Kapitel 17

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Irgendwie hatte ich es tatsächlich auf das Schiff geschafft - ohne dabei von hunderten Kameras fotografiert zu werden. Tatsächlich schliefen einige der Fans schon oder bekamen von unserer Ankunft nichts mit und die anderen merkten wohl, dass das nicht der richtige Augenblick für Fotos war. Dieses Mal hatte mir Joey auf das Boot geholfen - mit Unterstützung von Gabriel, weil ich einfach zu müde war, um es allein zu schaffen. Paddy führte mich unter Deck, wo die anderen schon versammelt waren. Fast alle warfen mir erschrockene und besorgte Blicke zu - sogar Jimmy, der gerade ein Bier trank, waren bei meinem Anblick die blöden Sprüche vergangen. Er sah fragend zu Joey, der nur die Schultern hob. Ich hatte immer noch nicht erzählt, was geschehen war und ich war nicht sicher, ob ich das jemals konnte. Es war seltsam, aber ich schämte mich dafür, auch wenn ich nichts dafür konnte und irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen, Daniele zu verraten - egal, was er getan hatte. Aber auf der anderen Seite hatte ich das Gefühl, zu platzen und es unbedingt jemandem erzählen zu müssen - wenn ich mich geduscht und umgezogen hatte vielleicht.

"Setz dich erst mal", schlug Paddy sanft vor. "Oder möchtest du erst einmal alleine sein?"

"Ich... Ich möchte mich duschen", erklärte ich leise. "Und mich umziehen."

Paddy sah mich ein wenig skeptisch an und auch Joey runzelte die Stirn. "Ich weiß nicht, Ally", sagte Joey vorsichtig. "Vielleicht sollten wir besser erst die Polizei rufen, bevor du duschen gehst. Nur zur Sicherheit. Wenn ich ehrlich bin, sieht es so aus, als wärst du..."

Joey sprach es nicht aus, aber ich wusste sofort, wovon er redete und schüttelte den Kopf. Das bezog sich sowohl auf die Polizei als auch auf die Vergewaltigung. Immerhin hatte Daniele sein Werk nicht vollenden können und die Polizei würde keine Spuren finden. Außerdem wollte ich der Polizei nicht von meinem Erlebnis erzählen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie mir glauben würden und selbst wenn gab es ja auch noch Daniele, der sicher alles abstreiten würde. Sein Wort stand gegen meins und da es keine wirklichen Beweise gab, konnte er alles Mögliche behaupten.
Von meinem Vater wusste ich, dass gerade solche Aussage - gegen - Aussage - Fälle nicht immer positiv für das vermeidliche Opfer ausgingen - und Daniele war ziemlich gut darin, andere Menschen um den Finger zu wickeln. Abgesehen davon hatte ich auch Angst vor den möglichen Konsequenzen. Wenn Daniele tatsächlich im Gefängnis landete, würde nicht nur meine Familie entsetzt sein - seine Familie würde mich hassen. Und wenn er nicht bestraft wurde... Dann würde ich den Rest meines Lebens von meinen Eltern verachtet werden, weil ich mir nur etwas ausgedacht hatte - und auch Danieles Eltern würden mich verabscheuen. Wie ich es auch drehte und wendete - für mich würde es auf keinen Fall gut ausgehen. Vielleicht würde man auch in beiden Fällen mir die Schuld an allem geben. Nein, darauf konnte ich gut verzichten.

Da ich keine Polizei wollte, holte ich mir schließlich frische Klamotten und Paddy zeigte mir die Dusche, die sich in einem Extraraum befand. Ich konnte in seinen Augen sehen, dass er sich große Sorgen machte und nur zu gerne wissen wollte, was mir zugestoßen war. Es schien ihm nicht zu gefallen, dass ich keine Polizei wollte und ich vermutete, dass zumindest Paddy längst eine gute Ahnung von den Geschehnissen hatte. Immerhin hatte er selbst gesehen, dass Daniele schon einmal grob mir gegenüber geworden war und er hatte ganz sicher den Abdruck bemerkt, den Daniele auf meiner Haut hinterlassen hatte. Er war mittlerweile zwar schon etwas verblasst, aber ich war sicher, dass er Paddys aufmerksamen Blick nicht entgangen war.
Nachdem er sicher war, dass ich alles hatte, was ich brauchte, verließ Paddy das Zimmer wieder und ließ mich allein. Ich schloss die Tür hinter mir ab und stellte schon einmal das Wasser an, während ich aus meinen Klamotten schlüpfte. Angeekelt warf ich sie in die Ecke und nahm mir fest vor, sie nach dem Duschen in den Müll zu werfen. Während ich in Richtung Dusche ging, fiel mein Blick auf eine kleine Schachtel mit Rasierklingen, die wohl einem der älteren Jungs gehörten. Ich hatte schon länger nicht mehr daran gedacht und auch nicht das Bedürfnis danach verspürt, aber in diesem Augenblick... Kurzentschlossen nahm ich einfach eine der Klingen aus der Packung. Wahrscheinlich würde das nicht einmal auffallen. Mit der Klinge in der Hand ging ich unter die Dusche und musste mich tatsächlich beherrschen, sie mir nicht sofort in die Handinnenfläche zu drücken. Der Gedanke daran, mein Blut wieder fließen zu sehen, hatte nach meinem Erlebnis heute etwas unglaublich Verlockendes. Ich wollte einfach wieder etwas spüren und nicht nur diese entsetzliche Leere, die Danieles Verhalten in mir hinterlassen hatte.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt