44. Kapitel

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X E N O S







Die ersten Morgenstunden hatte ich schon immer gemocht. Feine Sonnenstrahlen, kühler Wind, Tau auf dem Gras. Die perfekte erste Trainingseinheit oder der erste perfekte Lauf durch den Wald. Doch heute war alles andere als perfekt. Ich war nicht ausgeruht, hatte weniger als drei Stunden geschlafen, nur hier und da ein Nickerchen im Wald, als mein Wolf vor Müdigkeit fast umgekippt wäre. Das war schon die zweite Nacht, bei der ich nicht bei Arya war. Und es brachte mich fast um.

Nichtsdestotrotz ich konnte nicht bei ihr sein. Jedes Mal, wenn ich sie ansah, schoss die Dunkelheit durch meine Adern, verätzte mich und rief meine persönlichen Dämonen herbei. Ich war nicht wirklich hier, fand mich immer und immer wieder in dieser Nacht auf. Selbst ihr erschütterter Gesichtsausdruck, als ich ihr gesagt habe, dass ich ohne sie durch den Wald rennen wollte, fühlte sich so an, als hätte mir jemand ein Messer in die Brust gerammt und dann herum gezwirbelt.

Mein Wolf brüllte und sprang gegen sein Käfig. Ja er hatte recht, so konnte das nicht weitergehen. Ohne Arya war ich nur eine wandelnde Leiche. Ich musste die Gefahr endlich aus dem Weg schaffen, musste Echinda in Fetzen reissen und Arya beschützen. Dann würde alles wieder gut werden. Ich würde mich in Sicherheit wiegen können, dass niemand ihr wehtun konnte, meine Dämonen würden verschwinden und ich konnte sie endlich wieder nah an mich ziehen. 

Als ich Aramis auf dem Zwischentrakt sah, wies ich die Soldaten an, weiter zu trainieren, überquerte mit grossen Schritten das Trainingsfeld und trat durch die Arkadenbögen in den Trakt.

»Scheisse verdammt.« fluchte Aramis und blieb vor mir stehen. »Du sieht schrecklich aus, Alter.«

Wow, was für ein Kompliment auch, danke. »Wir müssen kurz reden.« Überging ich seine ach so nette Bemerkung und lehnte mich an die Säule. »Wie ich hörte, hat Zaira herausgefunden, was uns fehlt.«

»Ja.« reiner Stolz.

»Dann werden wir heute Nacht alles zu Ende bringen.«

»Heute ist der Ball.« erinnerte Aramis mich mit leicht gerunzelter Stirn.

»Exakt. Wir feiern bis in die Nacht, und dann werden wir angreifen.« Es war die einzige Möglichkeit, denn bis dahin war Arya abgelenkt und nur so hatte ich eine Chance, sie daraus zu halten. Mein Wohl und ich knurrten einstimmig. Wir würden unseren Mate beschützten, Arya würde nicht zu Schaden kommen. Was auch immer diese terrorisierenden Schatten in meinem Körper zu bedeuten hatten, diesmal hatten sie nichts mit meiner Entscheidung am Hut. Ich war schon einmal zu spät gekommen, ich würde es nie mehr sein.

»Xenos, denkst du das ist eine gute Idee?« Aramis musterte mich.

»Es ist beschlossene Sache.« Aramis war zwar mein bester Freund, doch ich war König. Und ich musste mein Königreich in Sicherheit stellen - diese Entscheidung lag alleine bei mir.  »Wir werden Kinder und Omegas in den Bunker bringen, und eine Einheit meiner Soldaten wird sie beschützen, während meine besten Leute und wir uns Echinda stellen.«

Seine grünen Augen blitzten. »Alles klar.« Er hielt mir seine Hand hin und ich schlug ein. »Du bist mir schon einmal blind in den Krieg gefolgt, ich werde dasselbe für dich tun, Faruh.« Bruder.

Ich nickte und wagte nicht mehr zu sagen als: »Danke.«

Dann hob Aramis die Augenbrauen und grinste verwegen. »Na dann gehe ich mal besser.«

Stirnrunzelnd wollte ich ihm nachsehen, als sich bereits eine feinere, zierlichere Hand auf meine Schulter legte. Arya trat in mein Blickfeld.

»Ich habe dich gesucht.«

Ich habe auf dich gewartet, waren wohl die Worte, die sie nicht aussprach, aber als ich nach einem Vorwurf, oder nach Wut in ihrem Gesicht suchte, erwachten die Schatten in meiner Brust von Neuem und die Schreie hallten in meinen Ohren wider. Aryas Miene war abermals vor Schmerz verzogen, doch ich konnte nicht zu ihr. Ich konnte die Quelle für alle die Qual, die sie durchlebte, nicht finden und nicht ausschalten. Sie war zu weit entfernt. Von mir getrennt, durch dieses gottverdammte Gitter.

»Xenos?« Hände die mich schüttelten. »Xenos!«

Ich blinzelte.

»Was ist denn nur los?« Sie stand direkt vor mir, umklammerte mein Gesicht und sah mich besorgt an. »Erzähl es mir!«

Immer noch diese Schreie – voller Angst. Ich schloss die Augen. »Es ist nichts.« Ich musste weg von ihr und auch wenn alles in mir mich anschrie, sie verdammt noch mal an mich zu reissen und nicht mehr loszulassen, löste ich ihre Hände von meinem Gesicht. »Warum hast du mich gesucht?«

Sie stand ganz aufrecht, die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt. »Ich wollte dich fragen, ob du mich begleitest.«

Die Kälte in meiner Brust war zwar immer noch da, doch nun da wir uns nichtmehr berührten, breitete sie sich nicht weiter aus. Ich sah sie fragend an. »Wohin?«

»Zaira hat entdeckt, dass es kein einfacher Blutschwur ist. Es handelt sich um eine Seelenbindung. Echinda knüpft Bänder.«

Ich erstarrte. » Bänder? Wie ein Mateband?«

»So zu sagen.« Sie suchte nach den richtigen Worten. »Dem Band fehlt jegliche Liebe, es unterliegt nur roher Kontrolle.« Ihr Blick schweifte kurz von mir ab und sie sah über das Trainingsfeld in den Wald. »Wir Gis knüpfen auch unsere Seelen selbstständig aneinander und auch wenn viele denken, dass diese Verbindung automatisch ewig hält, stimmt das nicht ganz. Wir haben Bräuche, die diese Bande wieder lösen können.«

Mit einem Schlag traten die Bilder in den Hintergrund. Ich knurrte. »Man kann keine Matebänder lösen.«

Jetzt lächelte sie und ihre Augen wanderten wieder zu mir. Sie griff nach meinem Kinn und drückte mir lachend einen Kuss auf den Mund. »Purasu! Dummkopf! Ich rede nicht von Matebändern, wie ihr sie habt – oder von unserem. Ich rede von den Bräuchen meines Stammes. Wir schliessen eine Verbindung der Seelen in einer heiligen Zeremonie, Mann und Frau, die sich ausgesucht haben. Es kommt zwar nicht oft vor und wird nicht gerne gesehen, doch es gibt Paare, die sich entbinden wollen.«

Ich zählte eins und eins zusammen. »Du willst also zu den Retanis.« Mir entging nicht, dass sie sich immer noch zu ihnen zählte und nicht zu meinem – unserem – Rudel. Ich hätte es jetzt angehen sollen, durfte diese Tatsache nicht vernachlässigen. Nach dem Ball, versprach ich mir selbst.

»Aee. Ich muss mit den Ältesten sprechen.« Ein zögerlicher Augenaufschlag. »Also, kommst du mit?«

Meine Krallen rissen die Haut in meinen Handflächen auf. Eisige Säure wand sich durch meinen Körper, breitete sich über meine Arme bis in meine Fingerspitzen aus. »Ich muss hierbleiben, mein Pack braucht mich jetzt. Wir dürfen keine Trainingseinheit verpassen und ich muss alle Sicherheitsmassnahmen für den Ball organisieren.«

Ihre Lippen waren fest aufeinandergepresst und das nächste Wort schien ihr schwerzufallen. »Bitte

Blut tropfte ununterbrochen von meinen Händen auf den Boden. »Reah wird mit dir mitkommen und dich durch das Portal führen.«

Ein wütendes Schnauben. »Hab verstanden, Eure Majestät.« Sie drehte sich ruckartig um.

Ich fluchte. »Arya!«

Doch sie war schon im Palast verschwunden.










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