Am nächsten Morgen war ich noch immer ein wenig deprimiert und hatte beim Frühstück nicht einmal wirklichen Hunger. Lustlos rührte ich in meiner Schüssel mit den Smacks herum, während ich wieder an Paddy und seine Geschwister dachte, die um diese Uhrzeit sicher noch friedlich schliefen. Auch ich war noch etwas müde, weil ich deutlich weniger geschlafen hatte als sonst, aber es hielt sich in Grenzen. Ich dachte an die Schule, auf die ich heute noch weniger Lust hatte als sonst. Allein bei dem Gedanken an Robin drehte sich mir der Magen um. Ihm zu begegnen hatte ich absolut keine Lust, aber ich hatte leider keine Wahl. Leider saß dieser Idiot auch noch in meiner Klasse und würde sicher keine Gelegenheit auslassen, mich noch mehr zu ärgern als sonst. Ganz sicher würde er mich auf das Wochenende ansprechen und auch auf Paddy - allerdings nicht auf die nette Art. Wie es wohl wäre, nie wieder in die Schule zu müssen? Einfach alles hinzuwerfen und kein Abitur zu machen. In wenigen Wochen begannen die Sommerferien und ich konnte das Gymnasium immerhin mit einem Realabschluss verlassen. Dann konnte ich zwar nicht wie geplant Jura studieren, aber immerhin hatte ich einen Abschluss. Und wenn ich wollte, konnte ich das Abitur später irgendwann nachholen. Was ich allerdings dann genau machen wollte, wusste ich auch nicht. Immerhin war seit ich denken konnte klar gewesen, wie mein Berufsweg aussehen würde. Ich hatte viele Interessen und ich war sicher, dass ich schon einen Beruf finden würde. Eine Ausbildung wollte ich auf jeden Fall machen. Vielleicht etwas mit Kindern, die ich sehr mochte. Oder irgendetwas Medizinisches. Es gab so viele Möglichkeiten.
Ich träumte ein wenig vor mich hin und lächelte in mich hinein. Es wäre wirklich schön, wenn ich meinen weiteren Lebensweg selbst bestimmen könnte. Ich würde zwar nicht so viel Geld verdienen, wie meine Eltern es sich für mich wünschten, aber mir war das egal. War es nicht viel wichtiger, dass ich mit meinem Beruf glücklich war, anstatt ein pralles Bankkonto zu besitzen? Ich konnte mir irgendwie nicht wirklich vorstellen, jeden Tag in einem Gerichtssaal oder in einem Büro zu sitzen und irgendwelche Akten zu wälzen, um einen Prozess vorzubereiten oder Plädoyers für meine Mandanten zu halten. Aber meine Eltern würden mir niemals erlauben, die Schule abzubrechen, um einen anderen Beruf zu lernen - auch wenn ich irgendwann selbst Mutter wurde und wahrscheinlich ohnehin nicht mehr oder viel weniger arbeiten würde. Daniele dagegen hatte die freie Wahl und wollte nach dem Abitur Architektur oder wie Gabriel Medizin studieren. Am Hungertuch würden wir auf jeden Fall auch mit Kindern nicht nagen. Aber meinen Eltern waren Geld und Prestige unglaublich wichtig. Ihre Kinder sollten vorzeigbare Berufe haben - auch wenn sie wie ich nicht lange darin arbeiten würde. Eine Krankenschwester oder eine Erzieherin waren zwar keine schlechten Berufe, aber eben nichts, womit meine Eltern vor Freunden oder Familie angeben konnten, auch wenn ich das nicht so ganz verstand. Auch wenn man vielleicht nicht so viel verdiente, waren es trotzdem Berufe, auf die man durchaus stolz sein konnte. Außerdem musste ja jemand die Kanzlei meines Vaters übernehmen. Ohne Abitur ging das nicht.Ich seufzte und schob dann meine noch zur Hälfte gefüllte Schüssel zur Seite. Meine Mutter warf mir einen fragenden Blick zu, als ich aufstand und nach meinen Broten griff - eines mit Käse und das andere mit Wurst. Jeden Morgen dasselbe. Achtlos warf ich die Brote in meinen Rucksack und stand dann auf. Wie ich diese täglich gleiche Routine mittlerweile hasste. Nie auch nur die geringste Abweichung. Selbst in der Schulmensa gab es ständig dieselben Gerichte, die sich jeden Monat von vorn wiederholten. Mein Leben war einfach nur langweilig und komplett durchgetaktet ohne irgendeine großartige Abwechslung. Ich stand immer wieder um die gleichen Zeiten auf und frühstückte. In der Woche ging ich dann zur Schule, kam nach Hause und machte Hausaufgaben bevor ich lernte. Danach gab es meist auch schon wieder Abendessen, bevor ich wieder schlafen ging. Am Wochenende gab es ein wenig Abwechslung, weil ich mich manchmal mit Freunden traf oder etwas mit Daniele unternahm. Aber das war es auch schon. Mein Tagesablauf glich einem Schweizer Uhrwerk, das nie von irgendetwas abwich - grau und öde. Genau wie das Leben meiner Eltern. Das würde sich wohl auch an Danieles Seite nur wenig ändern. Dabei wollte ich ein buntes Leben voller Überraschungen.
Ich gab meiner Mutter einen kurzen Abschiedskuss und ging dann zum Bus, der ebenfalls auf die Minute pünktlich kam. Selbst darin gab es nur selten Abwechslung und es war fast schon ein Ereignis, wenn er ein paar Minuten Verspätung hatte. Ich stieg in den Bus und ließ mich auf einen freien Platz fallen. Zum Glück stiegen die meisten Schüler erst später ein, sodass ich noch die freie Auswahl hatte. Meine Freundinnen gingen auf andere Schulen oder machten bereits eine Ausbildung, sodass sie mit anderen Bussen fuhren und wir uns nicht begegneten. Ich schaute trübsinnig aus dem Fenster und betrachtete die vorbeirauschenden Häuser, die im beginnenden Morgen genau so grau aussahen wie ich mich fühlte. Nur als wir an der Kirmes vorbeifuhren, huschte ein kurzes Lächeln über mein Gesicht. Auch wenn sie jetzt noch unscheinbar aussah und noch kein Leben auf ihr herrschte, sah ich die bunten Lichter vor mir. Ich konnte die Musik an den Fahrgeräten hören und ich sah auch den Marktplatz mit der Bühne vor mir. Auch den Geruch von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln hatte ich wieder in der Nase. Am liebsten wäre ich einfach ausgestiegen und zum Marktplatz gelaufen, aber ich blieb brav auf meinem Platz sitzen.
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The Rollercoaster Called Life...
FanfictionEine Geschichte über die Achterbahn des Lebens - voller Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen. Und eine Geschichte über eine ganz besondere Verbindung, die viel mehr ist als Freundschaft und Liebe. Eine Geschichte über Seelenverwandtschaft, die gleich...