In den nächsten Monaten sah ich die Kellys praktisch gar nicht, weil sie ziemlich weit entfernt unterwegs waren und auch die ersten Konzerte im Ausland hatten. Den größten Teil der Zeit sah ich sie nur im TV. Paddy hatte mich zwar zur BRAVO Supershow eingeladen, wo auch Take That auftraten, aber ausgerechnet an diesem Tag schrieb ich eine nervige Klausur. Außerdem war mein Vater ohnehin der Meinung, dass ich meinen Fokus wieder mehr auf die Schule legen sollte, auch wenn meine Noten unverändert gut waren. Aber in zwei Jahren wollte ich Abitur machen und auch wenn es noch eine Weile hin war, wollte ich auch selbst den Anschluss nicht verlieren. Also telefonierte ich hauptsächlich mit Paddy, den ich sehr vermisste, aber keiner von uns sprach das vergangene Silvester an. Irgendwie war das wie ein ungeschriebenes Gesetz zwischen uns. Mit Daniele war es ebenfalls ein Auf und Ab. Mal waren wir zusammen, mal nicht. Eine typische On - Off - Beziehung wie es so schön hieß. Wenn ich ehrlich war, fühlte ich mich sogar ein wenig erleichtert, wenn ich wieder einmal für kurze Zeit von meinem Freund getrennt war.
Daniele schien zu spüren, dass irgendetwas mit mir passiert war und reagierte immer eifersüchtiger. Wenn es ein Junge wagte, mich in seiner Gegenwart auch nur ein bisschen zu lange für seinen Geschmack anzusehen, wurde Daniele richtig aggressiv. Manchmal ging er dann auf den Jungen los und sagte ihm mehr als deutlich die Meinung. Mich zerrte er dann förmlich weiter und machte mir eine Szene. Ich hatte teilweise wirklich Angst vor meinem Freund, den ich manchmal gar nicht wiedererkannte und ich wusste nicht mehr, wie ich mich richtig verhalten sollte. Das Problem war, dass ich für eine dauerhafte Trennung einfach nicht die Kraft hatte, weil sowohl Daniele als auch mein Vater mich immer wieder unter Druck setzten. Mein Vater war froh, dass ich nicht mehr so viel Zeit mit Paddy verbrachte und drängte mich förmlich immer wieder zu Daniele. Ich hatte immer noch nichts von unserer schwierigen Beziehung erzählt, aber mein Vater merkte natürlich, dass ich nicht mehr so viel Zeit wie vorher mit meinem Freund verbrachte. Immer wieder redete mir mein Vater ins Gewissen und erinnerte mich daran, was für ein guter Junge Daniele doch war. Natürlich hätte ich meinem Vater alles erzählen können, aber ich blieb stumm. Er hätte mir vermutlich ohnehin nicht geglaubt. Stattdessen litt ich im Stillen. Ich fiel wieder in alte Verhaltensmuster zurück und ritzte mich quasi regelmäßig. Der Druck, der auf mir lastete, war einfach zu viel, weil jeder etwas anderes von mir erwartete. Ich sollte in der Schule glänzen und die perfekte Freundin sein. Immer wieder sehnte ich mich nach Paddy und nachts lag ich oft mit Mister Paw im Arm weinend im Bett. Zum ersten Mal in meinem Leben nahm ich sogar ab, weil ich einfach nichts mehr herunterbekam. Mir ging es wirklich schlecht. Mein Vater war davon genervt und gab den Kellys die Schuld, während meine Mutter sich wie so oft Sorgen machte. Sie spürte, dass etwas mit mir los war und versuchte mit mir zu reden, aber ich blockte ab. Selbst meinem Bruder vertraute ich mich nicht an. Ich wollte niemanden belasten und versuchte irgendwie klar zu kommen. Nur die vielen Telefonate mit Paddy halfen mir irgendwie diese Zeit zu überstehen. Obwohl er selbst genug um die Ohren hatte, nahm er sich immer wieder Zeit und hörte mir einfach zu. Seine Stimme zu hören tröstete mich und für kurze Zeit fühlte ich mich dann besser. Ohne Paddy wäre ich vermutlich in einer Psychatrie gelandet. Er war mein Halt und ich war froh, dass es jemanden gab, mit dem ich über alles reden konnte. Selbst Claire erzählte ich nur Bruchstücke, obwohl sie meine engste Freundin war.Anfang Mai war dann mein Geburtstag und ich würde Paddy nach vielen Wochen endlich wiedersehen. Ich war fast durchgedreht vor Freude, als er mir erzählte, dass sie auf meinem Geburtstag nicht all zu weit entfernt auftreten würden und ich setzte alles in Bewegung, wenigstens an diesem Tag bei den Kellys sein zu können. Eigentlich traten sie vier Tage hintereinander in der restlos ausverkauften Westfalenhalle in Dortmund auf und ich wäre zu gern an allen vier Tagen dabei gewesen oder zumindest das komplette Wochenende, aber das erlaubte mein Vater nicht. Es war ihm schon nicht recht, dass ich meinen Geburtstag nicht wie sonst mit der Familie feierte. Das ist ein Familientag, argumentierte er. Den verbringt man Zuhause. Wider Erwarten setzte sich meine Mutter für mich ein, dass ich zumindest diesen Tag mit meinen besten Freunden verbringen durfte, denn sie spürte, dass ich das dringend brauchte. Wir können den Geburtstag ja nachfeiern, erklärte sie. So schlimm ist das nicht. Widerwillig gab mein Vater nach, bestand aber darauf, dass ich Victoria mitnahm. Ich war so erschöpft von den Diskussionen, dass mir wirklich alles recht war, wenn ich nur Paddy sehen konnte. Also fragte ich ein wenig widerstrebend nach und Paddy war sofort einverstanden. Ihm schien es ähnlich zu gehen wie mir - Hauptsache wir konnten uns endlich wiedersehen.
Eigentlich sollte nach dem Willen meines Vaters auch Daniele mitkommen, aber da legte ich sofort ein Veto ein. Ich hatte an meinem Geburtstag weder Lust noch Kraft, mich mit Danieles Eifersucht auseinanderzusetzen. Also erklärte ich, dass es weder mir noch Paddy passte, wenn mein Freund dabei war, weil die beiden sich nicht ausstehen konnte. Ich stritt mit meinem Vater, der natürlich auf Danieles Seite war. Wenn man mit jemandem zusammen war, musste man auch den Geburtstag gemeinsam verbringen. Außerdem wäre mein Freund wohl wichtiger als Paddy und ob ich etwas vor Daniele zu verbergen hätte. So und so ähnlich ging es fast tagelang, bis meine Mutter erklärte, dass schließlich auch Paddy ein Wort mitzureden hätte und Daniele ja auch am Wochenende darauf mit uns feiern konnte. Es war wirklich zermürbend, aber am Ende gab mein Vater endlich nach. Daniele war natürlich absolut nicht glücklich darüber, dass ich meinen Geburtstag mit meinem besten Freund anstatt mit ihm verbringen wollte und machte mir eine riesige Szene, die darin endete, dass ich wieder einmal blaue Flecke an den Handgelenken hatte. Mittlerweile war ich beinahe daran gewöhnt und fast abgestumpft dagegen. Zum Glück hatte Daniele wenigstens noch nicht die Kette entdeckt, denn dann wäre er wohl komplett ausgerastet. In seiner Gegenwart trug ich brav die Kette, die er mir zu Weihnachten geschenkt hatte und die sonst immer in der Schachtel lag. Das war anstrengend, aber ich hatte keine andere Wahl.
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The Rollercoaster Called Life...
FanfictionEine Geschichte über die Achterbahn des Lebens - voller Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen. Und eine Geschichte über eine ganz besondere Verbindung, die viel mehr ist als Freundschaft und Liebe. Eine Geschichte über Seelenverwandtschaft, die gleich...