Kapitel 65

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In den nächsten Tagen war ich zu meiner großen Erleichterung so sehr mit der Schule beschäftigt, dass ich nicht wirklich an Daniele dachte. Gabriel war so besorgt um mich, dass er mich wohl am liebsten bis zur Schule begleitet hätte und auch dort bei mir gewesen wäre. Ich fand das wirklich lieb und war froh darüber, dass mein älterer Bruder so sehr auf mich achtete, aber trotzdem hätte ich das nicht gewollt. Natürlich hatte auch ich ein seltsames Gefühl, wenn ich an Daniele dachte, aber ich war fest entschlossen, mich nicht von ihm verrückt machen zu lassen. Körperlich ging es mir auch langsam wieder besser, aber wirklich Hunger hatte ich nicht und ich übergab mich auch immer wieder. Francesca kam das etwas seltsam vor und sie besorgte mir tatsächlich einen Schwangerschaftstest, den sie mir wortlos in die Hand drückte.
Ein wenig überfordert stand ich drei Tage nach dem Partyzwischenfall mit dem Test im Badezimmer und las mir die Beschreibung durch. Ich verstand nicht genau, warum Francesca darauf bestand, weil ich sehr sicher war, dass ich nicht schwanger sein konnte. Aber ich wollte ihr den Gefallen tun - auch um mir selbst noch einen weiteren Beweis zu liefern. Der Test war denkbar einfach: Ich musste mich nur am besten morgens auf die Toilette setzen und auf den Streifen pinkeln. Wenige Minuten später würde ich das Ergebnis haben - entweder einen Strich, der Nicht - Schwanger bedeutete oder eben zwei Striche, die eine Schwangerschaft anzeigte. Absolut idiotensicher also und völlig unkompliziert.

Seufzend setzte ich mich also auf die Toilette und ließ etwas Urin über den Teststreifen laufen. Danach hieß es nur noch warten. Ich legte den Test auf das Waschbecken und wusch mir die Hände. Dabei schielte ich immer wieder auf das kleine Fensterchen, das mir anzeigen würde, was gerade in meinem Körper passierte - oder eben nicht. Auch wenn ich mir zu fast einhundert Prozent sicher war, dass kein zweiter Strich auftauchen würde, war ich trotzdem ein wenig nervös. Auch wenn Paddy und ich immer sehr auf Verhütung geachtet hatten und mir kein Fehler bewusst war - es hatte kein gerissenes Kondom gegeben so weit ich wusste und ich hatte sowohl meine Pille immer regelmäßig genommen beziehungsweise hatte mich auch nicht übergeben oder irgendwelche Medikamente genommen, die die Wirkung einschränken konnten -, gab es eben immer noch ein geringes Restrisiko. Ich hatte schon von Frauen gelesen, die trotz Verhütung schwanger geworden waren. Es reichte schließlich schon aus, wenn... Ich wollte mir nicht jedes Detail ausmalen, das zu einer ungeplanten Schwangerschaft führen konnte. Möglich war es also trotz allem - wenn auch sehr unwahrscheinlich.
Die Minuten der Wartezeit schienen sich im Zeitlupentempo zu bewegen und kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Ich saß auf dem Toilettendeckel und schaute immer wieder wie hypnotisiert auf das kleine Fenster, in dem sich bisher nicht wirklich etwas getan hatte. Während ich mich also noch ein wenig weiter in Geduld üben musste, ließ ich meine Gedanken schweifen. Was wäre wenn... Ich stellte mir vor, wie die verschiedensten Menschen wohl auf ein mögliches Baby reagieren würde. Mein Vater würde vermutlich vollkommen ausrasten und mich anschreien. Ich hörte ihn schon förmlich toben, dass ich mein Leben versaut hätte. Natürlich war es gerade ein ungünstiger Zeitpunkt - kurz vor dem Abitur und ohne Ausbildung -, aber nicht unmöglich. Mein Abitur konnte ich trotzdem durchziehen und auch ein Studium war möglich. Immerhin gab es Krippen und Tagesmütter, wo man auch ein sehr kleines Kind abgeben konnte. Schlimmstenfalls würde ich mein Studium eben ein oder zwei Jahre später beginnen - was auch keine Katastrophe sein würde. Ein Baby würde meine Zukunft zum jetzigen Zeitpunkt also vielleicht ein wenig erschweren, aber von einem völlig ruinierten Leben konnte wohl kaum die Rede sein. Meine Mutter und Gabriel würden wohl nur den Kopf schütteln, während meine Großmütter... Nun, Luise würde sich sicher über einen kleinen Urenkel oder eine Urenkelin freuen, während Martha wohl die Meinung meines Vaters vertreten würde. Aber für sie war ich ohnehin eine einzige Enttäuschung - da machte das auch keinen Unterschied mehr.
Blieb nur die Frage, wie der Vater des Babys und seine Familie reagieren würde. Daniele fiel als Vater von vornherein aus - nicht nur, weil ich mir ein Baby mit ihm absolut nicht vorstellen konnte. Ich hatte auch in der fraglichen Zeit nicht mit ihm geschlafen. Blieb also nur Paddy. Er würde sicher erst einmal geschockt über diese Neuigkeit sein und sich tausend Gedanken über die Zukunft machen - in aller erster Linie über die Musik und wie es mit uns weiterging. Aber ich war mir sehr sicher, dass er sich nach dem ersten Schock riesig freuen würde. Er liebte Kinder und ich wusste, dass er irgendwann in der Zukunft auf jeden Fall welche wollte. Wenn es jetzt früher als gedacht so weit sein würde, würde er es sicher am Ende locker aufnehmen. Seine Familie war da wohl das größere Problem. Ein Teil seiner Geschwister würde vermutlich auch sehr erstaunt über die Neuigkeit sein, aber sich am Ende mit uns freuen, während andere nicht sehr erfreut sein würden. Und Dan... Der würde mir vermutlich den Hals umdrehen, dass ich das Leben seines Sohnes so auf den Kopf stellte. Ich fragte mich, ob sich Paddy wohl gegen seinen Vater durchsetzen würde oder ob er am Ende wie so oft nachgeben würde.
Blieben nur noch Theresa und Daniele, die vermutlich beide ebenfalls ausflippen würden - vor allem Daniele. Ich traute ihm zu, dass er mir drohen und mich zu zwingen versuchen würde, das Baby abzutreiben - oder selbst irgendetwas unternahm, damit es nicht zur Welt kommen würde. Theresa würde mich vermutlich beleidigen und in Tränen ausbrechen, aber ansonsten war von ihr wohl nichts weiter zu befürchten. Franco und Giulia würden vermutlich auch nicht besonders begeistert sein, dass ich ein Kind von einem anderen Mann erwartete, aber am Ende würden sie es wohl akzeptieren. Ändern konnten sie es ohnehin nicht. Sollte ich also wider Erwarten doch schwanger sein, würde also zumindest die erste Zeit alles andere als einfach für mich werden. Wenn das Kleine dann allerdings geboren war, würden sich einige Konflikte vermutlich von selbst lösen, denn die meisten würden einem Baby am Ende doch nicht widerstehen können.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt