Teil 33

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Erdem

Die Tage nach unserer Auseinandersetzung vor ihrer Haustür verliefen ganz gelassen. Ich ignorierte sie und merkte auch am Anfang, dass es sie nervte, doch war mir das egal. Sie war zu weit gegangen und als wenn nichts wäre, hing sie ständig an Cihan. Mit Pelin und Eren lief es eigentlich ganz okay. Nur konnte ich nachts nicht schlafen, weil ich ständig an Mine dachte. Daran, wie sie mich einfach aufgab und sich mit Cihan abgab.
Wieso tat sie das? Tief ein und aus atmend, lehnte ich mich zurück, schloss die Augen und plötzlich spürte ich kleine Hände an meinem Arm, ich öffnete die Augen und sah Eren. "Baba, bringst du mich schlafen?"
"Mama hat dich doch schlafen gelegt, wieso bist du noch wach?"
"Ich will in deinen Armen schlafen.", lächelte er etwas schüchtern und somit erhob ich mich, trug ihn in sein Zimmer und legte mich zu ihm. Er drückte seinen Kopf an meine Brust und ich legte meinen Kopf sanft auf seinen. Ihn so fest in meinen Armen zu halten, sorgte nur dafür, dass ich noch mehr über alles nachdachte.
"Oglum, sen benim herseyimsin." (Mein Sohn, du bist mein ein und alles.), hauchte ich und küsste seine Schläfe, ehe er kurz darauf einschlief und ich wieder aufstand, um in mein Arbeitszimmer zu gehen. Dort nahm ich aus der Schublade eine Kippe raus und zündete mir diese an. Ich rauchte sehr selten, aber wenn ich rauchte, dann richtig und so waren es in einer Stunde gute drei Stück. Irgendwann hörte ich Pelins Stimme fragen: "An was denkst du?"
"An die Vergangenheit.", teilte ich ihr wahrheitsgemäß mit und sie trat näher, setzte sich auf meinen Schoß und strich meine Haare. "Wieso?"
"Ich weiß es nicht. Meine Gedanken sind in letzter Zeit nicht mehr in der Gegenwart."
Sie küsste mich auf die Lippen und irgendwie merkte ich, dass ich wirklich nichts mehr sexuelles dabei empfand.
"Pelin, lass uns schlafen gehen." Sie nickte, stand auf und hintereinander liefen wir ins Schlafzimmer, lagen zusammen im großen Bett und am nächsten Tag bereitete ich mich für die Arbeit vor, während Pelin sich um Eren kümmerte. Bevor ich auf die Arbeit fuhr brachte ich Eren noch in den Kindergarten und kam dann auf der Arbeit an. Die Akten die Mine mir zurückgegeben hatte, hatte ich bereits vollständig ausgefüllt. Schließlich war sie nicht drauf spezialisiert, wie ich. Ständig kamen neue Aufträge dazu und halfen mir sogar, nicht mehr über Mine nachzudenken. Doch gerade als wir Mittagspause hatten und ich mir etwas aus der Küche holen wollte, hörte ich wie Mine ausgiebig lachte. Dieser Bastard provozierte mich wirklich und dementsprechend veränderte sich auch mein Blick, was Mine verstummen ließ. Ihr Körper zitterte etwas und doch beachtete ich sie nicht weiter, nahm mir nur eine kleine Mineralflasche und dazu eine Milchschnitte aus dem Zehner Pack und verließ wieder die Küche. In meinem Office aß ich es in Ruhe auf und versuchte mich selbst zu beruhigen, auch wenn mein Körper angespannt war und ich mich schwer zurück hielt Cihans Nase nicht zu brechen.
Ein paar Augenblicke später klopfte es an der Tür und ich reagierte nicht, weswegen die Tür sich trotzdem öffnete und ich der verängstigten Mine dabei zusah, wie sie ins Zimmer eintrat. "Erdem?"
"Herr Gül.", erwiderte ich kaltherzig und sie biss sich kräftig auf die Lippen, bis sie fragte: "Wieso reagierst du so über? Schau, jetzt wissen auch alle anderen das Cihan und ich nur gute Freunde sind. Es ist nichts besonderes dabei. Mein Ruf ist nicht beschädigt."
"Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie scheiß egal mir das ist.", giftete ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Du benimmst dich so wie ein Kleinkind. Merkst du das? Deine Eifersuchtsattaken nerven mich langsam gewaltig. Ich halte es nicht mehr aus, dass du deswegen versuchst mir vorzuschreiben mit wem ich befreundet sein darf oder nicht!"
Erschrocken weiteten sich meine Augen. Ich zitterte und sah sie ungläubig an. Wie konnte sie alles vergessen und doch wieder die gleichen Wörter wie damals sagen? Hatte sich wirklich nichts verändert?
"Und schon wieder, obwohl ich Recht habe, versuchst du als die Gute dazustehen. Du siehst doch das Cihan Interesse an dir hat!"
"Schon wieder?", etwas perplex sah sie mich an und nun stand ich auf, näherte mich ihrem zärtlichen Körper und hielt sie an der Taille fest. "Ich meinte damit das Gespräch von letztens.", log ich und blickte ihr prüfend in die Augen. Es war ein sehr intensiver Blick, dem sie erfolgreich standhalten konnte.
"Erdem, lass mich los.", forderte sie wieder etwas schüchtern auf und blickte endlich weg. Meine Lippen presste ich an ihren Hals und küsste sie nach so einer langen Zeit wieder, bis ich einen knappen Kuss auf ihre Lippen setzte und das Thema wechselte: "Wollen wir nach der Arbeit Eis essen gehen? Es ist heiß und wer weiß, vielleicht schaffen wir es ja auch zu einer Freundschaft."
Etwas verunsichert sah sie mich an und fragte dann vorsichtig in einem sehr leisen Ton: "Heißt es, dass es aus ist?"
"Willst du das es aus ist?"
Sie verneinte verschämt und ergriff die Initiative um mich von sich aus zu küssen. Ihre Hände legte sie zaghaft um meine Wangen und strahlte mich mit so einem Glücksgefühl an, dass ich glaubte, dass sie endlich wieder glücklich war. "Wieso bist du so glücklich, wenn du mich doch schon aufgegeben hattest?"
"Hab ich nicht. Ich war mir nur zu schade, um dir hinterherzurennen. Wollte geduldig auf eine Gelegenheit warten, wo du mich nicht abweisen kannst.", erzählte sie fröhlich und bejahte schließlich: "Lass uns nach der Arbeit Eis essen gehen."
"Tamam, hadi jetzt geh wieder an die Arbeit."
Auf mich hörend verließ sie das Zimmer und ich setzte mich wieder an meinen Pult, stemmte meinen Ellenbogen auf den Tisch und stützte mit der offenen Handfläche meinen Kopf ab. Diese Frau würde mich noch wahnsinnig machen. Wieso verfiel ich ihr langsam wieder? Meine Gefühle spielten mit mir Wirrwarr. Wie konnte man einen Menschen so sehr ehren und gleichzeitig so sehr verabscheuen?

Das Schicksal lenktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt