Teil 22

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Mine

"Fuck, was sage ich da nur?", hauchte ich dennoch etwas benebelt und entfernte mich etwas von ihm. Gestresst ging ich durch meine Haare und biss mir auf die Lippen. Wieso musste meine Lust mich so sehr verraten und mir in den Rücken fallen? Während ich versuchte einen klaren Kopf zu bekommen, stand Erdem vor mir und lächelte mich sicher an. "Du Arschloch!", fuhr ich ihn an und schlug auf seine Brust. "Du wusstest es! Du wusstest, dass ich dann schwach werde. Esek! (Esel!)" Nur ein Lachen erklang aus seinem Mund, was meine Wut immer mehr steigen ließ. "Hör auf zu lachen", knurrte ich und drehte mich um raus zugehen. Ich muss weg bleiben von ihm. "Dur nereye? (Warte, wohin?", hielt er mich nur auf. Als er seine Hand von meinem Arm nahm, bekam ich sofort eine Gänsehaut, was ihn noch mehr grinsen ließ als er es schon tat. "Ich muss wieder an die Arbeit." Zügig verschwand ich aus seinem Zimmer und ging auf Toilette. Ich schloss ab damit ich meine Ruhe hatte und ungestört die Gedanken aus meinem Kopf zu schaffen. Das kalte Wasser auf meinem Gesicht tat mir zwar unheimlich gut, aber brachte nicht wirklich etwas. Die einzelnen Wassertropfen tropften von meinem Gesicht auf das Waschbecken und waren das einzige Geräusch was ich hörte. "Hallo? Ist da jemand?", klopfte es an der Tür, weswegen ich zusammen zuckte und mich schnell wieder rappelte. Zügig schloss ich die Tür auf und entschuldigte mich. Ich drängte mich an ihr vorbei und ließ auf mein Zimmer zu. Ganze zwanzig Minuten hatte ich verbracht auf dem Wc und widmete mich wieder meiner Aufgabe zu, was nicht wirklich gelang. Ich schnappte mir mein Handy und rief zu Hause an. "Ohhhh, Mine! Wieso rufst du immer so selten an? Kizim (Meine Tochter), was machst du alle-?", und so begann die Rede meiner Mutter, die mich mit fragen bombardierte und keine Möglichkeit gab überhaupt zu antworten, was sie natürlich aber von mir verlangte. "Anne, stopp doch einmal", lachte ich nur und lehnte mich zurück. "Ja, jaa", eingeschnappt wie sie war, kam auch die kurze Antwort. "Mir geht es wirklich sehr gut hier. Meine Tabletten nehme ich auch regelmäßig ein, damit ich auch nicht umkippe oder sonst sowas, was ich nicht tu, auch wenn ich sie nicht einnehme." Wir sprachen wirklich sehr lange und dann gab sie mir noch einmal Mert, mit dem ich auch kurz sprach. Er bedankte sich für das Wochenende, auch wenn wir gemeinsam nur einen Tag verbracht hatten, da er ja früher gehen musste. Ich hatte den Sonntag wirklich sehr genossen gehabt. Ich bin spät aufgestanden und hatte genüsslich lange gefrühstückt. Ab und zu waren meine Gedanken bei Erdem, aber ermahnen konnte ich mich immer rechtzeitig. 

Rechtzeitig zum Mittagessen stand ich auf und schnappte mir meinen Blazer, den ich mir beim Gehen überzog. "Frau Gencel, warten sie doch", holte mich Erdem auf und auch wenn ich mit schnellen Schritten versuchte von ihm weg zukommen, war mein Tempo im Gegensatz zu seinem nichts. "Lass mich in Ruhe", motze ich nur und war endlich an der Tür angekommen. "Auf was hast du heute Lust?" 
"Auf dein verschwinden, wenn es möglich wäre!"
"Oh, nein das geht nicht", lachte er nur und schnappte sich meinen Arm, um mich mit in sein Auto zu bringen. 
"Lass los. Was werden nur die anderen denken?", knurrte ich ihn an und setzte mich auf den Beifahrersitz. 
"Das ich mit meiner Kollegin essen gehe. Mehr nicht. Mehr machen wir doch auch nicht, oder doch?" 
Dieses nervige Grinsen würde ich ihm eines Tages ausprügeln! 
"Bring mich zum Türken", war das letzte was ich sagte und drehte ihm den Rücken zu, so dass ich nur noch aus dem Fenster blicken konnte. Ich genoss den Ausblick wirklich sehr. Das Wetter war angenehm und einfach mal irgendwo heraus zuschauen, auf das Leben anderer Leute, war befreiend. Man schaute sich die anderen Gesichter an und manchmal sah man da die Emotionen heraus, gar die Geschichte hinter einem. Jeder hatte seine Geschichte. Manche erzählten sie und manche verstummten, um andere nicht zu verletzten oder selber nicht daran zu zerbrechen. Das Leben hatte seine Spielregeln und man musste das Beste daraus machen, tat man es nicht, leidet man drunter. Als wir in der Stadt ankamen, suchten wir erst einen geeigneten Parkplatz für Erdems Auto. Irgendwie wollte er es nicht überall parken, weil das Auto sein Schatz war und irgendetwas passieren könnte. Augen rollend stellte ich mich dann neben ihn und gemeinsam gingen wir herein. Ich mochte es nie wenn ich in Restaurants ankam und mir die Kellern immer so ein gefälschtes Lächeln schenkten. Ich hatte auch gekellnert und mochte es zwar auch nicht, sparte mir aber dann auch dieses eklige Lächeln, was sowieso nichts brachte. Wir setzten uns in das ruhige Restaurant in eines der Ecken und bekamen auch sofort die Speisekarte. Normalerweise war hier immer alles voll, da es aber früh war, war es dementsprechend ruhig. "Ich weiß gar nicht was ich essen soll", sagte ich und kaute auf meinem Daumen herum, hörte aber damit sofort auf, als Erdem zu mir blickte. 

"Wir nehmen einmal Nummer 3 und 7", entschied er einfach und schickte somit den Kellner weg. 
"Und neuerdings entscheidest du für mich?", mit erhobener Augenbraue schaute ich ihn an. 
"Ja, es wird dir gefallen. Ich kenne dich."
"Das ich nicht lache! Du kennst mich gar nicht!", gab ich zickig von mir und verschränkte meine Arme. Doch auch mit der Antwort entlockte ich ihm nichts, so dass wir schweigend auf unsere leeren Teller schauten. 


"Danke, nächstes mal geht es auf mich", bedankte ich mich und verabschiedete mich von Erdem, ehe ich aus dem Auto stieg und in die Firma zuging. Den Eingang hatten wir wirklich bunt gestaltet und somit sah er auch einladend aus. "Frau Gencel, eine Frau sitzt in ihrem Büro und wollte mit Ihnen sprechen", teilte mir Nadja mit, meine Sekretärin. "Und ihr Name war?", forschte ich nach, jedoch zuckte sie nur mit der Schulter. Plötzlich überkam mich die Angst. Was ist, wenn es Erdems Frau war? Aber wenn es so wäre, wüsste Nadja das doch, oder nicht? Wenn sie es war, wüsste ich nicht einmal was sie von wir wollte, naja doch schon. Meine Hand fing schon an fürchterlich zu zittern und vor lauter Angst legte ich sie an den Türknopf, drückte ihn aber nicht herunter. "Ruhig ausatmen", sprach ich mir zu und betrat endlich mein Büro. "Mine!", sprang sie mir in die Arme und drückte mich ganz fest. "Ayla, du bist es", sprach ich erleichtert aus. Sie war es nur, meine beste Freundin. "Wem hast du denn erwartet?", misstrauisch begutachtete sie mich. 
"Niemanden, also meinen Chef eher. Ich hatte vergessen etwas abzugeben, wegen Zeitnot und dachte halt, dass er da wäre", log ich mich heraus und setzte mich zu ihr. "Ich habe dich vermisst", drückte sie mich wieder und hielt meine Hand noch fest. 
"Du siehst bedrückt aus." Toll. Wirklich schön. Da war sie wieder da und diese Fragerei fing wieder an. Wieso konnte sie auch nicht einer von den Freunden sein, die nichts an einem merkten und nicht ich-Bezogen waren? 
"Nichts, hatte nur einen harten Tag. Erzähl, wie war es?", sofort lenkte ich sie ab und somit begann sie von ihrer Fortbildung zu erzählen, die wirklich langweilig verlief. "Und was hast du gemacht?", fragte sie mich nach einiger Zeit. "Ich war auf einer Feier, habe dort mit Erdem geküsst, danach hat er mir ein Angebot gemacht. Das Angebot lautete, dass wir gemeinsam schlafen. Natürlich habe ich abgelehnt, aber mein Körper hat mich dann verraten, als er mich auf eine Antwort bat und mich geküsst hat", konnte ich ja schlecht sagen, weswegen ich nur ein "nichts aufregendes" gesagt habe. "Ich muss auch so langsam an die Arbeit, mein Schatz", entschuldigte ich mich von ihr und drückte sie noch einmal kurz. "Ah, bevor ich es vergesse! Heute Abend bin ich bei Metin, vielleicht komme ich nach Hause vielleicht aber auch nicht. Mach dir also keine sorgen." 


Zu Hause angekommen konnte ich gar nicht auf einem Fleck stehen. Immer wieder ging ich im Wohnzimmer auf und ab. Ich wusste nicht was ich machen sollte oder mich verhalten sollte. Bevor ich die Firma verlassen hatte, schrieb ich Erdem eine Sms, dass er heute kommen sollte. Für diese Sms hatte ich Stunden gebracht, um mich überhaupt zu überwinden ihm die zu schreiben, überhaupt zu senden! Und nun stand ich in der Wohnung und starrte auf die Uhr, die mir deutlich zeigte, dass Erdem in 10 Minuten hier wäre. Noch einmal begutachtete ich mich im Spiegel. Meine Haare hatte ich offen gelassen und sie fielen mir auf den Rücken. Sie waren wirklich lang und auch dick, weswegen ich oft meine Probleme mit ihnen hatte, aber es nie übers Herz brachte sie zu schneiden. Meine Arbeitsklamotten hatte ich gegen ein schwarzes Kleid gewechselt. Es war zwar nicht kurz, aber es saß wie eine zweite Haut an mir. Meinen Hals schmückte mal wieder mein blauer Stein. Irgendetwas sagte mir, dass ich ihn heute anhaben sollte und Gefühle täuschten sich normalerweise nicht. "Was machst du nur für Sachen?", sprach ich und wollte nach meinem Handy schnappen, um irgendeine Lüge zu überlegen und das Treffen abzusagen, aber es klingelte schon an der Tür. "Scheiße", war das letzte was ich sagte, ehe ich zur Tür eilte. 

Das Schicksal lenktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt