Erdem
In dieser Nacht dauerte es lange das ich einschlief. Ich hatte nicht einmal realisiert, wie die restlichen Stunden überhaupt vergangen waren, seitdem Beischlaf mit meiner lieben Ehefrau. Irgendwie hasste ich mich auch selbst, dass ich überhaupt an Mine dachte und mich fragte, was wohl passiert war, dass sie mich vergessen hatte. Wie konnte sie das nur wagen? Kopfschüttelnd stand ich auf und lief raus auf den Balkon, welches mit unserem Schlafzimmer verbunden war. Die Nacht war schon kälter und dafür der Himmel so klar, dass man die Sterne sehen und bestaunen konnte. Der Mond schien hell, es erinnerte mich wieder an Mine. So viele Erlebnisse die wir miteinander verbracht hatten. So viele Momente voller Gefühle, wie konnte sie es wagen, alles zu vergessen? Sollte ich sie daran erinnern? Aber was sollte ich denn tun? Würde sie mir überhaupt glauben? Vielleicht würde sie mich verabscheuen, weil ich sie alleine gelassen hatte. Weil es zwischen uns doch nicht funktioniert hatte.
Seufzend begab ich mich wieder ins Schlafzimmer und sah Pelin schon ruhig schlafen. Vorsichtig legte ich mich zu ihr und strich ihr durch die hellen Haare. "Du bist so schön. Mein Engel, der mir die Schmerzen genommen hat.", flüsterte ich und küsste ihre Schläfe. Wenn es Pelin nicht gegeben hätte, wäre ich vielleicht Alkoholiker geworden. Was meine ach so tolle erste Liebe mir angetan hatte, würde nicht einmal ein Feind wagen! Nicht, wenn sie wusste, wie sehr ich sie liebe!
Plötzlich erwachte Pelin und fragte verschlafen: "Askim, sen uyumadinmi daha?" (Schatz, schläfst du noch nicht?)
"Uykum yok." (Ich bin nicht müde.)
"Komm." Sie öffnete ihre Arme und ich legte meinen Kopf auf ihre Brüste. Früher konnte ich immer in dieser Position schlafen. Auch heute tat es mir gut und so schlief ich schnell und seelenruhig ein.
Am nächsten Tag schlief ich so gut, dass ich nicht aus dem Bett raus kam. Erst als Pelin geschockt aufkreischte: "Erdem, wach auf! Du bist spät dran." Riss ich die Augen weit auf und beeilte mich ins Badezimmer, erledigte mein Geschäft, putzte die Zähne und machte mich frisch, ehe ich wieder ins Schlafzimmer rannte und dann mein dunkelblauen Anzug mit dem weißen Hemd anzog. Dazu ein gestreifte Krawatte. So schnell wie möglich begab ich mich dann runter in die Küche und machte mir einen Grüntee, während Pelin mir einen Sandwich für unterwegs vorbereitete und ich innerhalb kürzester Zeit das Haus verließ. Nicht einmal mit Eren konnte ich reden. Hastig stieg ich in meinen Wagen ein und beeilte mich dann zur Arbeit. Dort parkte ich in einer Parklücke, stieg aus, schloss das Auto ab und lief dann zum Eingang.
Zum Glück sah ich Mine dort, die gerade in den Aufzügen einsteigen wollte und war ihr dankbar, dass sie auf mich wartete. Als ich sie sah, war schon alles von gestern völlig vergessen. Schließlich war ich Erdem Gül, ein Workaholic. Zu spät zu kommen, würde nicht in mein Schema passen. Gerade als wir oben ankamen fing uns auch gleich unser Chef auf und wegen dem gestrigen Erfolg gab es eine kleine Feier. Dies lenkte mich zwar ein wenig ab, von meinen Gedanken, doch ich musste an Eren denken. Jeden Morgen bevor ich ging unterhielt ich mich mit ihm und heute. Gott, nur weil ich gestern wegen Mine nicht schlafen konnte. Wie dieses Weib mich aufregte. So tat, als wenn nichts wäre. Was fiel ihr ein? Wie konnte sie nur? Immer wieder gingen diese Fragen durch meinen Kopf, bis ich sah, dass sie kein Sekt trank, also nahm ich ein unberührtes Glas voll Orangensaft und steuerte auf sie zu. Folglich merkte sie es mir an, dass ich mit den Gedanken weg war und wir unterhielten uns ein wenig, wie normale Arbeitskollegen.
Vielleicht sollte ich das auch inzwischen so sehen. Nur verletzte es meinen Stolz bitter. Ich winkte ab, verabschiedete mich und begab mich in mein Zimmer, wo ich anfing zu arbeiten. Es gab schließlich noch genug Akten die abgearbeitet werde mussten und Aufträge, die man nicht einfach so weg lassen konnte. Also erfüllte ich meine Arbeit und erst in der Mittagspause, also gegen 14 Uhr war ich bereit eine Pause einzulegen. Ich verließ mein Büro und steuerte Richtung der Aufzüge, als plötzlich Mine neben mir stand und mich anstrahlte. Etwas perplex strahlte ich zurück und dann ganz automatisch stellte ich die Frage: "Wollen wir Essen gehen?"
"Schon wieder?", lachte meine Ex auf, doch diesmal nahm sie es an. "Gerne." Somit stiegen wir gemeinsam in den Aufzug und als wir in meinem Wagen saßen, fragte ich: "Lust auf etwas bestimmtes?"
"Nein, entscheide du."
"Lass uns türkisch essen gehen. Wir sollten unsere Kultur und Wurzeln nicht vergessen, richtig?"
Daraufhin lachte sie nur erneut und gab mir Recht. Also fuhr ich zu dem besten Türken den es hier in der Umgebung gab, parkte mein Baby, stieg aus und öffnete ihr die Tür. "Sehr vornehm.", strahlte sie und ich zwinkerte: "Immer doch."
Somit liefen wir gemeinsam ins Bistro rein, ich begrüßte den Chef der gerade dabei war für einen Kunden Döner zu servieren und dann begaben wir uns an einen Tisch. Ich reichte Mine die Speisekarte zu, da ich bereits wusste was ich nehme.
"Erdem, was bestellst du dir?"
"Ich will einen Ayran und dazu Dönerteller mit Reis.", antwortete ich ihr und wartete darauf, dass sie sich auch entschied.
Als der Kellner kam, hatte sie sich auch entschieden und nahm das Gleiche wie ich. "Zwei mal, bitte." Der Kellner nickte und gab dann die Bestellung weiter. "Isst du gerne türkisch?", hörte ich mein Gegenüber fragen und bejahte: "Schon. Vor allem früher, in der Oberstufe." Damals, als ich mit Mine zusammen war, war es eher eine türkische Beziehung. Wir hatten viele türkische Freunde, unser Clique bestand nur aus unseren Landsleuten und auch die ganze Zeremonie, wie um die Hand anhalten oder Verlobung, alles war kulturell geregelt. Verdammt und schon wieder dachte ich an sie.
Mein Blick verdüsterte sich und ich atmete tief ein und aus, während ich zu Ablenkung mein Handy raus nahm.
"Erdem, steck das ein! Wir haben Pause. Rede lieber mit mir.", forderte sie mich auf und widerwillig steckte ich es rein und blickte ihr dann in die Augen. "Was gibts? Worüber willst du reden?"
"Keine Ahnung." Schon zuckte sie mit den Schultern, bis sie dann doch anfing zu erzählen: "Meine Mitbewohnerin ist für die nächste Zeit auf einer Fortbildung in Frankfurt und mein kleiner Bruder ist gestern angekommen."
Ihr Bruder Mert? Ein Schmunzeln entwich mir. Früher war ich so etwas wie ein Vorbild, wir hatten einen sehr guten Draht.
Ständig nannte er mich Erdem Eniste. Es hatte sich wirklich alles sehr verändert.
"Das freut mich, dann kann er dir Gesellschaft leisten, ansonsten müsste ich wohl bei dir pennen.", scherzte ich und dann kamen auch schon unsere Bestellungen. Wir aßen und lachten über Witze, die sie mir erzählte, oder meine Berufserfahrungen. Schließlich war ich früher eine Katastrophe und hätte selbst nie geglaubt, dass ich es mal so weit schaffen würde.
"Du hast echt Glück, dass du die Kurve noch gekriegt hast.", sprach sie und ich bejahte. "Haklisin." (Du hast Recht.)
Nach einer halben Stunde waren wir fertig und liefen dann zurück zum Wagen. Irgendwie wirkte sie etwas verstimmt, aber vielleicht bildete ich es mir ein und ging drauf gar nicht ein.
Nach einer Viertelstunde waren wir wieder in der Firma, saßen im Wagen und sie blickte mich aufrichtig an. Auch ich starrte ihr in die Augen, bis sie schmunzelnd von sich gab: "Danke, Erdem. Es war ein schöner Nachmittag."
"Kein Problem. Krieg ich als Dankeschön einen Kuss?" Schließlich hatte ich für sie bezahlt, sie quasi ausgeführt.
Einen Augenblick wusste sie nicht was sie tun sollte, bis sie mein Gesicht in die Hände nahm und mich gerade auf die Wange küssen wollte, doch ich meinen Kopf drehte, sodass ihre Lippen auf meinen ihren Platz fanden. Nach so einer langen Zeit spürte ich diese weichen Lippen. Die Lippen die ich als erstes gekostet hatte. Dieses Mädchen, die meine war. Es fühlte sich vertraut an und da meine Augen offen waren, sah ich, wie sie ihre eigenen schloss und spürte gleichzeitig, wie willig sie war. Sie unterbrach den Kuss nicht, also schloss auch ich meine Augen und ließ mich gehen, bis kurze Zeit später, meine Zunge in ihrem Mund landete und sie sich dort gegenseitig neckten. Gott, was geschah hier gerade?
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Das Schicksal lenkt
Ficção GeralDie Wege einiger Menschen trennen sich im Laufe des Lebens. Keiner sagt, ob es für immer ist oder für eine begrenzte Zeit. Erdem und Mine treffen nach einigen Jahren aufeinander und durchleben all diese Gefühle wieder. Doch vielleicht war es für bei...