35. Kapitel

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A R Y A




Wir waren alle ganz in schwarze, enge Kleidung gehüllt, die uns wenigstens den Vorteil der Nacht bringen sollten und hatten uns in der Waffenkammer versammelt. Die Stimmung war anders als die drei Nächte zuvor – angespannter. Es handelte sich nicht mehr um einen einfachen Wachdienst, sondern um ein Einbruch. Wir würden direkt in die Höhle des Löwen marschieren, ohne genau zu ahnen, was wirklich auf uns zukommen würde. Aber wir hatten keine andere Wahl, zumal wir verhindern wollten, dass diese grässliche Schlange nicht noch mehr unserer Leute rekrutierte.

Die gelbe Deckenlampe surrte, als ich mich rittlings Xenos gegenüber auf die Stahlbank hinsetzte und die schwarze, dicke flüssige Farbe in der Holzschüssel mit meinem Finger umrührte.

»Man nennt es Razuva; Bemalung eines Kriegers.« erklärte ich und setzte zwei Finger an Xenos Wange an, um sie quer darüber zu ziehen und zwei Striche zu hinterlassen. »Es ist eine grosse Ehre, sie zu tragen.«

»Ich dachte Krieger des Stammes Retani tragen ihre Bemalung weiss nicht schwarz.« sagte er, während seine Augen mein Gesicht keine Sekunde verliessen.

Ich rührte abermals die Farbe in der Schüssel um. »Aee, du hast recht, aber Razuva ist nicht eine normale Bemalung. Wir tragen sie nur für den Krieg auf, oder alles was einer Schlacht gleichkommt.«

»Hm.« brummte er nur und liess mich still die andere Wange bemalen. 

»Lass uns hoffen, dass es das letzte Mal ist, dass wir sie tragen.« sagte ich, und reichte ihm dann die Schüssel. »Hier, jetzt bist du dran.«

Kurz wirkte er überrascht, doch dann nahm er sie an. Einige Sekunden lang betrachtete er mein Gesicht und zog dann die Augenbrauen hoch. »Bist du sicher, dass du willst, dass ich dir dein Gesicht anmale?«

Ich lachte. »Das ist der Brauch. Ich darf es nicht selbst tun.«

Er betrachtete meine Handgelenke, an denen die Enden, die weissen, verschnörkelten Linien unter dem Top auf meiner Haut hervorlugten und zog die Augenbrauen hoch. »Wie kommen die dann dorthin?«

Ich legte meinen Kopf schräg. »Naja, weisst du, Devon war schon immer ein sehr zuvorkommender...«

Seine Augen blitzten und dann war da auch schon ein Biss an meinem Kinn.

»Dieser Brauch betrifft nur Razuva, Purasu.« lachte ich und schob ihn dann sanft von mir. »Und nicht meine tägliche Bemalung.«

»Na, das will ich doch schwer hoffen. Diese göttliche Haut darf nur ich berühren. Oder beissen.« Er zwinkerte mit zu, dann tunkte er seine Finger in die Farbe und betrachtete meine Wangen. »Zwei Striche. So schwer kann das ja nicht sein.«

Ich konnte nicht anders, als zu lächeln, während seine Finger über mein Gesicht fuhren und seine Miene höchst konzentriert verzogen war.

Nachdem er die ersten zwei Striche gezogen hatte, lehnte er sich zurück. »Gar nicht mal so schlecht.«

»Wirklich?«

Doch seine Züge entgleisten ihm bereist und er prustete los. »Ein bisschen schräg.«

»Xenos!« Ich schlug ihn auf den Arm, konnte jedoch das Lachen nicht zurückhalten. »Du solltest mir eine schöne Razuva machen!«

»Okay, okay!« Er hob seine Hände, von denen zwei Finger schwarz waren und sah mich lachend an. »Ich streng mich ja schon an.«

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