Teil 60

541 23 1
                                    

Mine

"Wirst du es mir erklären?", wiederholte sie ihre Frage und zog mich hinter sich her. "Nicht hier. Und du bist mir auch eine Erklärung schuldig", beendete ich das Gespräch und lief wieder rein. "Abla, wo warst du?" "Kurz weg. Wollen wir tanzen?", ohne auf eine Antwort von Mert zu erwarten, schnappte ich mir seine Hand und ging auf die Tanzfläche. Es spielte ein langsames Lied und so konnte ich mich an ihn kuscheln, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. "Bist du okay?", besorgt flüsterte in mein Ohr und bekam auch schon die Antwort, als ich mich an ihn krallte. "Nein."

Die Hochzeit zog an mir vorbei und schon saßen wir im Auto Richtung nach Hause. Erdem hatte ich nicht mehr gesehen und etwas anderes als auf meinem Platz zu sitzen hatte ich auch nicht getan. Sogar auf die Toilette ging ich nicht alleine. Meine Mutter kam mit, als ob sie Angst hätte. Ich hatte mich vor Müdigkeit an Mert gelehnt solange mein Vater die Hausschlüssel suchte und wir an der geschlossenen Tür warteten. Drinnen warf ich meine Schuhe einfach in eine Ecke und verschwand im Badezimmer. Schnell sprang ich in die Dusche und schrubbte mir alles ab. Ohne meine Haare zu föhnen, die am Morgen schrecklich aussehen würden, ging ich dennoch schlafen. In der Nacht spürte ich wie Sebnem Teyze sich zu mir legte und sich an mich kuschelte. Viel Schlaf bekam ich leider nicht ab und stand dem entsprechenden auch noch müde auf. Unten saßen sie dann schon im Wohnzimmer und diskutierten. "Şebnem, was hatte er neben dir zu suchen?", zischte meine Mutter ihre kleinere Schwester an. "Er wurde eingeladen. Da kann ich doch nichts dafür!", schwach verteidigte sie sich.  Als ich den Raum betrat, brach die Stille ein. "Guten morgen, kizim (meine Tochter)", begrüßte mich mein Vater und zwang meine Mutter mit seinen Blicken sie zu einem Lächeln zu zwängen, was sie mir dann schenken sollte. "Ben yoruldum (Ich bin müde)", gestand ich meiner Familie. "Geh dann ne Runde schlafen", kam es peplext von meiner Tante. "Nicht so müde. Müde vom Leben. Ich bin doch kein Kind mehr. Ich weiß, dass etwas abläuft und nur ich im Dunkeln tappe. İstemiyorum. (Ich will nicht)" "Wie kommst du drauf?", kam die schrille Stimme meiner Mutter, die immer so wurde, wenn sie etwas zu verbergen hatte. "Nennen wir es Verstand." Ich stand von der Couch und stellte mich vor die drei. "Ich habe Träume. Sie fühlen sich so real an, als ob ich sie schon einmal erlebt habe. Da ist ein Junge dabei", erzählte ich den drein und durfte zu sehen wie ihr Gesicht blasser wurde. "Fang erst gar nicht an zu sagen, dass ich spinne", schnitt ich meiner Mutter das Wort ab, ehe sie auch nur meinen Namen sagen konnte. "Mine, hör z-" "-Nein, Sebnem", schrie meine Mutter aufgebracht und stand ebenfalls auf. "Wisst ihr wie es ist? Es ist ein schreckliches Gefühl! Ihr habt nach dem Unfall immer gefragt wie es mir geht. Ich habe euch die Wahrheit nie gesagt. Einfach nur gesagt dass es mir gut geht, aber ich verbrannte. Es war einfach nur dunkel und ich hatte mich dort gefangen gefühlt." "Wieso hast du es uns nicht gesagt?", flüsterte mein Vater besorgt. "Was hättet ihr machen können? Ich hätte euch doch nur noch mehr Leid hinzugefügt. Ich habe versucht es zu ändern. Immer hatte ich eine Leere in mir. Sie ist nie weg gegangen. Nie. Manchmal wenn ich dachte, dass ich doch glücklich bin, passierte irgendetwas und die Dunkelheit holte mich wieder ein. Bitte, sagt mir was hier los ist. Lüften. (Bitte)", flehte ich meinen Vater an, der auf dem Sessel saß und zusah wie ich zerbrach. "Es sind nur Träume. Der Arzt hat doch gesagt, dass du dir Dinge erhoffst, weil du sie so gerne hättest", ging meine Tante dazwischen und hockte sich zu mir. "Du lügst doch", nuschelte ich gegen ihre Brust. "Nein, glaub mir. Habe ich jemals gelogen? "Ja, hast du", gab ich ehrlich zu. "Habe ich aber jemals dich angelogen?" Schnell schüttelte ich meinen Kopf und kuschelte mich an sie heran. Wir saßen immer noch auf dem Boden, bis Mert kam und mich ins Bett brachte. Ich fühlte mich wie damals. Verlassen und leer.

Ich war wieder zu Hause und hatte mich krank schreiben lassen. Mein Arzt musste ich noch am Abend des Gesprächs suchen, da ich eine kleine Panikattacke hatte. Die Atemnot hatte wieder begonnen und alles hatte sich bei mir zu geschnürt. Auf Grund diesem Ergebnis bekam ich ein Attest, bettruhe für 5 Tage. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, aber dieses verursachte mir mehr Kopfschmerzen. Ich hatte auch Angst in meiner Vergangenheit herum zustochern. Vielleicht würde ich etwas finden, was mir nicht gefallen würde, etwas was mich wieder erschlägt. Mit meiner Tante konnte ich nicht reden, da sie weg musste. Meine Mutter gefiel dies natürlich und auch Mert wurde aus dem Haus gebracht. "Seit dem du zurück bist, bist du komisch. Alles okay?" Ayla legte sich zu mir und strich mir meinen Rücken entlang. "Hmm", murmelte ich nur und drückte die Augen fest zusammen, um nicht wieder zu weinen. "Du kannst mir alles sagen, ich werde dich immer als die süße und unschuldige Mine sehen", baute sie mich auf, doch es tat mehr weh. "Wenn du doch nur wüsstest", nuschelte ich, wissend dass sie es nicht gehört hat. "Ich muss zur Arbeit, aber wenn du willst , bleibe ich." "Ne, geh du mal schön." Am Abend kam dann Ayla nach Hause und ließ sich erschöpft auf die Couch fallen. "Ich will umziehen", gab ich beiläufig von mir und sah zu Ayla, die ihre Augen weit aufgerissen hatte. "Alleine. Ich möchte, dass du hier bleibst. Ich muss raus hier. Es wird mir gut tun. Bitte, unterstütze mich dabei", bat ich sie liebevoll. "Hast du schon Ideen?" Sie hatte ihre erste Reaktion herunter geschluckt, wofür ich ihr dankbar war. Ich holte mein Laptop heraus und zeigte ihr auch schon alles. Ich hatte nach einer Wohnung geschaut, die aber groß war. Etwas von der Innenstadt fand ich jedoch ein kleines Haus, was es mir angetan hatte. "Ist das nicht groß?" "Doch, aber ich werde die Räume gut verwenden", erklärte ich ihr und erzählte ihr meine Pläne. Schon am darauf folgenden Tag hatte ich ein Tag mit dem Makler vereinbart und stand schon im Haus. Von außen war es schon so einladend, dass ich mich aufs innerer freute. Zwar schaute auch mich der Makler verwirrt an als ich gestand, dass ich es alleine bewohnen würde, aber sagte nichts mehr dazu, da ich das Geld zahlen würde.
Schon zwei Tage später stand ich im Wohnzimmer meines neuen zu Hause umrungen mit Kartons. Cihan und Metin waren in der Küche beschäftigt. Mein Wohnzimmer, welches mit der Küche verbunden war, hatte ich in der weißen Farbe möbliert und dekoriert in rosa und grau. "Mine, sobald das Wetter gut ist, müssen wir auf diesem Garten grillen", träumte Metin vor sich hin und nahm dankend das Gals wasser an, welches in Ayla reichte. "Machen wir, versprochen", schrie ich ihm zu, da ich auf den Treppen nach oben war. Der Garten war wirklich schön groß, für mich zu groß. Ich wusste nicht was ich damit anfangen soll, aber Metin war der Meinung, dass er gerne mal mit paar Freunden hier grillen könnte oder ne Runde Fußball spielen würden, wofür er wirklich nicht gelingt wäre natürlich meiner Meinung nach, die er nicht sonderlich zu beachten schien. Mein Schlafzimmer hatten wir schon fertig damit ich auch die Nacht hier schlafen konnte. Die anderen leeren Zimmer hatte ich umgewandelt in ein Gästezimmer, Arbeitszimmer und einen Kleiderschrank. Eigentlich stand im Raum nur ein etwas größerer Kleiderschrank als im Schlafzimmer, der noch unordentlich war und meine Schuhe, die einfach im Zimmer herum standen. Anders die Zimmer zu verwenden kam mir nicht in den Sinn.

"Danke für alles", bedankte ich mich schon zum wiederholten Male. Wir waren wirklich fertig geworden, aber auch nur, weil Cihan und Metin noch paar andere Freunde her brachten, die uns halfen. Ich setzte mich an den Fernseher als alle weg waren und schaute mir eine Serie an. Es war gerade mal 19 Uhr und schon klingelte mein Handy. Der Arzt hatte mir Tabletten verschrieben, die ich nehmen sollte bis sie endeten, auch wenn es mir wieder gut ging. Sobald ich den Alarm aus hatte, schaute ich mein Handy noch weitere Minuten stumm an bis ich auf meine Kontakte ging. Ich drückte auf Erdem und entschied mich ihm eine Nachricht zu schreiben. Auch wenn ich ihn am Montag sehen würde, wollte ich an einem Freitagabend mit ihm reden. Ich schrieb ihm eine Sms, ob er nicht kommen kann, da ich reden wollte. Die neue Adresse schickte ich ihm. Schließlich wusste er nichts vom Umzug. Ich hoffe doch wirklich, dass er kommt.

Das Schicksal lenktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt