Kapitel 24

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Die Zeit bis zu den Ferien schien sich schier endlos zu ziehen. Die Schule nervte und die Klausuren liefen nach meiner Einschätzung eher semi gut, weil in manchen Fächern ausgerechnet das dran kam, was ich nicht richtig gelernt hatte oder nicht gut konnte. Aber das war nicht zu ändern und jetzt stand erst einmal Weihnachten vor der Tür - inklusive zwei Wochen herrliche Ferien. Darauf freute ich mich riesig - und ich hatte das Gefühl, sie auch bitter nötig zu haben. Immerhin war Schule fast so etwas wie Arbeit. Auch mit Daniele lief es wieder relativ gut und ich hoffte, dass es jetzt so blieb. Bisher hatte er die Kette noch nicht entdeckt - auch weil ich sie immer gut unter meinem Pullover versteckte. Ansonsten hätte es vermutlich ein weiteres Eifersuchtsdrama gegeben, auf das ich gut verzichten konnte.
Pünktlich einen Tag vor Heilig Abend begannen die Weihnachtsferien. Kaum Zuhause angekommen, warf ich meinen Rucksack in eine Ecke meines Zimmers und atmete erst einmal durch. Die Schule war heute noch einmal ganz besonders ätzend gewesen, weil mein Mathelehrer meinte, dass er gerade heute noch mit neuem Unterrichtsstoff beginnen musste. Aber jetzt hatte ich erst einmal zwei Wochen Zeit, den ganzen Kram wieder komplett zu vergessen. Mathe war eben mein Hassfach - und würde es immer bleiben. Zum Glück konnte ich es in einem Jahr abwählen und musste es nicht ins Abitur nehmen, weil ich Biologie als Leistungskurs gewählt hatte. Aber ich war trotz meiner Ferien ein wenig frustriert. Paddy hatte mir erzählt, dass er am Heiligen Abend nach der Messe noch mit seinen Geschwistern auf der Domplatte in Köln singen würde, wie sie es jedes Jahr machten. Anstatt sich etwas zu schenken, gingen die Kellys an Heilig Abend nachmittags in eine Kinderklinik oder in ein Gefängnis, um den Menschen dort ein wenig Freude zu spenden, bevor sie gut zu Abend aßen und nach der Messe auf der Domplatte für die Menschen sangen, die sonst niemanden hatten - Obdachlose oder auch Prostituierte. Diese Tradition hatten sie vor vielen Jahren in Spanien begonnen und ich fand sie wunderschön. Das war für mich der wahre Sinn von Weihnachten. Patricia hatte mir erzählt, dass sie das schon als Kind sehr geliebt hatte und so gelernt hatte, dass Weihnachten viel mehr war, als nur Geschenke zu verteilen. Sie waren damals sehr arm gewesen und hatten oft in Waisenhäusern oder Kinderheimen gesungen und sich danach ein paar Kleidungsstücke aussuchen dürfen. Ihr schönstes Weihnachtsfest, das ihr wohl immer in Erinnerung bleiben würde, war das erste Weihnachten ohne ihre Mutter gewesen - nur wenige Wochen nach Barbaras Tod. Obwohl sie unendlich traurig waren, hatten sie in einem Waisenhaus gesungen und waren dort einem kleinen Mädchen mit Downsyndrom begegnet, das sie alle verzaubert hatte. Trotz ihrer Trauer waren sie glücklich gewesen und hatten sogar überlegt, das Mädchen in ihre Familie aufzunehmen. Aus irgendeinem Grund war allerdings leider nichts daraus geworden. Ich wäre zu gern bei dem Konzert auf der Domplatte dabei, weil diese kleinen Straßenkonzerte immer etwas ganz Besonderes waren, aber das würden meine Eltern sicher nicht erlauben, also fragte ich gar nicht erst.

Der heilige Abend lief bei uns genau so ab wie immer. Nach dem Frühstück schmückte ich mit meinen Eltern den Weihnachtsbaum, den mein Vater am Vorabend aufgestellt hatte. Sogar Gabriel kam extra vorbei, um zu helfen, obwohl er Heilig Abend ursprünglich allein mit Francesca hatte verbringen wollen. Aber die beiden hatten spontan entschieden, dieses erste Weihnachtsfest nach ihrem Auszug noch einmal mit ihren Eltern zu verbringen. Ich freute mich darüber und stritt wie jedes Jahr ein bisschen mit meinem Bruder darüber, wer die Spitze auf den Baum setzen durfte, bis mein Vater das selbst übernahm - eine Art kleine Tradition, die nicht ganz ernst gemeint war. Nach einem schnellen Mittagessen scheuchte meine Mutter dann meinen Vater, meinen Bruder und mich wie immer nach draußen, um in Ruhe die letzten Geschenke einzupacken und das Essen für den Abend vorzubereiten. Fast zwei Stunden liefen wir durch den Wald, der passend zu Weihnachten ein weißes Gewand aus Schnee übergestülpt hatte. Mit roten Wangen und ziemlich durchgefroren kehrten wir zurück und es gab erst einmal Kaffee und heißen Apfelstrudel mit Vanillesauce. Dann wurde es langsam Zeit, sich für die Bescherung umzuziehen. Nach der Bescherung würde es dann das Abendessen geben, das wie jedes Jahr traditionell aus Würstchen mit Kartoffelsalat bestand. Nach dem Essen kam dann die Messe, bevor wir den Abend vor dem Fernseher ausklingen lassen würden. An den restlichen Weihnachtstagen standen dann Besuche bei meinen Großeltern an, wo es Zunge und Raclette oder Fondue geben würde. Da würden dann auch meine restlichen Verwandten dabei sein, die ich meist nur bei diesen Familienfeiern traf.
Nach der Bescherung saß ich auf der Couch im Wohnzimmer und blätterte durch ein Buch über die Maler der Rennaissance wie da Vinci, Botticelli oder Buonarotti - besser bekannt unter seinem Vornamen Michelangelo. Das Buch hatte mir Barby empfohlen, da ich besonders Michelangelos Werke sehr mochte. Sein Meisterwerk, die Deckenmalerei der Sixtinischen Kapelle in Rom, war wohl jedem ein Begriff und mein Traum war es, diese Malerei einmal selbst zu besichtigen. Irgendwann würde ich mir diesen Wunsch ganz sicher erfüllen. Ich war vollkommen in mein Geschenk versunken, während Gabriel meiner Mutter beim Tischdecken half. Außerdem hatte ich noch Parfum und eine neue Reisetasche bekommen, die ich gut gebrauchen konnte, weil bei meiner alten langsam die Nähte kaputt gingen. Ich hatte meiner Mutter neue Ohrringe geschenkt, meinem Vater ein Buch und Gabriel hatte von mir eine CD seiner momentanen Lieblingsband bekommen. Durch Joey war er auf den Geschmack von Heavy Metal - Musik gekommen, was ich nicht ganz verstehen konnte. Mir war diese Musik einfach zu laut und zu aggressiv. Aber Geschmäcker waren ja bekanntlich verschieden - zum Glück. Das Wichtigste war ohnehin, dass sich Gabriel darüber freute.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt