42. Kapitel

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X E N O S







»Was ist passiert?« fragte Beau, als wir alle heil wieder in der Waffenkammer standen.

Ich musste zuerst meinen Wolf mit seinem wütenden Gebrüll tief in mir vergraben, bevor ich auch nur ein Wort sagte. Es war, als würde ich immer noch vor dieser Zelle stehen und dieses scheiss Gitter umklammern, das mich von ihr trennte. Angst war nicht einmal ansatzweise das korrekte Wort, um zu beschreiben, was ich in diesem Moment gefühlt hatte. Ich sah sie immer noch vor mir, ein gequält verzogenes Gesicht, blutige Zähne und zerrissene Kleidung. Fremde Hände, die sie berührten. Hände, die sie nicht berühren hätten dürfen. Ich hätte sie abhacken sollen, diesen Krieger daran verbluten lassen und ihm dann seine Hände in den Mund stopfen sollen. Er hätte sie nicht berühren dürfen. Er hätte ihr nicht wehtun dürfen. Nicht meiner Arya.

Ich wollte Rache und ich würde sie bekommen. Echinda würde sich vor Qualen winden, bevor ich sie endgültig vernichtete.

Meine Stimme war immer noch mehr ein Knurren als sonst was als ich sagte: »Nichts Wichtiges.«

Ich würde verdammt sein, wenn ich das mit Arya irgendjemandem erzählen würde. Erstens wusste ich um ihren Stolz und zweitens, sollte niemand anderes von diesem Freund erfahren, wenn sie diese Freundschaft nicht einmal mir gegenüber erwähnt hatte. Das war alleine etwas, das sie und mich anging.

Einen Seitenblick auf Aramis genügte, um zu wissen, dass dieser kein Sterbenswörtchen darüber verlieren würde. Ausser vielleicht Zaira gegenüber, doch das war akzeptabel.

»Ihr hattet zwanzig Minuten Verzögerung!« rief Reah nun aus und ihr Blick blieb an Arya hängen.

Ich drückte ihre Hand, die immer noch in meiner lag und versuchte das kalte, dunkle Gefühl in meiner Brust, das auszubrechen drohte, abzuschütteln. Denn es war nicht Aryas schuld, dass wir eine Verzögerung gehabt hatten. Natürlich, sie war daran beteiligt, doch die Schuld lag hauptsächlich bei mir. Etwas war in den Tunneln passiert. Etwas, an das ich mich nicht erinnern konnte. In einem Moment kämpfte ich noch gegen die Dämonen an und im anderen wachte ich auf dem nassen Steinboden auf.

Hatten sie mir einen Schub meiner Lebensenergie abgezapft? Aber warum hätten sie mir dann einen Rest übriggelassen?

Dämonen warn gierig, tranken bis auf den letzten Schluck alles Leben eines Wesens aus, sie würden nie einen Teil übersehen. Aber wenn es kein Höllenkrieger gewesen war, was war dann geschehen?

»Ich hab lange am Schloss gebraucht, verstanden?« verlautete Aramis fast schon genervt und verdrehte dann noch tatsächlich seine Augen. »Wenn das dann alles wäre. Ich verfrachte diesen hier in den Kerker und hau dann ab zu Zaira.« Ohne auf eine Antwort zu warten, marschierte er hinaus aus der Waffenkammer und zog den Werwolfsoldat mit einer einzigen kleinen Bewegung seines Zeigefingers hinter sich her.

Daraufhin machten wir uns alle aus dem Staub. Arya lief leise neben mir die teppichbezogenen Treppen hoch. Wir sagten kein Wort, hielten nur schweigend unsere Hände. Ich hatte sie noch nie so gesehen. Stets war sie stolz, mutig und selbstbewusst. Doch jetzt war sie unruhig und unkonzentriert – fast schon durch den Wind. Und das, wegen dieses Freundes. Abermals tauchte das Bild vor mir auf – ein Messer an ihrer Kehle, Blut, ein schriller Schrei. Wenn ich zu spät gekommen wäre ...

Mein Wolf knurrte und warf sich gegen die inneren Wände. Kratzte und brüllte, wollte sich vergewissern, dass unser Mate wohlauf war.

Ich hielt meine Krallen davon ab, auszubrechen, biss meine Zähne zusammen und steuerte auf unser Gemach zu. Doch die Bilder verschwanden nicht, ebenso wenig wie die Schreie.

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