgewachsen bist und die englische Sprache später erlernt hast, beherrschst du sie wirklich gut. Ich bin stolz auf dich.", gab sie noch von sich, ehe sie sich von mir löste und mit den Worten: "Ich will noch duschen, bevor ich schlafen gehe. Du entschuldigst mich?"
"Natürlich, soll ich mitkommen?", fragte ich flirtend und brachte sie zum Lachen. Kurz schlug sie mir auf die Brust und nahm dann ihren Bademantel aus ihrem kleinen Koffer den sie gebracht hatte und betrat das Badezimmer.
"Neden o kadin ile böyle konusuyorsun?" (Wieso sprichst du mit dieser Frau so?), fragte Mine und blickte mich etwas gereizt an. "Sana ne? Bende sana aynisini sora bilirim. Bu orusbu cocugu neden ikide bir seni elliyor? Söyle ona eger onun parmaklarini kesmiceksem ellerini senden ceksin! Pesevenk. Kendisini ne saniyor, sende üstelik buna izin veriyorsun." (Was geht dich das an? Ich kann dich das Gleiche fragen. Wieso fässt dieser Hurensohn dich die ganze Zeit an? Sag ihm wenn ich nicht seine Finger abschneiden soll, soll er die Hände von dir nehmen! Zuhälter. Was denkt er wer er ist und du erlaubst ihm das auch noch." Meine Stimme war zwar leise, aber bedrohlich und ich sah ihr an, wie sie sich langsam aufregte.
"Erdem, sence ne yapsaydim? Herkezin önünde ona tokat mi atsaydim?" (Erdem, was sollte ich deiner Meinung nach tun? Vor jedem ihn eine scheuern?)
"Gar keine so schlechte Idee."
"Spinn nicht rum. Ne istiyorsun?" (Was willst du?)
Nun überreichte ich ihr die Clutch und sprach: "Du hast deine Tasche vergessen."
Ungläubig weitete sie ihre Augen und musterte die Tasche. "Ama bu cok güzel. Neden bana böyle birsey aldin?" (Aber das ist sehr schön. Wieso hast du mir so etwas gekauft?)
"Hast du nicht nächsten Samstag Geburtstag?"
Sie blickte mich entgeistert an und ich konnte in dem Moment ihre Gedanken lesen. "Ich hab etwas recherchiert." Mit einem Mal schlang sie die Arme um mich und bedankte sich auf türkisch. Es freute mich, dass es ihr gefiel. Doch dann distanzierte sie sich und wollte gespannt wissen: "Wieso gibst du es mir jetzt schon?"
Jedoch wechselte ich das Thema und wollte etwas genervt wissen: "Wieso warst du nicht da, als ich die Präsentationen gehalten habe?"
"Weil so etwas...", unterbrach sich selbst, wohl wegen Ros und sprach dann weiter: "Weil ich noch andere Sachen zu erledigen hatte."
"O pislik seninleydi demi?" (Dieser Dreckskerl war mit dir oder?)
"Erdem, yapma. O iyi biri. Tamam biraz abartiyor, ama kötülük yapmadi bana." (Erdem, hör auf. Er ist ein guter Mensch. Okay, vielleicht übertreibt er ein wenig, aber er hat mir nichts schlechtes getan.), nahm sie ihn nun auch in Schutz und ließ mich die Augen rollen. "Sen onu tanimiyorsun, nasil bu kadar emin ola biliyorsun? Saf kiz. Bak onu birdaha senin yaninda görmicem! Anladinmi beni? Sen o pici tanimiyorsun. Beraber okuduk ve sirf ben ondan daha iyim diye, beni hep kiskandi. Sonra bu ise girdim o da bir sene sonra pesimden geldi." (Du kennst ihn nicht, wie kannst du dir nur so sicher sein? Naives Mädchen. Schau, ich werde ihn nie wieder in deiner Nähe sehen! Hast du mich verstanden? Du kennst diesen Bastard nicht. Wir haben zusammen studiert und nur weil ich besser als er war, war er immer eifersüchtig auf mich. Dann habe ich in dieser Firma angefangen und ein Jahr später kam er mir nach.)
"Nach dem Motto, sei deinen Freunden nah, aber deinen Feinden näher?"
"Genau so. O kadinlarla oynamayi cok seviyor birde gelmis benimle sohbet ediyor. Beraber birseyler icmeye bile davet ediyor. Ya bir adam nasil bu kadar iki yüzlü olur?" (Er mag es sehr mit Frauen zu spielen und dann kommt er und unterhält sich mit mir. Er lädt mich dazu ein etwas mit ihm trinken zu gehen. Wie kann ein Mann nur so hinterhältig sein?), regte ich mich über Cihan gewaltig auf und sah Mine dabei zu, wie sie die Clutch in ihrem kleinen Reisegepäck verstauchte. "Danke nochmal. Ich glaube du solltest jetzt gehen.", fügte sie hinzu, ohne mich anzusehen, doch genau in diesem Moment kam Rosella wieder und setzte sich auf das zweite Bett. "Haben wir doch gut hin bekommen den Tag, nicht wahr?"
"Ja, ganz deiner Meinung.", strahlte ich meine ältere Arbeitskollegin an und lehnte mich an die Wand, ehe ich die Arme vor der Brust verschränkte und mitteilte: "Ich werde morgen mit den beiden Engländern nach London reisen. Sie haben einen wichtigen Auftrag für mich in ihrer Firma. Das heißt ich bin erst mal zehn Tage weg."
"Ach das ist schön. Du warst ja auch schon vor paar Monaten dort. Wieso lässt du dich nicht gleich dorthin versetzen?", grinste Ros und klatschte sich freudig in die Hände. Mine dagegen blickte mich ungläubig an. Wahrscheinlich verstand sie jetzt, warum ich ihr ihr Geschenk jetzt schon gegeben hatte. Nächsten Samstag würde ich nicht hier sein und morgen bei dem ganzen Hektik hätte ich auch keine Zeit für sie.
"Wirst du dann wieder dort in deiner Wohnung bleiben?"
Nickend gab ich ihr die Antwort und sie fügte hinzu: "Ich will auch mal diese Wohnung sehen."
Weil ich schon seitdem ich hier in dieser Firma angefangen hatte zu arbeiten, immer zwischen London und hier pendelte, hatte mein Chef mir eine kleine, aber luxuriöse Wohnung gekauft. Er war auch der festen Überzeugung, dass ich irgendwann dorthin ziehen würde. "Vielleicht ziehst du wirklich dorthin, wie Herr xyz das gesagt hat.", fügte Ros hinzu und wir sprachen noch ein wenig über London, ehe ich mich von beiden verabschiedete und ging. Mine war bestimmt wütend. Aber das mit England kam wirklich spontan.

Das Schicksal lenktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt