Kapitel 50

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Wie ich erwartet hatte, war die Nacht der pure Horror. Die meiste Zeit lag ich wach und wenn ich doch kurz einschlief, hatte ich fürchterliche Träume. Ich war beinahe erleichtert, als es draußen hell wurde und ich aufstehen konnte. In meinem Bett hätte ich es nicht mehr länger ausgehalten. Ich hatte wahnsinnige Magenschmerzen und mir war speiübel. Außerdem hatte ich das Gefühl zu glühen und mir war eiskalt, als hätte ich Schüttelfrost. Kurz überlegte ich, ob ich das Treffen mit Daniele und seinen Eltern besser verschieben sollte, weil ich krank war - aber ich wusste genau, dass das nicht wirklich helfen würde. Ich war nicht krank und meine Symptome waren eine rein psychische Reaktion auf das, was mich erwartete. Das war schon immer so gewesen - wenn mich etwas belastete, reagierte ich auch körperlich darauf. Und bei dem, was heute vor mir lag, war es wohl auch kein Wunder, dass mein Körper rebellierte.
Also quälte ich mich viel zu früh aus dem Bett und schlich förmlich ins Badezimmer. Dort betrachtete ich mich kurz im Spiegel. Ich sah fürchterlich aus. Mein Gesicht war kreidebleich, während sich auf meinen Wangen hektische rote Flecken gebildet hatten, wie ich sie von Fieber kannte und als ich meine Stirn fühlte, war sie tatsächlich glühend heiß - oder meine Hände waren eiskalt. Unter meinen Augen lagen tiefe dunkle Ringe, die vom Schlafmangel der letzten Tage zeugten und Paddys alle Ehre machten. Ich fühlte mich vollkommen ausgelaugt und wollte mich am liebsten irgendwo verstecken. Mein Magen krampfte sich immer wieder schmerzhaft zusammen und in meinen Eingeweiden grummelte es unangenehm. Ich warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Es war gerade einmal kurz nach sieben - noch fünf Stunden bis zum Showdown. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die Zeit überstehen sollte und wünschte mir einfach nur, dass es endlich vorbei war.

Ein erneuter Magenkrampf ließ mich leise aufstöhnen. Es fühlte sich so an, als würde mir jemand meine Innereien bei lebendigem Leib aus dem Körper reißen. So in der Art mussten sich Wehen anfühlen. Ich presste mir die Hand vor den Magen und schloß die Augen. Warum konnte ich nicht jetzt einfach sterben? Es war faszinierend, dass ich mir selbst Schmerzen zufügte, um mich zu spüren und gleichzeitig litt, wenn ich wie jetzt echte Schmerzen hatte. Ich war ganz sicher nicht schmerzempfindlich, aber diese Schmerzen waren kaum auszuhalten.
Ein weiterer Krampf erschütterte meinen Körper und ich schaute zur Toilette. Ich ahnte, was über kurz oder lang passieren würde, wenn die Schmerzen so weitergingen - und entschied, den Prozess zu beschleunigen. Also kniete ich mich vor die Toilette und steckte mir den Finger in den Hals, um mich heftig zu übergeben. Keine besonders angenehme oder kluge Methode, aber ich wusste, dass es ohnehin geschehen würde und hoffte dadurch wenigstens ein klein wenig Erleichterung zu finden.

Leider war es nicht wirklich so. Ich hatte immer noch Schmerzen, wenn auch vielleicht ein wenig schwächer als vorher und jetzt brannte auch noch meine Speiseröhre - ganz abgesehen, von dem unangenehmen Geschmack in meinem Mund. Ich stöhnte leise auf und überlegte, ob es mir wohl helfen würde, mich einfach auf den kalten Fliesen zusammenzurollen und auf die nächste Übelkeitswelle zu warten, die mit Sicherheit kommen würde.

Ein leises Klopfen an der Tür holte mich aus meinen Gedanken. "Ally, Schatz?", hörte ich die besorgte Stimme meiner Mutter. "Ist alles in Ordnung mit dir?"

Ich verzog kurz das Gesicht. Mit mir war gerade rein gar nichts in Ordnung. Aber das wollte ich meiner Mutter nicht unbedingt auf die Nase binden. Ihr ging es selber nicht gut und außerdem spürte ich, dass sie sich tatsächlich seit dem Zwischenfall mit Daniele wirklich Sorgen um mich machte. Immer wieder warf sie mir besorgte Blicke zu und versuchte, mit mir zu reden. Meistens blockte ich ab, weil ich nicht wusste, wie ich meiner Mutter meine Gefühlswelt auch nur ansatzweise erklären sollte, die nicht einmal ich selbst wirklich verstand - und weil ich sie nicht noch mehr belasten wollte. In den letzten Wochen hatte ich meine Mutter mehrmals gehört, wie sie mitten in der Nacht schlaflos durch das Haus gelaufen war und ein Mal hatte ich sie in der Küche sogar leise weinen hören. Aber ich hatte mich nicht getraut, zu ihr zu gehen, weil ich nicht wusste, wie sie darauf reagieren würde. Vermutlich würde sie ohnehin alles herunterspielen oder versuchen, mir irgendeine Geschichte zu erzählen. Musste meine Mutter ausgerechnet jetzt mitbekommen, was mit mir los war? Ich seufzte und schloß dann die Tür auf.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt