Kapitel 60

199 17 37
                                    

"Pookie. Pookie, wake up."

Ich war mir sehr sicher, dass ich noch träumen musste, als ich Paddys sanfte Stimme dicht an meinem Ohr hörte. Immerhin war es draußen noch dunkel - und so früh würde er ganz sicher nicht wach sein.

"Lass mich in Ruhe, Gabe", murmelte ich und drehte mich brummend um. "Ich hab grad so schön geträumt."

Ich hörte Paddys leises, leicht heiseres Lachen und spürte nur wenig später, wie mir jemand einen Kuss auf die Schläfe gab. "I'm not your brother", flüsterte mir Paddys Stimme ins Ohr. "And sometimes reality is better than a dream."

Ich runzelte die Stirn und öffnete dann doch widerwillig die Augen. Als ich mich umdrehte, sah ich tatsächlich Paddy neben meinem Bett stehen - und tatsächlich schon vollständig angezogen. Er trug eine helle Hose und dazu einen schwarzen Pullover. Um den Hals hatte er sich einen dunklen Schal mit goldenen Punkten gebunden. Er sah unglaublich gut aus - und wirkte für diese Uhrzeit unverschämt wach. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich wirklich wach war oder doch noch träumte. Immerhin war es draußen noch stockdunkel und damit absolut nicht Paddys Uhrzeit.

"Was machst du denn hier?", nuschelte ich. "Ich meine... Es ist noch mitten in der Nacht. Da bist du doch nie freiwillig wach. Und erst recht nicht so gut gelaunt." Ich seufzte. "Oder hast du wieder einmal nicht geschlafen?"

Ich sah Paddy im Schein des leichten Lichtes, das vom Flur her ins Zimmer drang grinsen. "Well, sometimes it's worth it to get up early", erklärte er. "Especially for surprises. And to be honest... I wasn't able to sleep anymore, because I am so excited. So I got up an hour before, had a shower and dressed up already." Er lachte, als er mein zweifelndes Gesicht sah. "Believe me. It's true. But now get up sleepyhead. It's time for a shower and a cup of coffee. I'll prepare it for you while you shower."

Ich seufzte ergeben, weil es offenbar absolut keinen Sinn machte, Paddy zu widersprechen, obwohl ich ihn lieber zu mir ins Bett gezogen und geküsst hätte. Aber offenbar hatte er sich irgendetwas in den Kopf gesetzt, was es nötig machte, um eine unmögliche Uhrzeit aufstehen - um genau zu sein sechs Uhr am Morgen, wie ich nach einem Blick auf meine Uhr feststellte. Ich riss ungläubig die Augen auf und starrte Paddy an, der wieder lachte. Er zwinkerte mir gutgelaunt zu und wandte sich dann wieder zur Tür.

"Don't fall asleep again, sleepyhead", warnte mich Paddy noch grinsend. "Sonst muss ich dich wieder wachkitzeln."

"Wachküssen wäre mir lieber", brummte ich und seufzte. "Aber keine Sorge. Ich schlafe schon nicht wieder ein."

Paddy lachte auf und verließ dann das Zimmer. Ich sah ihm nach und kuschelte mich noch einmal in meine Decke. Am liebsten hätte ich tatsächlich noch weitergeschlafen, weil ich noch ziemlich müde war, aber Paddy hatte tatsächlich meine Neugier geweckt. Ich wollte unbedingt wissen, was er mit mir vor hatte. Mir fiel ein, dass er etwas von romantisch erwähnt hatte. Aber was konnte das sein? Während ich darüber nachgrübelte, schloss ich noch einmal die Augen und versuchte tatsächlich noch einmal einzuschlafen.
Aber ich war jetzt einfach viel zu neugierig und konnte einfach nicht mehr einschlafen. Also warf ich seufzend die Decke zur Seite und quälte mich aus dem Bett. Gähnend schnappte ich mir den erstbesten Pullover und eine Jeans, bevor ich in eines der Badezimmer schlurfte. Der Rest der Familie schlief offenbar noch, denn es war komplett still im Haus. Auf dem Weg zum Bad kam ich auch an Angelos Zimmer vorbei, das ich sofort daran erkannte, dass noch deutliche Brandspuren zu erkennen waren.
Vor wenigen Wochen war Angelo beim Lesen mit einer Kerze neben dem Bett eingeschlafen. Irgendwann war die Kerze umgefallen und hatte Angelos Kissen in Brand gesteckt. Anstatt es irgendwie zu löschen, hatte Angelo es von sich geworfen und damit die Vorhänge in Brand gesetzt. Nur in T - Shirt und Boxershorts war er aus dem Zimmer gerannt und hatte panisch seine Geschwister geweckt. In Windeseile waren alle aus dem Haus gelaufen - Jimmy hatte sogar wegen des Rauchs ein Fenster eingeworfen, was natürlich nicht besonders klug war - und hatten die Feuerwehr angerufen. In Irland war das allerdings nicht so einfach, bis die Feuerwehr ankam und so war Angelos Zimmer mitsamt seinen Klamotten abgebrannt und auch der Teil des Hauses in dem es sich befand hatte ebenfalls einigen Schaden genommen, bis die Feuerwehr Eastgrove erreichte. Zum Glück war niemand verletzt worden und die Kellys hatten von draußen beim Löschen zugesehen. Da es eine kühle Dezembernacht war, hatte Dan Angelo wie immer aufgefordert, den Kamin anzuzünden. Als er das gerade hatte tun wollen, hatte ihn ein Feuerwehrmann gefragt, ob er nicht für einen Tag genug Feuer gemacht habe. Am Ende war zum Glück nur Angelos Zimmer zerstört worden - allerdings vollkommen.
Mittlerweile war es restauriert und Angelo hatte auch längst wieder neue Klamotten, aber seine liebevoll gesammelte Star Wars - Sammlung war unrettbar verloren. Das war nicht nur ein idieller Wert, auch wenn der wohl unbezahlbar war. Wichtiger war aber, dass niemand zu Schaden gekommen war. Als Paddy mir davon erzählt hatte, hatte ich nur gedacht, dass so etwas wohl wirklich nur den Kellys passieren konnte. Wenn irgendjemand etwas vollkommen Verrücktes erlebte - dann war es meine Lieblingsfamilie.

The Rollercoaster Called Life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt