Teil 57

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Erdem
Niemals hätte ich geglaubt das ich unsere ehemalige Physiklehrerin jemals wieder sehen würde. Vor allem nicht hier in diesem Ort und an diesem Zeitpunkt. Ich war leichenblass und kurz abwesend, bis ich mich nach kurzer Zeit wieder einfing und sie anlächelte. "Oh hallo Frau Putz, was für eine freudige Begegnung." Einerseits hatte es auch seine Vorteile. Diese Frau war ein Pyscho. Da sie selbst geschieden war, kritisierte sie auch Mines und meine Beziehung. Wir wären angeblich zu jung gewesen, um uns den richtigen Partner fürs Leben auszusuchen und es würde sowieso nicht lange nach dem Abitur laufen, da wir in verschiedenen Städten studieren wollten und uns so aus den Augen verlieren würden. Jetzt konnte sie sehen, dass wir immer noch zusammen waren, auch wenn nicht so, wie es hätte sein solln.
"Das finde ich auch und habt ihr...", bevor sie weiter fragen konnte, klingelte zum Glück wie ein Hilfeschrei, was gehört wurde mein Handy. "Entschuldigen Sie uns bitte, aber wir müssen weiter. Meine Eltern warten schon ungeduldig." So erklärte ich ihr auch das mit dem Anruf. Sie sah etwas perplex aus, aber bejahte lächelnd und wünschte uns noch viel Glück. "Danke, bis zum nächsten Mal.", beendete ich das Gespräch und lief weiter, wobei ich Mines Hand in meine nahm. Ich sah ihre fragenden Blicke und wusste, dass sie auf eine Erklärung wartete also log ich: "Das war unsere ehemalige Sekräterin. Sie hat an dem Tag, wo Sie angefangen haben aufgehört." Mir war klar, dass sie mir das nicht abkaufen würde. So dumm war sie nicht, aber ich wollte ihr jetzt bestimmt nicht hier die ganze Wahrheit erzählen. Zu meinem Glück stellte sie auch keine Fragen, sondern schwieg. "Komm ich fahr dich Heim. Es wird langsam Zeit." Da sie nichts erwiderte, lief ich immer noch mit ihr Hand in Hand zum Wagen, öffnete ihr die Tür und nachdem ich ebenfalls saß, startete ich den Motor und brachte sie Heim. "Ciao Erdem.", verabschiedete sie sich und stieg aus. Irgendwie verhielt sie sich anders, so ruhig. Dies gefiel mir ganz und gar nicht. Trotzdem machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber. Ich wollte nach Hause zu meinem Sohn, ihn in die Arme nehmen und etwas Zeit mit ihm verbringen. Genau das tat ich und auch nach drei Stunden saßen wir noch auf seinem Teppich und bauten aus Legosteinen ein gigantisches Schloss. "Und wo kommen die Pferde hin?", fragte ich ihn lächelnd und er antwortete: "Natürlich in den Stall." Also bauten wir auch einen Stall für die Pferde und platzierten die Figuren an den Tisch. Ich hatte überhaupt nicht mitbekommen, wie meine Frau uns beobachtet hatte. Erst als sie mit ihrer samtweichen Stimme fragte: "Habt ihr beide auch Hunger, wie die Prinz und sein Vater?"
"Jaaaa.", rief Eren, stand auf und streckte die Arme nach oben, damit seine Mutter ihn umarmen konnte. Sie hielt ihn im Arm fest und trug ihn runter ins Badezimmer, ich folgte ihnen und wusch ebenso meine Hände, wie die zwei vor mir. Gemeinsam liefen wir ins Esszimmer und da der Tisch bereits gedeckt war, setzten wir uns hin und fingen an zu essen. Unterhielten uns über dies und das, bis sie mich fragte: "Erdem du hast bald Geburstag, hast du nicht vor eine große Gartenparty zu veranstalten?" Ich hob ne Augenbraue an und kam mir gerade echt vor, wie ein kleines Kind. "Pelin, ich werde 27 und keine 7. Außerdem dauert es noch ein paar Wochen bis dahin. Wieso fragst du das?"
"Damit ich alles vorbereiten kann.", erklärte sie und dies wiederrum lies mich lächeln. "Du bist süß, weißt du das?"
"Danke.", wurde sie verlegen und starrte runter zu ihrem Teller. "Mama, das ist doch nur Papa.", lachte auch Eren und ich mit ihm. Schlussendlich brach auch Pelin in Gelächter aus und so dauerte es, bis wir mit dem Essen fertig wurden. Nach dem Film übernahmen Eren und ich das Aufräumen und gesellten uns zu Pelin ins Wohnzimmer, wo wir uns einen Familienabend machten. Als es spät wurde, fragte ich meinen Sohn: "Wer soll dich ins Bett bringen?"
"Ich gehe heute alleine, schaut ihr weiter.", sprach er ganz erwachsen und setzte uns Küsse auf die Wangen, ehe er aus dem Zimmer lief. Plötzlich herrschte Stille, bis ich Pelin ansah und ihr leise mitteilte: "Du bist die beste Freundin, die man sich je vorstellen kann." Kurz sah sie mich erschrocken an, bis sie ein sanftes Lächeln von sich gab und fragte: "Wann hast du vor es mir zu erzählen? Denkst du nicht, dass ich es spüre, dass du dich von mir distanzierst?" Irgendwie taten mir ihre Worte weh, selbst wenn sie Recht hatte. "Ich brauche etwas Zeit, Pelin. Wie soll ich so etwas meiner eigenen Frau erzählen?"
"Deiner Frau? Wann hast du mich als DEINE Frau gesehen?", wollte sie ehrlich wissen und drehte sich mit dem Gesicht zu mir um, dass wir uns gegenseitig ansahen. "Kendine haksizlik etme." (Tu dir selbst nicht Unrecht.)
"Lieber ich selbst, als du oder eine andere.", konterte sie und setzte mir einen Kuss auf die Wange. "Mit den Worten, dass ich deine beste Freundin bin, zeigst du mir meine Grenzen. Ich darf mich also nicht aufregen, auch, wenn ich weiß, dass da etwas ist." Sie blieb entspannt, zärtlich wie immer und streichelte meine Wange. "Sagst du mir, wer das ist? Also, ich meine, wenn du bereit dazu bist?" Knapp nickte ich und umarmte sie fest, lehnte meine Stirn an ihren Kopf und seufzte betrübt: "Es tut mir leid. Wirklich. Ich weiß, dass ich dich sehr verletzt habe und noch schlimmer, dass ich dir nie das Gefühl geben konnte, dass du meine Ehefrau bist."
"Ist schon gut, du hast mir nie etwas versprochen.", tätchelte sie meinen Kopf und legte die Arme ebenfalls um meinen Oberkörper. Ich fühlte mich so mies, dass sie es wusste, aber noch schlimmer war es, dass ich nichts dagegen tun konnte. "Liebst du sie?" Tat ich das? "Ich weiß es nicht. Es ist nicht durch Liebe passiert. Du weißt, wie sehr ich dich ehre und wie wichtig du mir bist."
"Ama asik degilsin. Her insan sadece bir kez asik olur ve o ben degilim." (Aber du bist nicht verliebt. Jeder Mensch liebt nur einmal und das bin nicht ich.) Auch wenn sie Mine nicht Angesicht zu Angesicht kannte, wusste sie alles darüber. Ich hatte es ihr damals erzählt, bevor wir überhaupt verlobt waren. "Danke für alles. Ich weiß nicht, wo ich heute im Leben stehen würde, wenn du nicht da wärst." Leise kicherte sie und schubste mich dann von sich weg. "Ich bin müde, Erdem. Gute Nacht." Dann machte sie sich aus dem Staub. Eine Weile saß ich noch da, bis ich mein Laptop nahm und mir die ehemaligen Bilder von Mine und mir ansah. Ich hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, diese zu löschen. Was konnten die Bilder dafür, wenn die Personen die da drauf waren, es einfach nicht in die Reihe bekommen hatten, sich den gemeinsamen Traum zu erfüllen?
»Hätte sie dich nicht betrogen, wäre alles anders gekommen. Du liebst sie nicht! Hör auf dir so etwas einzureden, du wolltest nur deine Rache, jetzt stehst du kurz davor. Mach es dir nicht kaputt, wegen dem, wonach sich dein Herz sehnt!«, rief mir meine innere Stimme zu und ich hatte echt das Gefühl hier noch verrückt zu werden. Hielt mein Kopf fest und schloss die Augen. Es reichte! Ich brauchte meinen Schlaf. Aus diesem Grund stand ich auf, machte mich bettfertig und legte mich zu Eren hin. Er schlief schon und seine Haare streichelnd schlief ich auch recht bald ein. Am nächsten Tag machte ich mich wieder für die Arbeit schick, frühstückte mit meiner Frau und wir machten Witze, brachten uns zum Lachen und irgendwie fühlte ich mich endlich vom schlechten Gewissen befreit. "Viel Spaß auf der Arbeit.", sagte sie, küsste meine Wangen und ich verabschiedete mich, lief zu meinem Wagen und machte mich auf den Weg zur Arbeit.

Ein Stapel Ordner warteten auf mich, meine Sekretärin brachte mich einen Kaffee und noch ein paar Telefonlisten von wichtigen Kunden, die ich anrufen und ein Termin mit ihnen vereinbaren sollte, um über die Aufträge zu reden und ihnen auch die Projekte zu zeigen, die sie angeordnet hatten. Gegen 15 Uhr hatte ich endlich Mittagspause und wie immer mit Mine zusammen, denn als ich in die Gemeinschaftsküche lief, war sie ebenfalls dort. Ich begrüßte alle ganz formell und sah in den Kühlschrank, was aber nichts drin war, was mich interessierte. "Herr Gül, ich laufe zum REWE und kaufe mir dort etwas. Möchten sie auch eine Kleinigkeit?", hörte ich Mine fragen, wandt mich ihr zu und erwiderte kurz: "Ich begleite sie." Es war mir egal, ob die Kollegen etwas falsch verstanden oder nicht. Das hatte sie nichts anzugehen. Schließlich war ich hier so etwas wie eine Führungskraft. Ohne wenn und aber kam Mine mit mir mit Richtung der Aufzüge und als wir einstiegen, blickte ich ihr von oben nach unten. Sie war wieder sehr schick gekleidet, bewies eben Stil. Trotzdem war das gerade belanglos, zu dem, was ich ihr sagen wollte: "Meine Frau weiß Bescheid, dass ich sie betrüge. Natürlich nicht, dass du es bist. Außerdem gibt es da noch etwas, was du wissen solltest. Ich habe dich angelogen, ich war schon einmal wie wahnsinnig verliebt. Onu o kadar cok sevdimki, gercek askim oldugunu sanmistim. Ama bu düsünce bir hataymis. (Ich habe sie so sehr geliebt, dass ich dachte das sie meine wahre Liebe ist. Aber dieser Gedanke war ein Fehler.) Außer Pelin vertraue ich keiner Frau. Ihr würde ich mein Leben in die Hände legen. Sie ist für mich mehr als mein Lebensgefährtin, sie ist meine beste Freundin, die mich nie hintergehen würde. Was ist mir dir? Wie sehr kann ich dir vertrauen? Scheiß mal auf mein Leben, kann ich dir mein Herz in die Hände legen?"

Ihr Mund klappte auf. Man merkte die Verwirrung in ihren Augen und bevor sie etwas dazu sagen konnte, stiegen auch schon Mitarbeiter ein. Wir begrüßten uns und ich führte einen Smalltalk mit einem jungen Azubi im dritten Lehrjahr. Unten angekommen stiegen wir alle aus und Mine und ich liefen aus der Firma und schlenderten mit Langsamkeit zum REWE. Ich wartete immer noch auf ihre Antwort.

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Wie fandet ihr das Kapitel?😊
Hinterlasst den beiden Autorinnen doch ein paar Meinungen da!☺️

Bei Fragen: https://ask.fm/eestone

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