Kapitel 49

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Die nächsten Wochen schienen sich wie Kaugummi zu ziehen. Die Schule nervte mich nur noch und ich war froh, als endlich die Sommerferien vor der Tür standen. Sechs Wochen Freiheit - und mein Umzug nach Bochum. Ich freute mich schon riesig darauf und auch Gabriel und Francesca freuten sich, dass ich bald bei ihnen wohnen würde. In drei Wochen sollte es endlich so weit sein. Aber bis dahin hatte ich noch ein paar Dinge vor. Ich wollte mit meinen Freunden unbedingt ins Phantasialand in Brühl, wo ich bisher noch nie gewesen war und Claire wollte mit mir auch zum Europapark nach Rust fahren, auch wenn ich ein wenig skeptisch wegen der langen Fahrt dorthin war. Immerhin waren es gut vier Stunden mit dem Auto. Aber Claire schlug vor, einfach in dem Park zu übernachten und den Besuch eventuell mit einem Konzert der Kellys zu verbinden. Das Problem daran war nur, dass die Kellys zwar fast durchgehend Konzerte hatten, aber der Großteil davon war im Ausland oder hoch im Norden und Osten - also unerreichbar. Die einzigen Möglichkeiten waren Zürich und Heilbronn, aber diese Konzerte lagen entweder ganz zu Beginn der Ferien, was ziemlich knapp war oder so ungünstig, dass es sich für mich nicht lohnte, denn Mitte Juli wollte ich auf jeden Fall mal wieder zu Adam und Henry, die ein Konzert in Hagen geben würden - genauer gesagt im Innenhof eines Wasserschlosses im Hagener Vorort Vorhalle. Darauf freute ich mich schon länger und ich hatte mir tatsächlich eine der günstigen Karten gekauft, auch wenn ich es eigentlich vermutlich nicht gemusst hätte. Aber ich wollte die beiden gern unterstützen. Vielleicht erfuhr ich bei der Gelegenheit ja noch von weiteren Konzerten, denn ich wollte Adam ungern anrufen, auch wenn ich seine Telefonnummer hatte. Aber diese Konzerte waren sicher eine gute Ablenkung, wenn ich die Kellys schon nicht sehen konnte und ich mochte Adam und seinen Vater sehr.
Als die Ferien endlich anfingen war ich einfach nur erleichtert. Die erste Woche verbrachte ich einfach nur damit, mich zu entspannen und genoß das gute Wetter. Ich ging mit meinen Freunden schwimmen, fuhr Rad oder lag im Garten und las. Diese Entspannung tat mir gut - auch meiner Psyche. Meine Albträume legten sich langsam und ich reagierte nicht mehr so panisch. Allerdings versuchte auch Daniele wieder Kontakt zu mir aufzunehmen. Er rief immer wieder an oder stand unangemeldet vor der Tür. Jedes Mal schlug ich ihm die Tür vor der Nase zu oder legte einfach auf. Ich wusste, dass es meinen Eltern nur recht gewesen wäre, wenn ich wieder Kontakt zu Daniele gehabt hätte, aber das konnte ich einfach nicht. Dafür war das Erlebnis einfach zu einschneidend gewesen und ich war froh, dass ich mich langsam davon erholte. Ich hatte sogar überlegt, Daniele anzuzeigen, aber meine Mutter hatte mich förmlich darum angebettelt, es nicht zu tun - und auch ich war nicht sicher, ob ich die Belastung eines Prozesses durchstehen würde. Ich redete lange mit meiner Therapeutin darüber, die mir deutlich riet, auf mein Gefühl zu hören und mich nicht unter Druck setzen zu lassen. Sie war auch der Meinung, dass ich Daniele anzeigen sollte, aber sie verstand auch meine schwierige Situation. Ich war einfach nur froh, dass ich bald etliche Kilometer zwischen mich und Daniele bringen würde. Vielleicht würde sich dann eine Lösung finden. Auch mit Paddy redete ich über mein Problem und auch er riet mir, Daniele zumindest mit einer Anzeige zu drohen, um ihm deutlich seine Grenzen zu zeigen. Sogar mit einem der Anwälte der Familie wollte er reden, damit er mich beraten konnte. Am liebsten war ihm natürlich, wenn ich einen endgültigen Schlussstrich unter meine Beziehung ziehen würde, die sich bestimmt nicht bessern würde, aber er wusste auch, dass das nicht so einfach war. Zumal mein Vater immer gereizter wurde und ich immer öfter Tränenspuren im Gesicht meiner Mutter sah, die sie mir gegenüber aber herunterspielte. Ich fühlte mich in einer richtigen Zwickmühle, aus der ich keinen echten Ausweg sah.

Am zweiten Ferienwochende fuhr ich erst einmal nach Hagen, um für ein paar Stunden meine Sorgen zu vergessen. Claire begleitete mich und war gespannt, was sie wohl erwartete, denn bisher kannte sie Adam nicht wirklich. Die Fahrt zu dem Schloss in der Nähe des Harkortsees dauerte nicht sehr lange, auch wenn das letzte Stück des Weges ein wenig kompliziert war, weil ich durch ein Wohngebiet fahren musste und die Beschilderung nicht unbedingt die beste war. Aber schließlich fanden wir unser Ziel und ich hielt auf dem recht kleinen Parkplatz auf dem Schlossgelände. Wir waren recht früh dran, weil ich nicht sicher war, wie es mittlerweile mit dem Fanandrang war. Aber wie bei den anderen Konzerten hielt es sich in Grenzen. Es waren nur wenige Fans da, die entspannt auf der Mauer saßen, die den Weg begrenzte, der in den Schlosshof führte. Die Mädchen unterhielten sich gutgelaunt und schauten nur kurz zu uns herüber. Das war wirklich angenehm und auch Claire war positiv überrascht.
Da wir noch viel Zeit hatten, bis das Konzert am Nachmittag begann, beschlossen wir noch ein wenig spazieren zu gehen. Das Gelände um das Schloss herum bot sich mit den vielen Feldern nahezu perfekt dafür an und außerdem war es ein herrlicher Sommertag. Also schlenderten wir erst einmal ein wenig über die Wege, bis wir schließlich am Wasser landeten. Dort zogen wir unsere Schuhe aus und hielten unsere Füße in das angenehm kühle Wasser, während wir ein paar Segelschiffen zusahen, die lautlos ihre Runden drehten. Am Harkortsee gab es nämlich tatsächlich auch eine Segelschule, was ich bis dahin noch nicht gewusst hatte. Es war interessant, den Schiffen mit den weißen Segeln zuzusehen und ich musste unweigerlich an meine Sommerferien auf der Santa Barbara Anna denken. So einen Urlaub hätte ich gern noch einmal gemacht und ich hoffte, dass ich irgendwann noch einmal die Gelegenheit dazu bekommen würde - spätestens wenn ich die Kellys in Irland besuchte, was ich definitiv vor hatte.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt