Kapitel 69

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Die nächsten Tage und Wochen flogen förmlich nur so vorbei ohne dass ich es wirklich bemerkte. Auch wenn ich eigentlich nichts zu tun hatte, war gleichzeitig wahnsinnig viel zu tun. Die Abifeier wollte organisiert werden, ich brauchte ein neues Kleid, weil das ursprünglich gedachte nicht mehr passte und außerdem war da noch meine neue Wohnung. Sie war wirklich sehr schön und lag nicht weit von der Kölner Innenstadt entfernt. Zur Zeit wurde sie noch renoviert, sodass ich nur einmal kurz hineinkonnte, weil mein Vater sich den Schlüssel quasi nur für einen Tag ausgeliehen hatte. Die Wohnung lag im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses und war recht klein, aber sehr gemütlich. Für mich war sie auf jeden Fall ausreichend. Sogar einen Balkon besaß sie und mit der U - Bahn war ich innerhalb kurzer Zeit sowohl in der Innenstadt als auch an der Uni. Kurzum - sie war perfekt. In dem Haus wohnten zum größten Teil nur junge Leute in meinem Alter - hauptsächlich Studenten, aber auch die eine oder andere junge Familie. Das gefiel mir ziemlich gut, auch wenn ich vermutlich nicht viel Kontakt zu meinen Nachbarn haben würde - der Nachteil einer Großstadt und etwas, was mir ein wenig Sorgen bereitete.
Ich war nicht unbedingt der Mensch, der schnell neue Kontakte schloß und ich hatte Angst, dass ich mutterseelenallein in Köln festsitzen würde. Natürlich konnte ich mir irgendeinen Verein oder Ähnliches suchen, um dort Leute kennenzulernen und auch in der Uni würden sich sicher schnell neue Kontakte ergeben - zumindest wenn man nicht so schüchtern war wie ich. Ich sah mich schon ganz allein und verloren auf dem Campus sitzen, aber Gabriel machte mir Mut. Er versicherte mir, dass es sich quasi von selbst ergeben würde, mit dem einen oder anderen ins Gespräch zu kommen - sei es in der Mensa oder bei irgendwelchen gemeinsamen Projekten und Lerngruppen. Und er war der Meinung, dass es mein Selbstbewusstsein nur steigern würde, wenn ich auf mich gestellt war. Immerhin hatte ich bei den Kellys schon eine Menge gelernt und war längst nicht mehr so schüchtern, wie ich es einmal gewesen war. Wenn der schwierige erste Schritt - von welcher Seite auch immer - getan war, fiel es mir mittlerweile schon viel leichter, mich mit Fremden zu unterhalten. Auch meine Therapeutin unterstützte meinen Umzug und bot mir an, in der ersten Zeit die Therapiestunden wie zu Beginn auf zwei oder drei Mal in der Woche hoch zu setzen, wenn ich das Gefühl hatte, ihre Hilfe zu brauchen. Das gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Außerdem war ich mit meinem Auto unabhängig und konnte jederzeit zu meinen Eltern oder meinem Bruder fahren. Selbstverständlich wollte auch Adam so oft wie möglich vorbeikommen oder ich konnte zu ihm fahren. Das alles machte mir Mut, es doch irgendwie zu schaffen. Auch wenn es sich so anfühlte, dass ich allein war, war ich es nicht.
Neben dem ganzen organisatorischen Kram für die Party kam jetzt also noch dazu, dass ich mich nach Sachen für meine Wohnung umschauen musste, denn ich brauchte quasi alles - von Kleinigkeiten wie Handtüchern über einen Fernseher bis hin zu großen Anschaffungen wie Möbeln. Und natürlich wollte ich auch streichen. Ich war also in der nächsten Zeit gefühlt in jedem Einrichtungshaus und Baumarkt, den es in der Umgebung gab, um alles auszuwählen. Vor allem die Möbel und auch die Küche hatten eine Lieferzeit von mehreren Wochen, sodass es klug war, so etwas bereits im voraus zu bestellen - oder sich zumindest schon einmal etwas auszusuchen. Es machte mir riesigen Spaß, mich umzusehen und auszuwählen, was mir - und nur mir - gefiel. Meine Wohnung würde wohl ein richtiger Mädchentraum in Rosa und weiß werden. Bei meinen Eltern und auch bei Gabriel stapelten sich bereits zahllose kleinere und größere Dinge wie Bettwäsche, Handtücher und was man sonst so brauchte. Auch Geschirr besaß ich schon. Je mehr dieser Dinge sich ansammelten, desto mehr freute ich mich auf mein neues, vollkommen selbstbestimmtes Leben, auch wenn mir der Trubel bei Gabriel und Francesca sicher fehlen würden. Bei den beiden waren oft Freunde zu Besuch und selbst wenn nicht, war ich nie wirklich allein, weil immer jemand zum Reden da war. Vielleicht wäre es für den Anfang besser gewesen, erst einmal in ein WG - Zimmer zu ziehen, um zumindest bereits ein wenig Anschluß zu haben, aber dafür war es jetzt zu spät. Immerhin konnte ich mich so auf knapp 60 Quadratmetern so austoben wie ich wollte und war nicht mehr nur auf ein einziges Zimmer beschränkt - auch wenn mir mein Zimmer in Bochum sehr gefallen hatte. Meine Möbel von dort wollte ich auf jeden Fall mitnehmen, um daraus mein Schlafzimmer zu machen. Aber auch für den Rest der Wohnung hatte ich bereits meine Vorstellung. Meine Therapeutin hatte auch vorgeschlagen, dass ich mir in Köln einen Hund zulegen könnte, wenn ich mich eingelebt hatte. Dadurch war ich gezwungen, nach draußen zu gehen und nicht den ganzen Tag in meinem Zimmer zu sitzen. Außerdem hatte ich dann jemanden, der auf mich warten würde, wenn ich nach Hause kam und dazu konnte ich so leichter mit anderen ins Gespräch kommen. Ich nahm mir vor, über diesen Vorschlag nachzudenken, aber vermutlich erst, wenn ich abschätzen konnte, wie zeitintensiv mein Studium sein würde, denn immerhin wollte ich dem Tier auch gerecht werden. Zudem würde ich mir wohl einen kleinen Job suchen müssen, um ein wenig dazu zu verdienen. Meine Eltern zahlten bereits meine Wohnung und ich wollte sie nicht unbedingt bitten, mir etwas zum Unterhalt beizusteuern, denn BaFöG würde ich vermutlich nicht bekommen, weil mein Vater sehr gut verdiente. Daniele war auch nach mehreren Wochen immer noch nicht begeistert, dass ich allein in eine Wohnung ziehen wollte und drängte immer wieder, dass wir doch zusammen in meiner Heimatstadt wohnen könnten. Auch mein Studium fand er übertrieben, denn er war der Meinung, dass er genug für uns beide verdienen würde. Aber das war absolut nicht meine Lebensvorstellung. Ich wollte nicht von einem Mann abhängig sein, sondern mein eigenes Geld verdienen und mir guten Gewissens davon etwas leisten können - auch wenn ich nach meinem Studium weniger verdiente. Aber allein das Gefühl, auf eigenen Beinen stehen zu können, war mir wichtig - zumal ich nicht wusste, ob ich Daniele irgendwann heiraten wollte. Unsere Voraussetzungen für eine gemeinsame Zukunft waren zumindest nicht die besten. Und ich hatte schließlich auch nicht umsonst mein Abitur gemacht - noch dazu mit diesen Noten.

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