Kapitel 40

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Als ich am nächsten Tag aufwachte, war es bereits unerwartet hell in meinem Zimmer und ich warf einen noch ziemlich verschlafenen Blick auf meinen Wecker. Mit einem Schlag war ich hellwach. Es war fast elf. Ich hatte tatsächlich total verschlafen - dabei hatte ich heute wieder zur Schule gehen wollen. Aber irgendwie war ich offenbar vollkommen erschöpft gewesen. Allerdings wunderte es mich, dass meine Eltern mich nicht geweckt hatten. Immerhin hatte ich schon drei Tage die Schule geschwänzt.
Ich schlug meine Bettdecke zurück und kletterte noch immer ziemlich müde aus meinem Bett. Schlafen konnte ich jetzt eh nicht mehr. Also schlurfte ich verschlafen in die Küche - für die Schule war es jetzt ohnehin zu spät. Zu meinem großen Erstaunen saß meine Mutter am Tisch und trank gerade einen Kaffee - das war äußerst ungewöhnlich, denn normalerweise war sie um diese Zeit bereits mit den Vorbereitungen fürs Mittagessen beschäftigt, damit es pünktlich auf dem Tisch stand, wenn mein Vater Mittagspause hatte. Aber vielleicht hatte er heute einen langen Prozesstag und aß in der Gerichtskantine oder traf sich zum Mittagessen mit einem Mandanten. Beides kam hin und wieder vor. Ich setzte mich meiner Mutter gegenüber, die in Gedanken versunken schien und nachdenklich in ihrer Kaffeetasse herumrührte. Zehn Pfennig für deine Gedanken, schoß es mir in diesem Augenblick durch den Kopf und ich musterte meine Mutter stirnrunzelnd. Sie sah traurig aus und ihre Augen waren seltsam gerötet, als hätte sie geweint.

"Hey Mama", begrüßte ich meine Mutter leise, um sie auf mich aufmerksam zu machen. "Ist alles okay?"

Erst jetzt hob meine Mutter den Kopf und sah mich an. "Oh. Guten Morgen", erwiderte sie meine Begrüßung und versuchte sogar ein Lächeln. "Hast du gut geschlafen, du Murmeltier? Ich hab gar nicht mitbekommen, dass du reingekommen bist."

"Wie ein Stein", nickte ich und musterte meine Mutter noch einmal. "Aber was ist mit dir? Hast du geweint?"

"Was? Quatsch." Meine Mutter schüttelte rasch den Kopf. "Das ist wahrscheinlich nur wieder meine Allergie."

Ich runzelte skeptisch die Stirn. "Allergie?", hakte ich nach. "Was denn für eine Allergie?"

Ich war mir ziemlich sicher, dass meine Mutter keine Allergien hatte, die gerötete Augen verursachte - ein bisschen Heuschnupfen vielleicht, aber den hatte man normalerweise nicht im Winter. Warum log sie mich also an? Das machte überhaupt keinen Sinn.

"Wahrscheinlich eine Stauballergie oder so was", gab meine Mutter schulterzuckend zurück und stand dann ein wenig zu eilig auf. "Möchtest du auch einen Kaffee? Er müsste noch heiß sein."

Ich nickte beiläufig und beobachtete meine Mutter beim Kaffee eingießen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Eine Stauballergie hatte sie noch nie erwähnt - abgesehen davon, dass es hier im Haus nicht mal wirklich Staub gab. Meine Mutter sauste eigentlich ständig mit irgendwelchen Putzsachen herum und wischte oder saugte Staub. Mein Vater konnte nämlich nicht die geringste Unordnung ausstehen - obwohl er selbst nicht wirklich einen Finger im Haushalt rührte. Immerhin war meine Mutter schließlich Hausfrau, während er das Geld nach Hause brachte. Also hatte meine Mutter sich auch um alles zu kümmern - den Haushalt, das Kochen und als Gabriel und ich klein gewesen waren auch um uns. Aber heute hatte meine Mutter keinen Putzlappen wie sonst in der Hand und einen Putzeimer oder den Staubsauger hatte ich auch nicht gesehen. Es wurde immer seltsamer.

"Danke", murmelte ich, als meine Mutter mir die Tasse mit dem Kaffee reichte und nahm vorsichtig einen Schluck von dem dampfenden Getränk, das tatsächlich noch fast heiß war. "Wie kommt es eigentlich, dass du mich nicht geweckt hast?", wollte ich dann wissen und griff nach der Smacks - Packung, die wie durch ein Wunder noch auf dem Tisch stand. "Ich meine... Heute ist doch Schule. Und ich habe schon drei Tage geschwänzt."

"Ach weißt du...", begann meine Mutter, während sie sich setzte. "Ich dachte, ich lasse dich einfach ausschlafen. Die letzten Tage waren sicher ziemlich anstrengend. Außerdem..." Sie zupfte etwas nervös an ihrem Armband herum. "Na ja. Ich dachte... Die letzten zwei Tage kannst du dir diese Woche auch noch frei nehmen. Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an." Sie sah mich unsicher an. "Es sei denn, du willst unbedingt morgen zur Schule."

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt