Erdem
Nach dem sie endlich ausgestiegen war, fuhr ich nach Hause und war irgendwie erleichtert darüber, dass meine Familienmitglieder bereits zu schlafen schienen. Denn so konnte ich ungestört ins Badezimmer gehen und mich unter die Dusche stellen. Während ich meine Kleider auszog, dachte ich nochmal an Mine und daran, was damals in unserer Vergangenheit alles passiert war. Fast drei Jahre waren wir zusammen und ungelogen, wir waren wirklich das schönste Paar während der ganzen Abiturzeit. Also von der elften bis zur dreizehnten Klasse. Es war harmonisch und alles verlief recht angenehm. Die Zeit zusammen oder mit unserer gemeinsamen Clique war einfach nur herrlich. Natürlich gab es auch bei uns ab und an mal Zankereien, aber letztendlich rauften wir uns immer zusammen und es kam sogar so weit, dass sich unsere Familien kennenlernten und wir um ihre Hand anhielten. Ihre Eltern liebten mich wie einen eigenen Sohn und meine Eltern waren damals der Meinung, dass ich niemals eine bessere als sie finden würde. Da fragt man sich doch, was schief gelaufen ist, oder? Es war kurz nach den Abiprüfungen. Wir waren feiern...
"Erdem?", wurde ich plötzlich aus den Gedanken gerissen und antwortete meiner Frau, die auf der anderen Seite der Tür stand: "Schatz, lass mich erst duschen und dann komme ich zu dir." So gut wie ich sie kannte, würde sie jetzt mit ihrem hübschen Köpfchen nicken und mich gleich fragen, ob ich Hunger hatte. Doch diese Frage kam nicht. Ganz im Gegenteil sie teilte nur mit: "Ich werde heute bei Eren schlafen. Ihm geht es nicht gut. Wenn du Hunger hast, steht im Kühlschrank Essen für dich bereit." Etwas perplex starrte ich zu der Tür, so als könnte ich hindurch sehen und bedankte mich: "Danke. Schlaf gut."
"Sende." (Du auch.)
Mit diesen Worten stellte ich mich nun wirklich unter die Dusche und säuberte meinen Körper. Verdammt, ich stank echt nach Alkohol. Abartig. Der Gedanke, dass auch Mine getrunken hatte, störte mich dennoch. Wieso tat sie das? Und noch wichtiger, warum verhielt sie sich wie eine Fremde? Hatte sie es wirklich geschafft mich zu lieben? Wenn dies so war, hatte sie wirklich meinen größten Respekt. Denn wie könnte eine Frau nur den Mann vergessen, der ihr ihre Unschuld genommen hat und noch wichtiger, der ihre erste große Liebe war? So etwas war unmachbar! Dennoch beschloss ich nun nicht mehr weiter darüber nachzudenken, sondern einfach zu duschen und dann zu schlafen. Immerhin war morgen Mittwoch und die Präsentation musste gehalten werden. Zudem brauchten wir Ideen, wie wir in diesem verdammten Magazin auf Platz ein landen konnten. Zum Teufel mit dem Magazin, wieso akzeptierte mein Chef den zweiten Platz einfach nicht und ließ uns so ein Drecksarbeit machen?
»Schon besser, jetzt nur nicht an Mine denken.«
Mit dieser Entscheidung duschte ich endlich zu Ende und rasierte mich noch bevor ich in meinen Bademantel schlüpfte und ins Schlafzimmer verschwand, wo ich mich direkt als erstes anzog. Anschließend lief ich kurz runter in die Küche und schenkte mir selbst Mineralwasser ein. Auf Essen hatte ich keine Lust, Wasser schon eher. Also trank ich gleich noch den zweiten Glas aus.
Endlich war ich gegen ein Uhr bereit Schlafen zu gehen und das tat ich dann auch unter der Bedingung um Punkt 7 Uhr aufzustehen. Voller Erschöpfung stand ich auf und zog mir einen Hugo Boss Anzug in dunkelblau an. Dazu einen weißen Hemd und schwarze Krawatte. Dresscode für unser Unternehmen. Feine Bekleidung. Folglich schlenderte ich runter in die Küche und zu meinem Überraschen war auch Pelin dort, die mir mit einem müden Lächeln meine Tasse reichte. "Danke Askim. Du bist wirklich meine Traumfrau. Ich liebe dich so sehr.", strahlte ich sie an, gab ihr einen Kuss auf die Wange und trank dann an meiner Tasse. Auf Frühstück hatte ich keine Lust, was ich ihr auch gleich mitteilte, bevor sie etwas zubereiten konnte. Daraufhin nickte sie nur knapp und teilte mit: "Eren hatte gestern Fieber. Wenn du da gewesen wärst, hätte ich ihn zu Sicherheit ins Krankenhaus gefahren. Aber du warst nicht da."
Verdammt, sie konnte mir echt Schulgefühle machen. Vor allem, weil Eren einfach mein Lebenssinn war.
"Pelin, özür dilerim." (Es tut mir leid.)
"Nicht von mir. Ich brauche keine Entschuldigung, aber du hast gegenüber Eren Verpflichtungen und wenn du es immer noch nicht gemerkt hast, dann mach deine Augen auf! Er braucht dich!"
"Ich werde heute früher aus der Arbeit kommen und mir Zeit für ihn nehmen, in Ordnung?"
"Erdem, gib weder mir noch ihm Versprechungen die du dann nicht einhalten kannst.", bat sie mich und blickte mich auch flehend an. Ich wusste, dass es ihr wichtig war.
"Ich verspreche, dass ich es einhalten werde.", garantierte ich, trank meine Tasse aus, küsste sie nochmal auf die Stirn und verließ in Gedanken versunken das Haus. Vielleicht hätte ich noch einmal hoch zu Eren gehen sollen, aber hätte ich das getan, hätte ich nicht mehr zu Arbeit gehen können. Ich könnte mich auch beurlauben lassen, aber wir lebten nun mal durch meine Arbeit. Seitdem Eren auf der Welt war, ging Pelin nicht mehr arbeiten und deswegen konnte ich es nicht riskieren, meinen Job zu verlieren.
'
Schließlich fuhr ich in die Arbeit und wollte mich direkt als erstes in mein Zimmer begeben, um alles für die Präsentation fertig zu stellen, doch wurde auf dem Weg von der Tochter meines Chefs aufgehalten. Lena Becker.
"Guten Morgen Fräulein Becker, wie geht es Ihnen so am frühen morgen?"
Sie kicherte und stupste mich an die Seite, ehe sie mich korrigierte: "»Guten Morgen Lena, wie geht es dir so am frühen morgen?« heißt das richtig lieber Erdem. Und mir geht es ganz gut, vielen Dank. Wie geht es dir und meinem Schatz Eren?" Dabei leuchteten ihre Augen und kurz schmunzelte ich über ihre Art, die sie stets bezüglich Eren hatte und antwortete: "Er ist krank."
Sofort wurde sie ernst und riss die Augen ungläubig weit auf: "Was hat er?"
"Gestern Nacht hatte er Fieber. Ich weiß es nicht, wir waren schon seit fast zwei Wochen nicht mehr in der Klinik."
"Oh Erdem, nimm dir frei und kümmer dich um ihn!", forderte sie mich auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Sobald die Arbeit erledigt ist, werde ich auch nach Hause fahren. Aber danke für deine Besorgnis."
"Natürlich bin ich besorgt. Du weißt doch, dass er mein Liebling ist."
"Ja, ich weiß Lena.", bejahte ich und wollte mich gerade verabschieden und weiter laufen, als sie mich am Arm packte und mir tief in die Augen blickte. "Erdem?"
"Ja, Lena?"
"Darf ich mitkommen? Also heute Abend können wir dann zusammen zu meinem Hübschen? Ich hab ihn auch schon sehr lange nicht mehr gesehen und hab ihn vermisst."
Lena war oft mit ihrem Vater bei uns oder auch durch Veranstaltungen der Firma oder anderweitige persönliche Meetings hatte sie meinen Sohnemann kennengelernt und sich sofort in ihn verliebt. Wäre Eren älter, könnte ich schwören, dass sie meine Schwiegertochter werden würde.
"Ich melde mich bei dir.", gab ich ihr zu verstehen und ohne das ich aufmerksam auf Mine wurde, lief ich in mein Zimmer und ging die Präsentation noch einmal durch. Schließlich sollte das Meeting um 9 Uhr anfangen.
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Das Schicksal lenkt
Ficción GeneralDie Wege einiger Menschen trennen sich im Laufe des Lebens. Keiner sagt, ob es für immer ist oder für eine begrenzte Zeit. Erdem und Mine treffen nach einigen Jahren aufeinander und durchleben all diese Gefühle wieder. Doch vielleicht war es für bei...