Teil 27

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Erdem

Auf dem schnellsten Weg fuhr ich nach Hause, parkte mein Baby in die Garage und stieg aus. An der Haustür kramte ich mein Schlüssel und schloss die Tür auf. Pelin war nicht im Wohnzimmer und auch nicht in der Küche, also lief ich die Treppen hoch und atmete tief ein und aus, als ich Erens Zimmer betrat. Doch dieser Anblick erwämrte mein Herz. Pelin lag gekuschelt an unserem Sohn und hielt ihn fest in ihren Armen.
Sofort schoss ich ein Foto und ließ sie dann weiter schlafen, um im Schlafzimmer mich umzuziehen und dann ins Badezimmer zu verschwinden. Mein Bart war gewachsen, aber ich wollte es noch nicht schneiden. Wie wahrscheinlich die meisten Frauen stand ich auch auf meinen drei Tage Bart. Trotzdem wusch ich meine Hände und mein Gesicht, ehe ich runter in die Küche lief und dort einen Kochtopf raus nahm. Dazu eine Pfanne und die nötigen Zutaten. Ich wollte Hähnchenfilets mit Nudeln und Championsoße kochen. Immerhin hatte ich neben meinem Studium bei einem Italiener gekellnert, der mir auch professionell das Kochen beigebracht hatte. Gegen 19 Uhr hörte ich dann Schritte und kurz darauf stand Pelin mit Eren in ihren Armen in der Tür und beide grinsten mich breit an. "Das riecht lecker.", schwärmte mein Schatz, während meine Partnerin mir einen Kuss auf die Wange drückte und dann mit Eren gemeinsam ins Badezimmer verschwand, um die Hände zu waschen. Inzwischen hatte ich auch das Tisch gedeckt. Der Abend verlief sehr familiär und es tat mir wirklich gut, meinen Prinzen wieder gesund zu sehen. "Papa, bringst du mich ins Bett?"
Bejahend gingen wir uns erst die Zähne putzen und dann lag ich bei ihm, erzählte ihm eine Geschichte und forschte nach: "Gehst du morgen wieder ins Kindergarten?"
"Ja, ich hab meine Freunde vermisst.", nickte er und kurz darauf schlief er bereits ein. 

Am nächsten Tag hatte ich Eren fertig gemacht und mich für die Arbeit angezogen, ehe ich ihn in die Krippe brachte und anschließend selbst auf die Arbeit fuhr. In zwei Tagen würde unser Treffen mit den Geschäftsführern unserer ausländischen Partnerfirmen stattfinden und so betrat ich als erstes das Kombibüro der Damen, die für das Hotel, Essen, Flüge und alles andere der Gäste zuständig waren. Setzte mich zu ihnen und bis zu der Mittagspause trafen wir noch die letzten Vorbereitungen. "Ich werde nach der Pause hinfahren und vor Ort auch nochmal alles klären. Es darf nichts schief gehen.", hörte ich Rosella, unsere Veranstaltungskauffrau sagen und stimmte ihr zu. In der Pause entschied ich mich dafür ausnahmsweise mal in der Cafeteria zu Essen und gerade als der Aufzug kam und ich einstieg, da ich mich nicht in meinem Stockwerk befand, stellte ich mich an die verspiegelte Wand und unterhielt mich kurz mit den anderen Mitarbeitern, die sich ebenfalls im Aufzug befanden. Doch gerade als wir im Erdgeschoss ankamen und sie nacheinander ausstiegen, blieb mir mein Atem weg. Die Frau die ich über alles geliebt hatte und der ich mein Leben schenken würde stand mir gegenüber und blickte mich wie benebelt an. "Hayatim?" (Mein Leben?), hauchte ich mit der gleichen Leidenschaft, wie ich es damals stets ausgesprochen hatte. Sie kam auf mich zu, ich drückte auf den obersten Knopf und nachdem sich die Türen geschlossen hatten, strich ich ihr zärtlich über die Wange und blickte sie verliebt an. All die Gefühle waren in diesem Augenblick zurück. Alles von damals, was ich all die Jahre verdrängt hatte, kamen hoch. Der Hass war fort und wieso? Nur weil sie sich die Haare in der gleichen Farbe wie damals gefärbt hatte. Es stand ihr so gut und ich war wirklich wie berauscht von dieser Frau. Während wir hoch fuhren, war ich dankbar dafür, dass keiner einstieg, weil ich sie immer wieder auf ihre Lippen küsste. Mine erwiderte den Kuss und legte die Hände auf meine Brust, ehe sie leise in mein Ohr hauchte: "Gefalle ich dir?"
"Und wie du das tust. Sen benim canimsin." (Du bist mein Schatz.), antwortete ich immer noch mit den Gedanken und Gefühlen in der Vergangenheit steckend und es erwärmte mein Herz, sie so strahlen zu sehen. Mine drückte ihr Kopf an meine Brust und stellte stolz fest: "Dein Herz schlägt wie wahnsinnig."
"Und was ist mit deinem?", fragte ich verschmitzt und legte die Hand unterhalb ihrer Brust, um ihr Herz schlagen zu hören. Dieses schlug mindestens genauso schnell wie meins. Immer noch fuhren wir nach oben und tatsächlich hatte es einen Vorteil, dass wir auf der Dachterrasse ein eigenes Café besaßen. Extra für die Arbeiter und die wichtigen Gäste speziell. Mines Art faszinierte mich wirklich und vor allem, als sie meine Hand etwas höher drückte und sie sich genau auf ihrem Busen befand. Sie schloss die Augen und gab kaum hörbar zu: "Erdem, es fühlt sich so vertraut an mit dir. So, als wenn ich dich schon seit Jahrzehnten kennen würde."
"Ich weiß was du meinst. Mir geht es auch so. Aber es ist..."
"Ja?"
Genau in dem Moment, wo ich es ihr sagen wollte, öffneten sich die Türen und wir stiegen nebeneinander aus. Vielleicht wollte Gott nicht, dass ich es ihr sagte. Vielleicht aber hatte ich einfach nur verdammt Glück, um endlich zu erwachen und mich nicht von dieser Hexe um ihren Finger wickeln zu lassen. Niemals würde ich ihr verzeihen. Weder ihren Betrug, noch alles andere. Ganz egal, wie süß wir zusammen auch waren und wie perfekt wir passten. So etwas wie ein "wir" würde es in diesem Sinne nicht mehr geben. Es war alles nur noch sexuell.  Sexuelle Anziehungskraft. 

Auf der Terrasse war es still und angenehm, natürlich waren auch andere Mitarbeiter hier, von denen wir begrüßt wurden, aber es war trotzdem ruhig. "Erdem, wirst du mir jetzt sagen, was du eben sagen wolltest?"
"Aber es ist nicht so.", log ich und strahlte sie charmant an. Wie konnten ihre Augen mich voller Sehnsucht und Zärtlichkeit ansehen, ihr Herz so wird schlagen, wenn ihr Verstand mich doch schon längst ausradiert hatte?
Dennoch ließ ich mir meine Empörung nicht anmerken, sondern bestellte für uns beide einen Kaffee und dazu Schokoladenkuchen. "Magst du Schokoladenkuchen?"
Sie nickte sanft und wechselte dann das Thema. Unterhielt sich wieder mit mir über meinen Sohn und erwähnte auch, dass sie Metin gefragt hatte, ob wir ihn angerüfen hätten und er verneint hätte.
"Pelin hat ihn am Anfang also letzte Woche irgendwann angerufen, so viel ich weiß. Kann ja sein, dass Metin es vergessen hat."
"Ja, vielleicht."
"Übermorgen findet das große Treffen statt, kommst du auch?"
"In dem Hotel, oder? Ich weiß es nicht. Der Chef hat mir noch nichts darüber erzählt.", informierte sie mich und fragte dann zusätzlich: "Erdem, hast du die Akten abgearbeitet, die ich dir gegeben habe?"
"Ja und dem Chef zurück gegeben. Mach dir keine Sorgen, ich bin ein Arbeitstier."
Dies brachte sie zum kichern und den Rest der Pause verbrachten wir über die Gott und die Welt sprechen, tranken unseren Kaffee aus und der Schokoladenkuchen wurde auch verputzt.
Gemeinsam machten wir uns anschließend auf den Weg in unser Stockwerk und in unsere Räume, wobei ich kurz mit zu Mines lief, da sie mir ihre Arbeit zeigen wollte. Sie saß an ihrem Rechner, während ich hinter ihr stand und Verbesserungsvorschläge gab. Dankbar nahm sie diese an und kurz bevor ich das Zimmer verließ, erhob sie sich und fiel mir um die Arme. Ihre Lippen berührten meine und wieder presste sie die Hände an meine Brust. "Wieso bist du so anziehend?", hauchte er dicht an meinen Lippen, bis plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ich direkt Cihans geschocktem Blick begegnete.

Das Schicksal lenktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt