51. Kapitel

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A R Y A







Ich dachte immer, es wäre unmöglich, an Nichts zu denken. Nichts zu fühlen. Nichts zu sein. Und dennoch tat ich es. Hier sass ich, in einer einsamen Zelle, und wusste nicht mehr, wer ich eigentlich noch war.

Der dumpfe, graue Nebel schirmte mich vom Schmerz ab, liess die Worte, die mit einem leisen Pochen an den Schleier prallten, nicht zu mir durchtreten. Ich glaubte, es war der letzte Faden meines Bewusstseins, der mich vor der Erinnerung schützte und dem unermesslichen Schmerz, der damit Hand in Hand ging. Ich würde ihn nicht ertragen.

Ich lehnte meinen Kopf an die kalte Steinwand und nur dank meiner nüchternen Feststellung, dass mein Körper zitterte, wurde mir bewusst, dass ich fror.

Wie lange war ich schon hier? Minuten? Oder waren es schon Stunden? In der Gruft war es stockdunkel und es gab kein Fenster, an dem ich mich nach der Zeit orientieren konnte. Ich schloss meine Augen und genoss die Stille, die sich augenblicklich wieder einschaltete und mir verbot, über belanglose Dinge den Kopf zu zerbrechen; denn es war mir sowieso egal.

Ich hatte in dem Moment aufgehört zu kämpfen, als die einzige Person, der ich noch wichtig gewesen war, mich radikal aus ihrem Leben gestrichen hatte. Die einzige Person, die mir noch geblieben war.

Dumpf starrte ich an die Backsteinwand mir gegenüber und genoss fast schon den ziehenden Schmerz in meiner Brust, der durch den grauen Nebel stach. Wenigsten etwas, das ich noch fühlte, etwas, das mich noch von dem Nichts trennte, das unwiderruflich auf mich zukam.

Die Stimme kam unerwartet und das Ziehen in meiner Brust wich einer unsäglichen Qual, die mir Tränen in die Augen trieb und meine Rippen auseinanderriss.

Du könntest nie nichts für mich sein.

»LÜGNER!« brüllte ich, riss mir die Krone vom Kopf und schmetterte sie an die Wand. Der Knall verschaffte mir immerhin eine kleine Befriedigung, doch es war längst nicht genug. Denn dieses Ding zersprang nicht, sondern klirrte einfach auf den Boden und blieb liegen, ohne eine einzige Delle.

Schnell atmend wandte den Blick ab, wollte dieses Ding niemals mehr ansehen oder gar anfassen. Ich war nicht seine Königin, nicht mehr. Sollte er sie doch Cecilia geben, wenn er wollte, sie würde sich sicherlich darüber freuen.

»Arya?« hallte eine Stimme durch die Gruft, kurz bevor der Korridor erhellt wurde und eine feine Gestalt um die Ecke trat. Georgie.

Schnelle Schritte, dann war da Licht in meiner Zelle.

»Hey, hast du mich nicht gehört?« Ein lautes Schleifen, als sie die Fackel vor der Zelle in den Metalhalter der Steinwand steckte. Dann klimperte es am Schloss, also musste sie an irgendetwas herumfummeln. »Ich hol dich hier raus.«

Ich zog meine Beine an und schaute in die entgegengesetzte Richtung von ihr. »Du solltest nicht hier sein Georgie.«

Die Tür schwang quietschend auf und ihre schwarzen Stiefel traten in mein Blickfeld. »Na los, komm schon, hoch mit dir!«

Immer für dich da Arya. Immer. Wie hatte er mir dabei in die Augen sehen können? Wie hatte er mich so viel fühlen lassen können, mir Dinge versprochen, die er nicht gehalten hatte? Und ich dumme Nuss hatte ihm geglaubt. Hatte ihm geglaubt und vertraut – so sehr, wie noch nie jemandem davor.

Ich schloss meine Augen und legte meinen Kopf an die Wand. »Geh einfach.«

»Hast du nicht gehört, was ich gerade gesagt habe?« Sie stampfte mit dem Fuss auf, als ich ihr nicht antwortete. »Arya!«

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