Kapitel 31

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Am nächsten Morgen wurde ich nach einer viel zu kurzen Nacht von Claire geweckt. Sie zog mir einfach die Bettdecke weg und grinste mich frech an.

"Aus den Federn, Schlafmütze", forderte meine beste Freundin mich gutgelaunt auf. "Wir haben heute was vor."

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, meine Bettdecke zurückzuerobern. "Ich will nicht", brummte ich. "Mir geht's nicht gut. Ich hab Kopfschmerzen."

Aber ich hatte keine Chance, denn Claire zog mich förmlich aus dem Bett. "Jammern gilt nicht", erklärte sie bestimmt und lachte. "Außerdem kannst du keinen Kater haben. Du hast ja nicht mal Alkohol getrunken."

Ich überlegte, ob ich Claire erklären sollte, dass man auch ohne Kater Kopfschmerzen haben konnte, aber dann verwarf ich den Gedanken wieder. Immerhin kannte ich meine beste Freundin gut genug, um zu wissen, dass ich genau so gut gegen eine Wand reden konnte. Wenn sich Claire etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es fast unmöglich sie davon abzubringen und ich hatte jetzt wirklich keine Lust auf eine riesige Diskussion. Außerdem fehlte mir dazu gerade die Energie. Also warf ich Claire nur einen bösen Blick zu und quälte mich dann aus dem Bett. Ich hatte eigentlich absolut keine Lust, Paddy zu begegnen, der gestern kein Wort mehr mit mir gewechselt hatte. Aber ausgerechnet heute wollte Claire unbedingt Schloss Schönbrunn mit dem angrenzenden Tierpark besuchen - erneut eine Sightseeingtour, die uns vermutlich den ganzen Tag beschäftigen würde. Und das bedeutete auch, dass ich wohl den ganzen Tag mit Paddy verbringen würde. Eigentlich ein Grund zur Freude, aber nach gestern...
Mit der wohl schlechtesten Laune meines bisherigen Lebens schlurfte ich ins Bad, um mich fertig zu machen, denn in einer halben Stunde wollten wir aufbrechen. Das Wetter draußen trug nicht unbedingt dazu bei, meine Laune zu verbessern, denn der Himmel war noch sehr diesig und es sah danach aus, als würde es jeden Moment anfangen zu regnen. Wunderbare Voraussetzungen also für einen Tagesausflug... Es würde sicher Spaß machen, bei Regenwetter stundenlang durch die Gegend zu laufen. Ich überlegte ernsthaft, Claire vorzuschlagen, dass wir den Ausflug an einem anderen Tag machen sollten - vielleicht morgen, wenn die Kellys weg waren. Meinetwegen konnte Claire auch allein mit Jimmy losziehen, denn mein Interesse an dem Schloss war im Augenblick ohnehin nicht sonderlich groß. Stattdessen würde ich den Tag eben im Zimmer verbringen und lesen - oder einfach in mein Kissen weinen. Aber auch das würde Claire ganz sicher nicht zulassen. Sie war einer der Menschen, die Deprimiertheit mit Aktionismus bekämpften und sie hatte kein Verständnis dafür, wenn man sich einfach hängen ließ. Eigentlich keine schlechte Eigenschaft, aber heute ging mir das richtig auf die Nerven. Zumal ich ihr nicht einmal erzählen konnte, warum ich überhaupt deprimiert war. Außerdem hatte ich tatsächlich leichte, ziemlich nervige Kopfschmerzen - vermutlich durch den Schlafmangel oder den Wetterwechsel.

Aber Claire kannte keine Gnade. Noch während ich unter der Dusche stand, trieb sie mich an und forderte mich auf, mich zu beeilen. Ich verdrehte genervt die Augen und ließ mir absichtlich Zeit. Die Kellys waren eh nie pünktlich und außerdem wollte ich Paddy einen kleinen Denkzettel erteilen. Das war kindisch, denn ich bestrafte nicht nur Paddy damit, dem das vermutlich ohnehin ziemlich egal war, sondern auch Claire. Aber es fühlte sich trotzdem gut an, wenigstens irgendetwas zu tun. Betont langsam schlüpfte ich in meine wadenlange weiße Jeans und ein rotes Top. Dazu band ich mir ein kariertes Flanellhemd um die Hüften, falls es regnete oder unerwartet kühler wurde. Ich sah ein wenig aus wie ein Grungegirl, aber mir gefiel es. Um den Look zu vollenden knüpfte ich mir noch ein Bandana um meinen Kopf.
Zufrieden kehrte ich in das Zimmer zurück, wo Claire schon ungeduldig auf mich wartete. Während ich in meine Lieblingssandalen schlüpfte - ob sie jetzt zum Outfit passten oder nicht -, trat Claire nervös von einem Fuß auf den anderen und warf immer wieder einen Blick auf ihre Uhr. Dabei seufzte sie übertrieben. Ich musste mir ein Grinsen verkneifen und hatte tatsächlich ziemlichen Spaß dabei, meine Freundin ein klein wenig zu foltern. Sie würde schon nicht sterben, wenn sie ihren Jimmy fünf Minuten später sah. Außerdem wollte ich sie ohnehin darauf ansprechen, was jetzt zwischen den beiden lief und was mit ihrem armen Freund war, der Zuhause sehnsüchtig auf sie wartete. Ganz fair war es nicht, was Claire da machte und irgendwie tat mir ihr Freund ein bisschen leid, der von Nichts ahnte. Aber das musste Claire mit sich selbst ausmachen, auch wenn ich es nicht besonders nett von ihr fand. Jetzt war allerdings auch nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden. Das wollte ich tun, wenn wir wieder allein waren.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt