Die Tage bis Silvester schienen sich schier endlos zu ziehen. Obwohl gerade einmal eine Woche seit Weihnachten vergangen war, fühlte es sich an wie eine halbe Ewigkeit. Ich zählte schon fast die Stunden. Eigentlich hatte ich schon zwei Tage vor Silvester bei den Kellys sein wollen, weil sie drei Tage hintereinander in derselben Stadt auftraten und natürlich waren alle drei Konzerte restlos ausverkauft. Konzerttickets zu bekommen schien tatsächlich zu einer Art Glücksspiel geworden zu sein. Leider erlaubte mein Vater mir nicht, die anderen zwei Tage bei den Kellys zu verbringen, auch wenn ich ihn immer wieder inständig darum bat. Aber er war der Meinung, dass ich ohnehin schon viel zu viel Zeit mit den Kellys verbringen würde und das jetzt langsam ein Ende haben müsse. Ich sollte mich lieber auf die Schule und auf meinen Freund konzentrieren. Als hätte ich das nicht ohnehin die meiste Zeit des Jahres getan. Aber mein Vater blieb unerbittlich. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Daniele sich bei meinem Vater beschwert hatte, dass ich zu oft bei Paddy war und es außerdem eine Art Rache für Weihnachten war. Immerhin weigerte ich mich standhaft, Victoria mit zu einem Konzert zu nehmen. Erstens wollte ich das den Kellys - vor allem Paddy - nicht antun und außerdem war es mir unangenehm zu betteln. Gut, ich hatte auch gefragt, ob Alina irgendwann mit auf ein Konzert durfte, aber das war für mich etwas anderes. Es hatte sich irgendwie ergeben, weil Paddy mich gefragt hatte, ob ich nicht mal eine Freundin mitbringen wollte. Aber ich hätte nie absichtlich nachgefragt. Außerdem stand bisher noch nicht einmal ein Termin für ein Konzert in Hamburg oder der näheren Umgebung fest, zu dem ich hätte fahren können.
Aber endlich war der Silvestermorgen gekommen und ich packte rasch ein paar Sachen zusammen. Nachdem sie in den letzten Tagen durchgehend Konzerte gehabt hatten, hatten die Kellys morgen einen Tag frei, bevor es danach wieder fast zwei Wochen durchgehend Konzerte geben würde. Das Pensum war wirklich Wahnsinn, auch wenn die Kellys das natürlich gewöhnt waren. Auch die letzten Jahre hatten sie fast täglich auf der Bühne gestanden und statt wie jetzt einem sogar drei Konzerte am Tag gegeben. Aber irgendwie war das trotzdem anders, auch wenn ich nicht wirklich sagen konnte warum. Vielleicht lag es daran, dass die Konzerte viel größer waren und dass auch Konzerte im Ausland geplant waren, sodass die Kellys viel mehr und vor allem weiter reisen mussten. Und statt wie sonst auch mal mehrere Tage an einem Ort zu sein, reisten sie nächstes Jahr praktisch jeden Tag woanders hin. Ich kannte den Plan der Kellys nicht so genau, aber ich wusste, dass alles sehr eng getaktet war - ohne viele Erholungspausen. Dazu kamen Fernsehauftritte, erste Preisverleihungen und all die Dinge, die hinter den Kulissen geschahen wie Businessmeetings, Fotosessions oder Videodrehs. Das nächste Jahr würde also ziemlich voll sein, auch wenn bisher gerade einmal die ersten drei oder vier Monate fest geplant waren. Ich war gespannt, wie lange die Kellys es noch schaffen würden, wie bisher die Konzerte selbst zu organisieren. Patricia hatte es vermutlich mit am Schwierigsten, denn sie war auch noch für die PR zuständig und würde an den freien Tagen trotz allem viel reisen müssen - und das trotz ihrer gesundheitlichen Probleme, die endlich einen Namen hatten. Die Arme hatte eine unentdeckte Hirnhautentzündung verschleppt und litt an manchen Tagen unter fast unerträglichen Rückenschmerzen. Es war purer Zufall, dass die Ärzte das herausgefunden hatten, obwohl Patricia zahllose Spezialisten aufgesucht hatte -.bisher ohne Erfolg. Jetzt wussten die Ärzte zwar woran sie litt, aber wirklich helfen konnte ihr bisher niemand. Sie tat mir wahnsinnig leid, auch weil sie an manchen Tagen nicht einmal aufstehen konnte, wenn die Schmerzen zu stark waren.Nachdem ich meine Sachen gepackt hatte, verabschiedete ich mich von meinen Eltern und machte mich mit dem Zug auf den Weg. Ich freute mich darauf, wieder einmal allein unterwegs zu sein, denn mir machte Zugfahren wirklich Spaß. Meine Mutter machte sich natürlich wieder einmal Sorgen, dass ich allein fuhr, aber ich versprach ihr, mich sofort zu melden, wenn ich die Kellys erreicht hatte. Ich hatte mir für die Fahrt ein Buch mitgenommen, in das ich mich direkt vertiefte. Dazu hörte ich natürlich meine Lieblingsbands und trank einen Cappuccino. Immer wieder schaute ich aus dem Fenster und betrachtete die verschneite Winterlandschaft. Ich liebte den Winter, in dem alles irgendwie wie verzaubert aus. Die Sonne schien und ließ den Schnee wie tausende kleine Diamanten glitzern. Konnte es etwas Schöneres geben, als einen klaren Wintertag? Ich freute mich schon riesig auf den Tag mit den Kellys und im Laufe des Tages wollte auch Gabriel auftauchen, den ich seit Weihnachten nicht mehr gesehen hatte. Das war zwar nicht lange, aber ich vermisste meinen Bruder immer wenn ich ihn nicht sah und ich hatte mich noch nicht daran gewöhnt, dass er nie wieder bei uns wohnen würde. Irgendwie fehlte einfach immer etwas.
Die Fahrt war wirklich angenehm und ich musste erneut nur ein einziges Mal umsteigen, was genau wie beim letzten Mal problemlos klappte. Jetzt waren es nur noch wenige Minuten, bis ich endlich an meinem Zielort ankam und meine Vorfreude wuchs immer mehr. Ich schaute auf meine Uhr und fragte mich amüsiert, ob die Kellys wohl um diese Uhrzeit überhaupt schon wach waren. Immerhin war es noch nicht einmal Mittag und die meisten Geschwister waren begeisterte Langschläfer. Aber irgendwie würde ich sie schon aus den Federn bekommen - vor allem, wenn mir Tarzan dabei half, einer der Hauptsecuritys der Kellys. Seit dem Zwischenfall in Bochum war er praktisch rund um die Uhr bei der Familie und ich mochte ihn ziemlich gern. Er konnte zwar laut werden, wenn die Fans über die Strenge schlugen, aber ansonsten war er ein wirklich netter, humorvoller Typ, mit dem ich mich schon ein paar Mal unterhalten hatte. Endlich setzte sich der Zug in Bewegung und ich wollte mich gerade wieder in mein Buch vertiefen, um den letzten Rest der Strecke zu vertreiben, als ich etwas bemerkte. Auf den Plätzen neben mir saßen zwei Mädchen, die immer wieder zu mir herüberschauten und miteinander tuschelten. Ich runzelte kurz die Stirn und fragte mich, was das wohl zu bedeuten hatte. Die beiden waren etwa in meinem Alter, hatten lange Haare und trugen trotz des Wetters lange Röcke. Vage kam mir der Gedanke, dass die beiden wohl Kelly - Fans waren und denselben Weg wie ich hatten. Warum auch nicht? Ich lächelte den beiden kurz zu und wollte endlich mit Lesen anfangen, als eines der Mädchen sich offenbar ein Herz fasste und auf mich zukam.
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The Rollercoaster Called Life...
FanficEine Geschichte über die Achterbahn des Lebens - voller Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen. Und eine Geschichte über eine ganz besondere Verbindung, die viel mehr ist als Freundschaft und Liebe. Eine Geschichte über Seelenverwandtschaft, die gleich...