Die nächsten Tage schlichen wie in einem grauen Nebel vorbei. Die Routine hatte mich wieder und es regnete dazu auch noch fast in Dauerschleife - teilweise so heftig, dass einige Städte in unserer Nachbarschaft fast im Wasser ertranken. Selbst meine Urlaubsbräune schien mit jedem Tag mehr zu verblassen und ich schlich förmlich wie ein Zombie durch das Haus. Es war verrückt, aber ich wünschte mir sogar fast, wieder in die Schule zu müssen, anstatt den ganzen Tag nur Zuhause zu sitzen und dem Regen zuzuschauen. Dann hätte ich wenigstens etwas zu tun, denn das Wetter war sogar zu schlecht, um etwas mit meinen Freunden zu unternehmen. Mein einziges Highlight am Tag waren die Telefonate mit Paddy, den ich jeden Tag mehr vermisste, weil unsere Verbindung in den letzten Wochen nur noch enger geworden war.
An Daniele dachte ich dagegen überhaupt nicht und er war einer der wenigen Gründe, warum es mir vor der Schule graute, denn dann musste ich mich wohl oder übel mit ihm auseinandersetzen. Noch immer hatte ich keine Entscheidung getroffen, wie ich mit ihm umgehen wollte und hatte entschieden, das erst festzulegen, wenn ich vor ihm stand. Bis dahin existierte er einfach nicht mehr für mich. Ich war froh, dass er sich nicht bei mir meldete - auch, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich dann reagieren würde. Würde ich einfach auflegen oder ihm noch eine Chance geben? Oder würde ich ihn anschreien? Meine Eltern schienen sich nicht einmal darüber zu wundern, dass ich weder über Daniele sprach noch Kontakt mit ihm hatte. Vielleicht vermuteten sie ihn ja im Urlaub und dachten, ich würde ihn so sehr vermissen, dass es mir weh tat, ihn zu erwähnen. Wenn sie wüssten... Auch Gabriel sagte nichts weiter dazu. Ich vermutete, dass sich Daniele einfach zu sehr schämte, um mich anzurufen - auch wenn das nicht zu ihm passte. Vielleicht war er auch kurzentschlossen doch nach Italien gefahren oder ging davon aus, dass ich noch bei den Kellys war. Oder er war irgendwo anders hingefahren. Was auch immer der Grund war - ich war froh darüber und vermisste auch nichts.Aber endlich waren die grauen Tage vorbei und ich wollte zum Videodreh nach Essen fahren - zum ersten Mal ganz allein. Ich war wirklich aufgeregt wie ein kleines Kind. Gabriel hatte eigentlich mitfahren wollen, aber im letzten Augenblick hatte er entschieden, dass er noch ein paar Tage mit Francesca verbringen wollte, bevor es in den Familienurlaub und danach zum Bund gehen würde. Ich konnte ihn verstehen, auch wenn ich ein wenig traurig war. Aber ich freute mich auch, allein nach Essen zu fahren, das ein ganzes Stück von meiner Heimatstadt entfernt lag - nicht zu weit, als dass ich es mir nicht zutraute, aber weit genug, dass meine Eltern sogar kurz überlegten, mir die Reise zu verbieten. Aber Gabriel und ich überzeugten sie am Ende, dass ich durchaus alt genug war, die Fahrt allein zu schaffen. Immerhin war ich kein kleines Kind mehr und auch das Umsteigen war kein größeres Problem, auch wenn es mich etwas nervös machte. Aber ich hatte genug Zeit. Meine einzige Sorge war, dass ich den richtigen Bahnhof verpasste, weil ich die Durchsage nicht mitbekam. Aber auch das würde ich schon schaffen. Spätestens bei der Einfahrt in den Bahnhof würde ich es bemerken.
Dann war es endlich so weit. Ich freute mich so sehr, dass ich viel zu früh wach war. Nur noch wenige Stunden, bis ich Paddy wenigstens für einen Tag und eine Nacht wiedersehen würde. Meine Eltern wollten mich am nächsten Tag gegen Mittag aus Köln abholen, wo ich zum ersten Mal auf dem Hausboot der Kellys übernachten und den Vater der Kellys kennenlernen würde. Das war noch ein Grund, warum ich ziemlich aufgeregt war. Ich hatte keine Ahnung, wie Dan auf mich reagieren würde, den ich bisher nur aus Erzählungen kannte. Paddy hatte seinen Vater als ziemlich streng, aber auch liebevoll beschrieben. Ich war wirklich gespannt. Meine Mutter ermahnte mich noch einmal, gut auf mich aufzupassen und mich bloß zu benehmen. Ich verdrehte nur die Augen. Als wäre ich nicht sechzehn, sondern acht. Aber so waren meine Eltern eben. Gutgelaunt stieg ich in den Bus, der mich zum Bahnhof bringen würde. Ich hatte ausdrücklich darauf verzichtet, dass meine Mutter mich zum Bahnhof brachte. Auf eine peinliche Abschiedsszene mit weiteren Ermahnungen und eventuellen Tränen konnte ich verzichten. Ich ging schließlich nicht auf Weltreise oder zog in eine andere Stadt, sondern verbrachte nur anderthalb Tage mit meinem besten Freund. Aber meine Mutter flippte auch fast aus, wenn ich auf Klassenfahrt fuhr. Sie war wohl die einzige Mutter, die noch immer heulte, wenn ihre fast erwachsene Tochter für ein paar Tage wegfuhr - und das auch noch unter Aufsicht. Ich fragte mich ehrlich, wie sie die letzten drei Wochen überstanden hatte, wenn sie immer so einen Aufstand machte. Aber da war immerhin Gabriel bei mir gewesen.
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The Rollercoaster Called Life...
FanfictionEine Geschichte über die Achterbahn des Lebens - voller Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen. Und eine Geschichte über eine ganz besondere Verbindung, die viel mehr ist als Freundschaft und Liebe. Eine Geschichte über Seelenverwandtschaft, die gleich...