2. Kapitel

6.8K 286 90
                                    



A R Y A




Trommelschläge und lauter Gesang erfüllten die kühle Abendluft, während mehrere dutzend Gis den traditionellen Tanz um das grosse Feuer vollzogen.

«Hier bitte sehr.» Mahili, die sanfte kleine Küchengehilfin reichte uns die vollgefüllten Teller.

«Ist das Katuza?» inspizierte der junge Krieger Nzuak - Häuptling der Akarer - seinen Teller skeptisch. Sein nackter dunkler Oberkörper schimmerte im Licht des Feuers und die traditionelle Körperbemalung der Gis – die jeder von uns auf seiner Haut trug - leuchtete auf. Doch im Gegensatz zu den Retanis, die die Frabe Weiss bevorzugten, leuchtete seine blutrot auf – die Farbe der Akarer.

«Das ist es, in der Tat. Frisch zubereitet und köstlich gewürzt. Ihr müsst es unbedingt probieren.» prahlte Vater stolz, während er sich seinen eigenen Teller ergriff. Der prunkvoll geschmückte Kopfschmuck, der auf seinen schwarzen, langen, zu einem Zopf geflochtenen Haare prangte, liess keine anderen Vermutungen zu, als dass er Chief te Retani war.

Nzuak wirkte nicht wirklich überzeugt. Sein Mund, dessen Lippen von einem Strich der blutroten Körperbemalung geteilt wurde, verzog sich angewidert. «Wir Akarer bevorzugen lieber das Fleisch der Flussschlangen.» 

Ich unterdrückte ein Schnauben. «Katuza ist eines der kostbarsten Gerichte der alten Tradition und erfordert viel Aufwand» Ihr solltet besser dankbar sein, die Worte schwebten bereits auf meiner Zunge, als Vaters scharfer Blick auf meiner Haut kribbelte. Ich räusperte mich. «Es wäre bedauerlich, würdet Ihr ein solch herrlichen Genuss der Geschmäcker verpassen.»

Seine dunklen Augen funkelten kühl, als er mich von oben bis unten in Augenschein nahm und ein wenig zu lange an meiner Oberweite verharrte. «Wenn es die Häuptlingstochter sagt.» Damit wollte er bereits einen Bissen in den Mund nehmen.

«Wartet! Was ist mit dem Gebet?»

Nzuak hielt in der Bewegung inne und hob seine Augenbrauen. Sein abschätziger Blick brannte auf meinem Körper wie Öl auf heissem Feuer.

«Arya!»

Trotz der Warnung meines Vaters konnte ich mich nicht zurückhalten. Das Blut kochte in meinen Adern. «Der Stamm Retani nimmt Opfergaben der Tiere nicht einfach selbstverständlich an. Sie verdienen den Segen Gaias zu erhalten und unsere Wertschätzung, wie auch unsere Liebe auf ihrem Weg ins Jenseits.»

«Bei den Göttern Arya!» rief Vater aus und wendete sich dann entschuldigend zu Nzuak. «Bitte entschuldigt meine Tochter. Sie scheint heute gänzliche Manieren vergessen zu haben.»

Nzuak trank einen Schluck aus seinem Kelch. «Entschuldigt Euch nicht Honaw, wir wissen doch alle, wie emotional unreif Frauen manchmal sein können, wenn es um ein gestorbenes Lebewesen Gaias geht.»

Dieser eingebildete Dummkopf! Für wen hielt er sich? Meine Fäuste zitterten, während ich abwartend auf Vaters nächste Worte wartete.

«Wusste ichs doch, dass wir gleich denken.» meinte Vater lachend und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken.

Ein Stich durchfuhr mein Herz und ich zuckte zusammen. Er hatte heute kein einziges Wort mit mir allein gewechselt. Hatte mich nicht beachtet, als ich von der Jagd zurückkam und nun erwähnte er nicht einmal, dass ich das heutige Mahl besorgt hatte. Ich kniff meine Augen zusammen und fauchte: «Wisst Ihr, wie schwer die Jagd eines Affens ist? Die schwierigste, die es gibt. Und ich war diejenige, die das heutige Opfer in sein nächstes Leben geführt hatte.»

X E N O S | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt