40. Kapitel

3.7K 172 69
                                    




A R Y A







»Na sieh mal einer an, die kleine Rya liegt zu meinen Füssen.« Rowtag sprach die Worte in meiner Sprache perfekt aus, doch da war ein Zischen in seinem Unterton, das fremd wirkte. Ich hätte es vielleicht als harmloses Hirngespenst abgetan, wenn ich nicht direkt in zwei schwarze, abgrundtief düstere Augen geblickt hätte.

Nein.

»Was hat sie dir angetan?« flüsterte ich, und das Grauen, das mich erfasste, liess meine Glieder klappern. Sie hatte ihn in ihren Händen, er war nichts als eine weitere Schachfigur in Echindas kranken Spiel.

Er ging nicht auf meine Frage ein, sondern betrachtete mich mit schiefgelegtem Kopf. »Was soll ich nun mit dir tun?« Seelenruhig wirbelte er mein Schwert in die Luft und fing es wieder auf. »Soll ich dir zuerst deine Kehle durchschneiden? Ein schneller, harmloser Tod? Oder soll ich dir doch lieber alle Gliedmassen abschneiden? Langsam und qualvoll?«

»Du musst dich dagegen wehren.« Ich versuchte mich aufzusetzen, doch dadurch drehte sich alles nur noch mehr. »Kämpf dagegen an Rowtag, das bist nicht du

Finster stierte er auf mich runter. »Rowtag ist tot.«

»Nein.« Entschlossen biss ich meine Zähne zusammen und richtete mich soweit auf, dass ich an die Wand lehnte. Ich ignorierte das laute Pochen in meinem Kopf, das sich anfühlte, als würde mein Kopf jeder Zeit explodieren. Bum bum. Bum bum. Bum bum. »Du bist bloss einen Blutschwur eingegangen. Ich kann dir helfen, ihn zu brechen, versprochen. Du musst nur mit mir kommen.«

Obwohl ich ihn mit Dringlichkeit in meiner Stimme versuchte zu überzeugen, prallten meine Worte an ihm ab, wie an einer dicken Glasscheibe.

Langsam kam er auf mich zu, das Schwert fest im Griff. »Da du dich allem Anschein nach nicht entscheiden kannst, wähle ich für dich.« Sein Lächeln war so unnatürlich, dass ein kalter Schauer meinen Rücken hinabrann. »Und ich wähle die zweite Option.«

Bevor er noch näherkommen konnte, schlang ich ächzend meine Bogen von meinem Rücken und setzte einen Pfeil auf. Das war nicht mein Rowtag. Das war nicht Rowtag, mein bester Freund. »Komm mir nicht näher. Ich warne dich.«

»Sonst was? Willst du mich erschiessen?« Er lachte.

»Ich würde es nicht heraufbeschwören, wenn ich dich wäre.«

»Deinen besten Freund umzubringen?« Nur noch gute drei Meter trennten uns. »Das bezweifle ich.«

Er machte noch einen Schritt auf mich zu und ich liess los. Der Pfeil flog direkt in seinen Oberschenkel. Gleichdarauf lag ein neuer Pfeil an der Sehne, bereit abgefeuert zu werden. »Ich habe dich gewarnt.«

Rowtag grunzte und riss den Pfeil aus seinem Bein, schmetterte in achtlos zu Boden. »Das war das erste und das letzte Mal, dass dir so etwas gelingen wird.«

Und er behielt recht. Ich schoss bereits den zweiten Pfeil ab, doch er war schneller. Mit dem Schwert durchtrennte er den Kieferpfeil noch in der Luft, wich dem dritten Pfeil aus und kauerte dann bereits vor mir.

Mit meiner übernatürlichen Geschwindigkeit knallte ich das spitzgeschliffene Ende meines Bogens in sein Gesicht und das Schwert fiel ihm aus der Hand. Ich nutzte den kurzen Überraschungseffekt aus, um ihn zu packen und an die Felsen zu stemmen und einen Pfeil an seine Kehle zu legen.

Seine schwarzen Augen sahen mich mit einer Wut an, die noch nie mir gegolten hatte.

»Ich will dir nicht wehtun, Rowtag.« Mein Schädel brummte immer noch, liess alles vor mir verschwimmen. Ich drückte den Pfeil noch mehr an seinen Hals. »Versuch dich gegen ihre Kontrolle zu wehren. Komm zurück. Ich bring dich nach Hause.«

X E N O S | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt