Als ich in die Küche kam, warteten meine Eltern bereits auf mich. Sie saßen beide am Küchentisch und schauten mir entgegen. Meine Mutter sah eher neugierig aus, während im Gesicht meines Vaters deutlich die Wut zu sehen war.
"Sag mal, was läuft eigentlich zwischen dir und diesem Jungen?", wollte mein Vater wissen und ich konnte deutlich spüren wie viel Mühe es ihn kostete, mich nicht anzuschreien. "Bist du wahnsinnig, deinen Freund so zu hintergehen?"
Ich ließ mich auf die Eckbank fallen und fing einen warnenden Blick meiner Mutter auf. "Mein Freund...", begann ich und sah meinen Vater an. "Mein Freund hat gestern Abend mit einem Mädchen aus meiner Stufe rumgemacht. Ich hab die beiden in flagranti erwischt, als sie es quasi vor meinen Augen getrieben haben. Sie war schon halbnackt." Ich hob die Schultern. "Ich hab ihm gesagt, es ist okay. Aber dann darf ich das auch."
Mein Vater starrte mich entsetzt an. "Wie bitte? Daniele ist dir fremdgegangen? Was hast du angestellt?"
"Gar nichts", erwiderte ich ruhig und goss mir Kaffee ein. "Er findet mich wohl nicht mehr attraktiv genug. Aber keine Sorge." Ich sah meinen Vater an. "Ich bleibe mit Daniele zusammen. Eigentlich wollte ich es gar nicht sagen. Aber na ja. Es ändert eh nichts zwischen uns."
Mein Vater musterte mich und ich konnte sehen, wie es in ihm arbeitete. "Eine offene Beziehung?", wollte er dann wissen und klang merklich ruhiger. "Und du denkst das funktioniert?"
"Nennt man das so?", fragte ich interessiert nach und nickte, als mein Vater das bestätigte. "Dann ist es das wohl. Daniele darf sich treffen mit wem er will und ich auch. Die genauen Regeln müssen wir noch festlegen." Ich sah meinen Vater an. "Aber wie gesagt... Es ändert nichts zwischen uns. Nach außen bleiben wir zusammen." Ich hob die Schultern. "Damit sind doch alle zufrieden, oder?"
Mein Vater sah noch immer skeptisch aus, aber meine Mutter nickte. "Das klingt nach einer ziemlich guten Idee", erklärte sie. "Es ist zwar ungewöhnlich, aber wenn ihr beide damit zurecht kommt..." Sie sah meinen Vater an. "Das ist doch in etwa das, was ich auch vorgeschlagen habe, Wolfgang."
Mein Vater nickte seufzend. "Schon. Aber ich weiß nicht, ob ich das gut finde." Er sah mich streng an. "Ich hoffe nur, du tauchst nicht mit ständig wechselnden Männer auf."
Ich verdrehte die Augen und trank einen Schluck Kaffee. "Keine Sorge", gab ich zurück. "Ich habe nicht vor, jetzt zu einer Schlampe zu mutieren. Und ich möchte jetzt auch nicht mehr weiter darüber reden. Das geht nur Daniele und mich etwas an. Wir wollen beide nicht, dass du oder Franco euch darin einmischt. Deswegen solltet ihr es eigentlich auch gar nicht wissen. Ich habe Daniele versprochen über gestern Abend zu schweigen." Ich sah meinen Vater an. "Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du nicht mit Franco darüber reden würdest. Ich möchte keinen Stress."
Mein Vater nickte langsam und musterte mich dann. "Hast du mit diesem Jungen geschlafen?"
Ich verschluckte mich bei dieser Frage erst einmal an meinem Kaffee und lief feuerrot an. Über solche intimen Themen wollte ich nicht wirklich mit meinen Eltern reden - erst recht nicht mit meinem Vater. Das Klingeln an der Haustür rettete mich.
"Das sind bestimmt Claire, Anna und Alina", verkündete ich und sprang auf. "Die drei wollen mir beim Aufräumen helfen. Und danach wollen wir mit ein paar Leuten am Fluß grillen."
Ich stürzte förmlich aus dem Zimmer und flog zur Haustür, bevor mein Vater noch mehr peinliche Fragen stellte. Als ob ich ihm erzählen würde, dass Paddy und ich nicht nur einmal miteinander geschlafen hatten, sondern... Ich wollte lieber nicht näher darüber nachdenken. Immerhin war es nicht die erste Nacht gewesen, in der wir nicht wirklich Schlaf gefunden hatten, weil wir nicht die Finger voneinander lassen konnten. Aber wenigstens konnte ich mir auch selber nicht vorwerfen, eine verantwortungslose Schlampe zu sein. Meine Erfahrungen beschränkten sich auf zwei Männer - von denen ich einen nicht einmal wirklich zählte. Auch wenn unsere Konstellation ungewöhnlich war, konnte man da wohl unmöglich von Männerverschleiß reden. Victoria hatte diese Anzahl Männer mindestens in einer Woche. Und außerdem hatte ich jedes Mal sogar doppelt verhütet.
Anstatt noch weiter darüber nachzudenken, öffnete ich lieber die Tür. Tatsächlich waren es die drei Mädels, die mir helfen wollten, das Chaos unten im Partykeller aufzuräumen. Zu viert gingen wir also nach unten und begannen erst einmal damit, den Müll zusammenzusuchen. Irgendeiner meiner Freunde hatte gestern sogar noch eine Piñata mitgebracht, deren Einzelteile noch auf dem Boden herumlagen. Es war wirklich am Ende noch ein wirklich witziger und schöner Abend gewesen. Anastasia und Alina trugen schon einmal das Geschirr nach oben, während Claire und ich den Müll in Säcke packten. Als mein Blick auf die Anlage fiel, lächelte ich verträumt. Vor allem der Abschluss des Abends war wunderschön gewesen und ich überlegte, ob ich einfach noch einmal die Musik von heute Nacht anstellen sollte. Ich war in Tagträume von meinen Tänzen mit Paddy versunken und bekam nicht einmal mit, dass Claire mit mir redete. Noch einmal spürte ich Paddys Wärme und hörte seine geflüsterten Worte. I love you, Pookie. 'Til the stars stop to shine. Ging es eigentlich noch romantischer? Ich fragte mich, ob Paddy wohl mittlerweile bereits im Flieger nach Madrid saß. Wahrscheinlich. Wie gern wäre ich jetzt bei ihm gewesen.
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The Rollercoaster Called Life...
FanficEine Geschichte über die Achterbahn des Lebens - voller Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen. Und eine Geschichte über eine ganz besondere Verbindung, die viel mehr ist als Freundschaft und Liebe. Eine Geschichte über Seelenverwandtschaft, die gleich...