Kapitel 20

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Am nächsten Morgen wachte ich ziemlich verwirrt und gerädert von diesem Albtraum auf. Es hatte sich so verdammt real angefühlt und meine Wangen fühlten sich tatsächlich feucht an, weil ich offenbar im Traum geweint hatte. Zum Glück hatte ich wenigstens scheinbar nicht Paddys Namen im Schlaf gesagt, denn als Daniele mich beim Frühstück auf meinen Traum ansprach, reichte ihm als Erklärung, dass ich mich nicht mehr erinnern könne. Das war zwar eine Lüge, weil ich mich an jedes einzelne Detail meines Traums erinnern konnte, aber ich konnte meinem Freund wohl kaum erzählen, dass ich von Paddy geträumt hatte.
Müde rührte ich in meinem Kaffee herum, während Gabriel bereits fleißig Pläne für den Tag schmiedete. Er wollte den Boden im Schlafzimmer verlegen, damit der Raum fertig wurde und vielleicht noch einen Schrank aufbauen. Mein Bruder war einer dieser Menschen, die direkt nach dem Aufstehen wach waren und beinahe ohne Luft zu holen reden konnten. Ein bisschen beneidete ich ihn um diese Fähigkeit, aber meistens nervte es mich, wenn Gabriel so viel am Frühstückstisch redete. Daniele war genau so. Francesca, die eher wie ich tickte, warf mir einen genervten Blick zu und schien zu überlegen, wo sie meinen Bruder vergraben konnte, damit er nie gefunden wurde. Ich grinste bei Francescas Blick kurz und stellte mir kurz vor, wie Paddy wohl reagieren würde, wenn ich so wäre wie mein Bruder. Vermutlich hätte er mich dann auch erwürgt. Es reichte ihm schon, dass einige seiner Geschwister wie Angelo, Maite und Kathy am Morgen unglaublich viel redeten. Er war noch weniger ansprechbar als ich, wenn er aus dem Bett kam und war deswegen auch oft vor seiner Familie geflüchtet. Ich verstand ihn nur zu gut und wir hatten oft morgens schweigend nebeneinander draußen oder an Deck gefrühstückt, bis wir irgendwann bereit zum Reden waren. Das war eine Art ungeschriebenes Gesetz zwischen uns und hatte für viel Erheiterung beim Rest der Familie gesorgt.

Obwohl irgendjemand bereits frische Brötchen besorgt hatte und es leckeren Belag gab, bekam ich nichts runter. Ich war ohnehin kein großer Frühstückstyp und aß nur, weil mein Vater darauf bestand, aber dieses Mal hing mir noch der Traum nach. Ob er wohl etwas zu bedeuten hatte? Ich schob den unbeunruhigenden Gedanken schnell so weit es ging beiseite. Es war wohl besser, nicht zu viel darüber nachzudenken und irgendetwas hineinzuinterpretieren. Vermutlich war der Traum einfach nur entstanden, weil ich gestern so viel über Paddy gegrübelt hatte.
Nach dem Frühstück half ich Francesca noch ein wenig beim Aufräumen, während die Jungs schon einmal die Packungen mit dem hellen Parkettboden aus dem Keller nach oben schleppten. Gegen zehn Uhr fuhr mich Gabriel dann zum Konzertplatz. Ich traute meinen Augen kaum, als ich sah, was da los war. Im Gegensatz zu gestern war es heute morgen schon mindestens doppelt so voll - Tendenz steigend, denn noch während wir einen Parkplatz suchten, kam noch ein weiterer Schwung Fans an. Auch am Backstagebereich war bereits die Hölle los. Gabriel schüttelte nur den Kopf und ich konnte ihm nur zustimmen. Das war der absolute Wahnsinn und ich hatte ein komisches Gefühl im Bauch.

Ich verabschiedete mich von meinem Bruder, der sofort wieder weiter musste und ging ein wenig nervös auf die Mädchen zu, die am Backstagebereich warteten. Thomas lief mit seiner Kamera draußen herum und winkte mir zu, als er mich sah. Irgendjemand aus der Familie hatte offenbar bereits ein paar Sicherheitsleute gerufen, weil die Situation bereits ein wenig brenzlig war. Zumindest sah ich zum ersten Mal ein paar ziemlich schlecht gelaunte Männer in Westen mit der Aufschrift Security am Backstagebereich und am Eingang des Zeltes herumlaufen. Das war irgendwie gruselig und ich musste schlucken. Ich war nicht sicher, ob diese grimmigen Männer mich überhaupt vorbei lassen würden und fragte mich, was ich dann tun sollte. Tatsächlich überlegte ich, ob ich besser gehen oder warten sollte, bis sich irgendjemand von den Kellys blicken ließ - allerdings konnte das noch eine Weile dauern. Wenn sie sich bei dem Trubel hier draußen überhaupt blicken ließen.
Der Security musterte mich tatsächlich ziemlich unfreundlich und es sah nicht so aus, als würde er mich zum Bus lassen. Ich wollte schon unverrichteter Dinge den Rückzug antreten, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mir glauben würde, dass ich eine Freundin der Kellys war und ich wollte nicht vor den Fans diskutieren - was vermutlich ohnehin sinnlos war. Aber zu meinem Glück hatte mich Thomas bereits entdeckt und erklärte dem Security, dass es okay war, wenn er mich durch ließ. Auch John tauchte jetzt auf und bestätigte Thomas Aussage. Ich konnte also durch den Zaun schlüpfen, auch wenn es mir ein wenig unangenehm war, so viel Aufmerksamkeit erregt zu haben. Natürlich wurde ich wieder einmal genau in Augenschein genommen und ich hörte deutliches Getuschel hinter mir. Ich bereute, nicht mit Daniele hergekommen zu sein, aber er war ja beschäftigt. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass ich auch wieder fotografiert wurde, als John mich zur Begrüßung wie immer umarmte.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt