Kapitel 48

191 17 2
                                    

Ich kannte das Hotelzimmer im Hyatt bereits, aber trotzdem konnte ich mich einfach nicht wirklich an diesen Luxus gewöhnen. Es wirkte auf mich irgendwie immer noch befremdlich, dass die Kellys dieses Leben mittlerweile als normal ansahen und ich wollte gar nicht wissen, wie groß das Haus in Irland war, das die Kellys vor wenigen Tagen tatsächlich gekauft hatten. Paddy hatte mir erzählt, dass es ein ehemaliges Herrenhaus war und mehrere Hektar Land besaß. Allein das zeigte mir schon, wie riesig das Haus sein musste - ganz abgesehen von dem Privatstrand und den Stallungen, die es ebenfalls dort geben sollte. Ich war nicht sicher, ob ich es gut finden sollte, dass die Kellys von einem Hausboot über ein Hotel in ein unglaublich großes Haus ziehen wollten. Natürlich war es gut, wenn sie ein richtiges Zuhause hatten, in das sie sich zurückziehen konnten, aber irgendwie passten die Kellys für mich nicht in so ein fast schon mondänes Haus. Für mich waren sie einfach immer noch die bescheidenen und bodenständigen Straßenmusiker, die ich vor zwei Jahren kennengelernt hatte.
Aber im tiefsten Inneren wusste ich, dass es längst nicht mehr so war. Die Kellys hatten sich in den letzten Jahren sehr verändert - auch, weil sie sich jetzt in einem Umfeld bewegten, das sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten legte. Auch wenn ich fand, dass sie nicht in diese Welt passten, hatten sie sich mittlerweile ziemlich gut daran angepasst. Geld spielte keine Rolle mehr für sie und manchmal hatte ich das Gefühl, dass der Erfolg sie irgendwie vergiftet hatte. Es machte mich traurig zu spüren, dass sich die Familie scheinbar immer mehr voneinander entfernte. Früher hatten sie immer fest zusammengehalten und hatten allem gemeinsam getrotzt, aber mir kam es so vor, als würde jeder von ihnen immer mehr seinen eigenen Weg gehen. Zumindest hatte es sich heute so angefühlt, als ich die Kellys auf der Bühne gesehen hatte. Natürlich war es normal, dass jeder der Geschwister mit zunehmendem Alter auch immer mehr seinen Weg außerhalb der Familie und Band suchte - immerhin waren bis auf Maite und Angelo alle mittlerweile erwachsen. Und vielleicht war es auch ihre Art, die Erlebnisse der letzten knapp 18 Monate irgendwie für sich zu verarbeiten. Trotzdem fühlte es sich für mich falsch an, was da gerade passierte, ohne dass ich es wirklich begründen konnte. Ich fragte mich, ob die Kellys es wohl ähnlich empfanden und wie lange sie diese Probleme noch vor der Öffentlichkeit würden verbergen können. Und ich war mir nicht sicher, ob ein riesiges Haus die Probleme nicht eher noch vergrößern statt verkleinern würde. Auch wenn es mich nicht wirklich etwas anging, beschäftigten mich diese Gedanken sehr - vor allem, weil ich es bisher noch nie so stark empfunden hatte wie heute.

Während Paddy im Badezimmer verschwand, um zu duschen, schaute ich mich noch einmal im Zimmer um. Erstaunt stellte ich fest, dass auf dem Tisch am Fenster scheinbar alles für ein romantisches Candlelight - Dinner vorbereitet war. Mehrere silberne Kerzenständer mit weißen Kerzen darin waren ebenso auf dem Tisch zu sehen, wie ordentlich gefaltete Servietten und Besteck für mehrere Gänge. Ich fragte mich kurz, ob wir uns vielleicht im Zimmer geirrt hatten, aber das war unmöglich. Wir waren definitiv im richtigen Stockwerk und ich erkannte das Zimmer von meinem letzten Besuch wieder. Aber was hatte es dann zu bedeuten? Hatten sich vielleicht die Hotelangestellten irgendwie vertan? Oder hatte Paddy eigentlich noch jemand anderes erwartet, auch wenn er mir nichts von einer Freundin erzählt hatte? Ich nahm mir vor, Paddy danach zu fragen, wenn er aus dem Badezimmer kam.

Wenig später kam Paddy frisch geduscht und mit noch feuchten Haaren aus dem Badezimmer. "Oh. You've spoted it already", stellte er lächelnd fest, als er meinen fragenden Blick bemerkte. "First of all I wish you a very happy second anniversary", fuhr er dann fort. "I know it's not cotton candy like last year, but... Well, I thought it would be nice anyway."

Paddy sah mich ein wenig unsicher an und ich musste seine Worte erst einmal sacken lassen. Hatte er tatsächlich zu unserem zweiten Jahrestag, wie wir es nannten, ein Candlelight - Dinner organisiert? Ich war komplett sprachlos, denn damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet - erst recht nicht nachdem Paddy diesen besonderen Tag heute mit keinem Wort erwähnt hatte. Das hatte ich ihm kein bisschen übel genommen. Immerhin hatte er mehr als genug zu tun und außerdem hatte er es - wie eigentlich alle in der Familie - nicht so mit Daten. Und außerdem war es auch kein wirklich wichtiger Tag, sondern eher so etwas wie ein kleiner Spaß unter uns, den wir letztes Jahr erfunden hatten. Es gab ja nicht einmal wirklich ein festes Datum.
Um so überraschender war das, was Paddy sich ausgedacht hatte - und das wohl nur noch schwer zu übertreffen sein würde. Auf so eine Idee wäre Daniele zum Beispiel niemals gekommen - wenn er sich überhaupt an unseren Jahrestag erinnert hätte. In den letzten Jahren war immer ich es gewesen, die davon angefangen hatte - und Danieles Überraschung war ein Strauß Blumen oder eine Schachtel Pralinen gewesen. Jetzt etwas anderes zu erleben, war wunderschön und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich überhaupt nichts vorbereitet hatte. Nicht einmal eine Tafel Schokolade oder eine andere Kleinigkeit hatte ich bei mir - geschweige denn von passenden Klamotten.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt