Beinahe liebevoll wanderte mein Blick über jede so vertraute Kleinigkeit - die Tische hinter der Fahrerkabine etwa mit den kleinen und großen Macken, die Sean hineingemacht hatte. Die Schlafkojen mit den Aufklebern, wer wo schlief. Auch wenn ich noch nicht so oft mit dem Bus gefahren war, war ich doch oft genug darin gewesen, um mir jedes Detail einzuprägen und mich Zuhause zu fühlen. Von den Kellys war noch nichts zu sehen. Ich konnte nur Kathy hören, die halblaut mit Sean sprach und irgendjemand raschelte leise mit einer Zeitschrift - vielleicht die BRAVO. Noch schien niemand bemerkt zu haben, dass ich überhaupt da war, aber das war auch ganz gut so, denn in mir kämpften gerade die Emotionen. Es fühlte sich wirklich so an, als wäre ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder Zuhause angekommen und ich merkte erst jetzt wirklich, wie groß mein Heimweh eigentlich gewesen war.
Ich lief langsam weiter und kam irgendwann an der Schlafkoje an, die eigentlich für mich gedacht war. Bisher hatte ich sie allerdings noch so gut wie nicht genutzt. Trotzdem war es ein seltsames Gefühl und ich musste schlucken, als ich den Aufkleber mit meinem Namen las. Wie gern wäre ich in den letzten Monaten hier gewesen und hätte dieses Bett benutzt. Tarzan stellte meine Tasche in die Koje und legte mir lächelnd eine Hand auf die Schulter. Ich konnte in seinen Augen sehen, dass er sich tatsächlich freute, mich wiederzusehen. Danach ging er in Richtung Ausgang des Busses, nachdem er mir noch einmal zugezwinkert hatte. Ich stand ein wenig unschlüssig neben meinem Bett und überlegte, ob ich Paddy wecken oder ihn lieber noch schlafen lassen sollte. Bis zum Konzert war noch jede Menge Zeit und bei dem vollen Terminplan der Familie war vermutlich nicht nur er dankbar für jede Ruhepause, die er bekam. Aber andererseits konnte ich es auch kaum erwarten, endlich wieder mit meinem besten Freund sprechen und ihn umarmen zu können. Es war so lange her.Gerade, als ich entschieden hatte, dass ich Paddy doch wecken wollte und mich in Richtung des Vorhangs drehte, nahm ich hinter mir eine Bewegung wahr. Ich drehte mich um und sah Joey, der gerade noch ziemlich verschlafen aus seiner Schlafkoje kletterte. Er sah mich mit großen Augen an und wollte gerade etwas sagen, aber ich legte schnell einen Finger auf meine Lippen. Noch hatte mich außer Joey niemand bemerkt und ich wollte, dass es noch ein paar Sekunden so blieb. Joey verstand und nickte grinsend. Anstatt etwas zu sagen, zwinkerte er und winkte mir kurz zu. Ich lächelte und winkte zurück und wandte mich dann unter Joeys neugierigem Blick wieder Paddys Schlafkoje zu.
So vorsichtig und leise wie möglich zog ich den Vorhang auf und entdeckte meinen besten Freund tief schlafend auf dem Bett liegen. Er lag angezogen auf der Bettdecke und hatte den Arm über die Augen gelegt. Neben ihm lag sein Walkman und ich konnte sehen, dass er noch die Kopfhörer im Ohr hatte. Offenbar war er zu der Musik eingeschlafen. Seine Haare sahen ziemlich verwirrt aus und da er den Kopf leicht zur Seite gedreht hatte, konnte ich sehen, dass ihm das Haarband beinahe herausgerutscht war. Er sah unglaublich friedlich und entspannt aus und es tat mir beinahe leid, dass ich ihn wecken musste. Aber andererseits weckte der Anblick meines besten Freundes in mir nur noch mehr den Wunsch, endlich mit ihm reden zu können.Ich trat noch einen Schritt näher an das Bett und achtete darauf, nicht über Paddys Schuhe zu stolpern, die er achtlos vor dem Bett auf den Boden geworfen hatte. "Hey Pad", sagte ich halblaut und rüttelte ihn leicht an der Schulter. "Hier ist dein Wake up - Call."
Aber mehr als ein unwilliges Brummen ließ sich Paddy nicht entlocken und drehte sich auf die Seite. Ich musste unwillkürlich bei diesem Anblick grinsen, denn das war so richtig typisch Paddy. Da war wohl noch etwas mehr Überzeugungsarbeit nötig. Joey grinste und ich konnte deutlich sehen, dass er seinen jüngeren Bruder nur zu gern mit deutlich weniger sanften Methoden aus dem Schlaf geholt hätte. Aber so schnell gab ich nicht auf. Ich rüttelte noch einmal an Paddys Schulter und nach dem dritten Versuch hatte ich endlich Erfolg.
"Fuck you, Angelo", knurrte Paddy mit geschlossenen Augen. "Leave me alone. I'm sleeping. So don't disturb."
Bei Paddys Antwort huschte mir ein breites Grinsen über das Gesicht. Da war er also - der kleine Morgenmuffel. Auch Joey grinste und schien sich diebisch auf die Reaktion seines Bruders zu freuen, wenn er entdeckte, wer ihn eigentlich geweckt hatte.
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The Rollercoaster Called Life...
FanfictionEine Geschichte über die Achterbahn des Lebens - voller Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen. Und eine Geschichte über eine ganz besondere Verbindung, die viel mehr ist als Freundschaft und Liebe. Eine Geschichte über Seelenverwandtschaft, die gleich...