Teil 6

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Mine

"Du liebst es andere zusammenzuscheißen, oder? Die Macht spüren lassen die du hast, andere in Verlegenheit bringen, aus der Bahn zu bringen in deiner Nähe?", legte ich meinen Kopf schief und starrte ihn grinsend an. "Ich will heute noch fertig werden.", kommentierte er meine Feststellung über sein Verhalten. "Scheiß Arbeitstier, welches nicht mal so eine leichte Aufgabe schafft.", nuschelte ich und schüttelte den Kopf, als er mich fragend ansah, da er mich nicht verstand. Während ich mir die Notizen machte, lag der Kugelschreiber zwischen meinen Lippen, was ich immer tat, wenn ich konzentriert bei der Arbeit war. "Das ist mein Stift.", brachte er mich aus meiner Konzentration und schaute mich konfus an. Seine Augen hatte er zusammen gekniffen, was lustig aussah, aber mir selber das Lachen unterdrückte. Ich wollte meine Kehle nicht riskieren. Wahrscheinlich würde er gerne auf mich springen, seine Hände an meinen Hals legen und zudrücken.

"Und jetzt meiner, da meine Speichel dran ist", lachte ich und steckte ihn provozierend in meinen Blazer, der eine kleine Seitentasche hatte, in der der Stift heraus lugte. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich nichts herausnehmen da es einen Anflug aus Verwunderung, Belustigung und auch Wut hatte. "Ich wäre dann fertig!", teilte ich ihm mit und überreichte ihm die Mappe, die er nahm und anstarrte. Während er sich alles durch lies, schaute ich in seinem Zimmer umher. Es war nichts persönliches im Raum. Genau wie es bei mir werden würde. Ich mochte es nicht, wenn man Bilder auf dem Schreibtisch hatte oder Tierfotos wie die Singles es haben. An den Wänden hatte er nur ein großes Foto, eins von einer Brücke. Ich wusste nicht welche, aber es sah wirklich schön aus. Es war abends und die Sterne leuchteten wunderschön. Es war passend zu seinem Zimmer abgestimmt, welches er in weiß und blau hatte. "Fertig?", deutete er auf meine Analyse seines Zimmers. "Ja, schon lange. Ich kann doch jetzt gehen, nicht wahr?", fragte ich nach und sah wie er auf seine Armbanduhr schaute. "Wir haben Mittagspause, also ja.", bejahte er und stand nun auch auf. "Okay, da ich dich gestern so abblitzen lassen hab, lade ich dich auf ein Essen ein. Aber denk dir nichts dabei! Ich werde nicht mit dir dann hier eine heimliche Affäre eingehen.", mahnte ich ihn und hielt meinen Zeigefinger hoch, mit dem ich ihm meine Aussage deutlich machte. Lachend stimmte er zu und als wir schon sein Büro verließen, wurden wir unglaubwürdig angestarrt. Lag es vielleicht dran, dass dieser Typ lachte oder einfach nur dran, dass sie wussten, was für ein Arsch er war und sie dachten, dass ich sein nächstes Opfer wäre? Augen rollend ging ich neben Herrn Gül weiter. "Wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen?", es war die reine Neugier. Ich wusste nicht wie er hieß, aber ging zum Mittagessen mit ihm. "Erdem", streckte er seine Hand aus. "Mine", entgegnete ich und drückte seine Hand. Sein Ehering spürte ich bei dem zu festen Händedruck und entfernte meine Hand von seiner viel zu großen. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ich wurde aus dem Kerl nicht schlau. Er war arrogant, machte sich an jede ran, wahrscheinlich kam er sogar von jeder die Nacht, aber dennoch liebte man ihn oder schätze man ihn. Als wir zu Fuß in das kleine Restaurant um die Ecke gingen, durchzuckte mich ein Schmerz an den Füßen. Schwankend hielt ich ihn am Arm und zog mir die High Heels aus, die ich in die Hand nahm und weiter ging. "Zieh sie sofort wieder an!", herrschte er mich autoritär an. "Nö, sie tun weh! Sowas tu ich mir nicht an!", maulte ich und ging einfach voran. Der Kellner schaute uns verdutzt an, bat uns aber einen Tisch an der frischen Luft an. Widerwillig setzte er sich hin und bestellte ohne groß auf die Karte zu schauen. "Willst du nicht warten?", fragte ich verdutzt. "Nein, wenn man etwas will, sollte man es sich holen, ohne lange zu warten, sonst könnte man sich noch umentscheiden.", vielsagend schaute er in meine Augen. Den Blick versuchte ich stand zuhalten, gelang mir aber nicht und ich senkte ihn direkt auf die Speisekarte. "Ich nehme einmal Nummer 5 und zu trinken bitte eine Apfelschorle.", gab ich meine Bestellung auf und schaute zu Erdem, der schon lange vor mir bestellt hatte. "Hast du Kinder?", sprudelte es einfach aus mir heraus. Verfluchen könnte ich mich. So etwas sollte mich doch nichts angehen! "Ja, eine Sohn.", kam es desinteressiert von ihm. Verheiratet, Vater und dazu ein Arschloch, welches seine Frau betrog. Naja, bei einem Abendessen war nichts groß dabei. Aber wenn ich ein Mann hätte, der zu Abend isst mit einer Frau, die neu war und auch noch nur zu zweit, dazu auch nicht schlecht aussah, würde ich durchdrehen. Auch die Blicke die er einem zuwarf. "Und hast du jemanden in deinem Leben?", forschte er nach und nahm einen Bissen von seinen Nudeln, die gerade neu auf den Tisch serviert wurden. "Nein, ich habe niemanden an meiner Seite.", antwortete ich ihm wahrheitsgemäß. Zwar gab es genug Kerle, die Interesse zeigten, aber es fehlte das gewisse Etwas, was keiner von ihnen hatte. Ein "hmm" murmelte er und widmete sich wieder seinem Essen zu. 

Als wir dann auch zu Ende gegessen hatten, hatten wir die Diskussion über das Bezahlen. Da ich ihn eingeladen hatte, war es meine Aufgabe, die er aber verneinte. Durch das lange hin und her schaffte er es doch tatsächlich mich umzustimmen zu zahlen und so gingen wir wieder zur Arbeit. Dieses Mal ging er in sein Büro und ich in mein. Als ich auf den Sitz saß, legte ich den Stift, der sich immer noch in der Seitentasche befand, in meine Stiftebox. Grinsend und mit vollem Magen machte ich mich auf die Arbeit. Ich überging nur ein paar Ideen und kitzelte kleine Verbesserungsvorschläge an den Rand, die nur daraus bestanden, andere Farben zu verwenden oder Dinge anders zu legen. "Hallo?", sprach ich in den Hörer, welches so lange geklingelt hatte, dass ich dachte irgendetwas war passiert. "Frau Gencel, Herr Becker ruft Sie und Herrn Gül in sein Büro.", teilte mir die viel zu piepsige Stimme am Ende des Apparates mit. "Komme sofort.", war meine Antwort. Eilig sprang ich vom Sitz auf und ging zum Chef. Ich wunderte mich schon etwas, warum ich gerufen wurde, aber auch warum ausgerechnet wir beide gerufen wurden.

Das Schicksal lenktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt