Kapitel 66

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Die nächsten Tage und Wochen waren tatsächlich so etwas wie Erholung für mich. Obwohl ich ziemlich viel Stress in der Schule hatte, ging es mir trotzdem erstaunlich gut. Meine Übelkeit hatte sich auf ein erträgliches Maß eingependelt und so lange ich mir nicht zu viel zumutete, musste ich mich nicht mehr übergeben. Auch sonst fühlte ich mich psychisch viel besser. Einen großen Anteil daran hatte sicherlich Adam, mit dem ich mich so gut wie jeden Tag traf. Wir liefen Hand in Hand mit Monty durch den verschneiten Wald oder unternahmen kleine Ausflüge. Am Wochenende war Adam auch häufiger bei mir zu Gast und wir machten mit Gabriel und Francesca Spieleabende. Hin und wieder kamen auch andere Freunde dazu. Henry und Doreen wussten mittlerweile, dass Adam und ich ein Paar waren - ich hatte entschieden, uns eine echte Chance zu geben - und freuten sich darüber, dass ihr Sohn glücklich war. Auch Gabriel und Francesca hatten natürlich längst etwas mitbekommen und freuten sich ebenfalls. Es war schwer zu übersehen, wie gut mir Adam tat. Ich konnte wieder lachen und fühlte mich viel freier.
Ich war sogar bereit, Daniele wieder in mein Leben zu lassen - wenn auch nur, um meine Mutter wiedersehen zu können, die ich wahnsinnig vermisste. Das hatte tatsächlich auch meinen Vater wieder mit mir versöhnt und es war wieder einigermaßen in Ordnung zwischen meinen Eltern und mir. Daniele verhielt sich tatsächlich mustergültig und schien seine Worte wirklich ernst gemeint zu haben. Wir gingen Essen oder machten kleine Spaziergänge ohne dass irgendetwas vorfiel. Es war tatsächlich recht entspannt und ich hegte ein kleines bisschen die Hoffnung, dass wir vielleicht zumindest etwas wie Freunde werden konnten. Zumindest aber fühlte ich mich in Danieles Gegenwart nicht mehr so unwohl und konnte sogar ein wenig entspannen. Manchmal lachten wir sogar zusammen. Das war wirklich angenehm und hin und wieder war ich sogar wirklich gern mit Daniele unterwegs. Ich fand diese Seite an ihm tatsächlich schön und er freute sich ehrlich, als ich ihm das auch so sagte. Aber so ganz traute ich dem Frieden trotzdem nicht. Adam oder Gabriel waren immer unauffällig in der Nähe, wenn ich mich mit Daniele traf, um auf mich aufzupassen, was mir zusätzlich Sicherheit gab. Die beiden verstanden sich ohnehin bestens. Gabriel nannte Adam seinen Best buddy und Adam meinen Bruder wiederum Brother from another mother. Kurz mein Leben hatte sich wieder etwas beruhigt. Wenn jetzt noch Paddy in der Nähe gewesen wäre, hätte es nicht perfekter sein können. Vermutlich wartete der nächste Sturm bereits wieder auf mich, aber daran wollte ich zumindest vorerst nicht denken.

Aber schneller als gedacht kam dieser Sturm allerdings auch schon auf mich zugebraust - mit der Macht eines Tornados. Dieses Mal in Form eines Videoclips meiner Lieblingsfamilie. Alles begann relativ harmlos. Paddy hatte mich bereits im Januar gefragt, ob ich bei dem Video mitspielen wollte, das passend zur Singleveröffentlichung am Valentinstag herauskommen sollte. Immerhin sei es auch mein Lied und er wollte mich gerne als zweite Hauptdarstellerin - sein Ally - en wie er sagte - haben. Ich lehnte allerdings sofort erschrocken ab. Vor eine Kamera würde mich niemals jemand bekommen und ich hatte auch keine Lust von noch mehr Fans angefeindet zu werden, als ich bereits erlebt hatte - da konnte mir Paddy noch so oft und so fest versichern, dass mich in dem Kostüm niemand erkennen würde. Paddy schien zwar ein wenig enttäuscht, aber am Ende verstand er meine Entscheidung.
Ein paar Wochen später bereute ich es allerdings, abgesagt zu haben. Den Part des Alienmädchens hatte eine junge Schauspielerin übernommen und es war kaum zu übersehen, dass zwischen ihr und Paddy die Funken mehr als heftig flogen. Die Blicke, die sich die beiden vor der Kamera zuwarfen waren ziemlich eindeutig und ich kannte Paddys Lächeln nur zu gut, dass er einer Frau schenkte, die ihm gefiel. Im Prinzip konnte es mir egal sein, denn ich war mit Adam an meiner Seite nicht wirklich unzufrieden. Aber es störte mich trotzdem - und außerdem ging es mir ums Prinzip. Es war schließlich mein Lied und Paddy hatte es für mich komponiert. Und jetzt flirtete er vor der Kamera zu meinem Lied mit einer anderen. Das tat verdammt weh und da half es auch nicht, dass Paddy erzählte, dass er sich kurz vorm Komponieren des Liedes in ein Mädchen verliebt hatte. Oder dass ein Ally - en - er betonte das Wort absichtlich so und grinste dabei frech - nicht unbedingt hässlich sein musste, sondern eher so schön war, dass sie nicht von dieser Welt stammte. Ich schaltete bei diesen Worten wütend das Fernsehen aus und verfluchte Paddy für sein in meinen Augen verdammt egoistisches Verhalten. Selbst meine Gitarre, die ich so sehr mochte und auf der Adam mir schon einige Griffe gezeigt hatte, räumte ich in die hinterste Ecke meines Zimmers, weil sie mich ständig an Paddy erinnerte. Warum tat er das? Das Video selbst fand ich im übrigen auch nicht wirklich besonders. Es war irgendwie kitschig mit dem Bauernjungen, der plötzlich einem Alienmädchen begegnet, das ihn auf seinen Heimatplaneten mitnimmt, wo ihr Vater ihrer Liebe seinen Segen gibt. Es war das komplette Klischee - und dazu mit über einer Million D - Mark viel zu teuer. Aber über Geld machten sich die Kellys ja ohnehin nicht wirklich Gedanken. Als Paddy mich am Abend anrief, um völlig enthusiastisch meine Meinung zu dem Video zu hören, gerieten wir tatsächlich in Streit. Er konnte überhaupt nicht verstehen, warum ich wütend war - immerhin hatte ich die Rolle ja nicht spielen wollen. Außerdem wäre zwischen ihm und der Schauspielerin, deren Namen er mir nicht nennen wollte, absolut nichts gelaufen. Als ob ich ihm das glauben würde... Am Ende legte ich wütend auf und war zum ersten Mal froh, dass Paddy so weit weg war. Gerade hatte ich überhaupt keine Lust, ihm zu begegnen und ich war erleichtert, dass Adam an meiner Seite war, der so eine dämliche Aktion nicht machen würde.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt