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Keyla

Man muss wissen, ich habe nicht das
beste Verhältnis zu meiner Mutter. Sie hatte mich sehr früh bekommen und kam damals einfach nicht mit einem Kind klar. Sie kam nicht mit mir klar.
Mein Dad, naja eigentlich mein Stiefvater, war auch nicht wirklich da und so hatte meine Mutter auch nie Unterstützung gehabt. Ich nannte meinen Stiefvater Dad, da er für mich wie einer war. Mein Dad war immer Arbeiten, um uns irgendwie über Wasser zu halten, da meine Mutter nach meiner Geburt nie wieder angefangen hatte zu arbeiten.

Als ich neun war wurde ich vom Jugendamt in ein Heim gesteckt, weil sie meine Mutter für nicht mehr zurechnungsfähig hielten. Zu dem Zeitpunkt hatte sie nämlich angefangen extrem viel zu trinken und ließ ihre ganze Wut an mir aus. Sie schrie mich an und schlug mich. Ich konnte ihr nichts recht machen. Ich konnte mich nicht wehren, ich meine ich war neun Jahre, was hätte ich da auch schon groß tun können. Auch mein Dad konnte ihr nicht helfen oder wollte es nicht. Ich weiß es nicht. Er bekam auch nichts von den Schlägen mit, denke ich zumindest, da er ja fast nie zu Hause war. Ich hatte nie wirklich die Liebe einer Mutter zu spüren bekommen.
Das war einer der schlimmsten und schwersten Zeiten in meinem Leben.
Aber dadurch bin ich stark und selbstbewusst geworden, aber leider auch kalt.

Ein Jahr später wurde ich dann wieder nach Hause geschickt, wo meine Mam sich inzwischen dem Alkohol abgewandt hatte und schwanger mit meinem kleinen Bruder war.
Sie versuchte sich über die Jahre wirklich zu bessern, was ihr auch einiger Maßen gut gelang. Aber eine wirkliche Beziehung habe ich zu meiner Mutter nie wieder gefunden. Mit meinem Stiefvater verstand ich mich etwas besser, obwohl ich ihm vorwerfe, dass er damals nichts gemacht hatte und alles erst viel zu spät gemerkt hatte.

Unter all dem hatte auch leider die Beziehung meiner Eltern gelitten, wie man sieht.
Aber auch ich trage folgen aus dieser Zeit mit mir. Ich habe extreme Vertrauens Probleme und öffne mich Menschen nicht oft. Ich habe in all den Jahren eine Mauer aufgebaut, die keinen Schmerz zulässt, ansonsten hätte ich nicht überlebt. Vielleicht habe ich auch deshalb keine Beziehung, weil ich Angst habe, dass es wie bei meinen Eltern enden wird.
Mit dreizehn habe ich wegen dem ganzen psychischen Druck, der auf mir lastete angefangen mich selbst zu verletzen und Drogen zu nehmen. Zudem habe ich angefangen Unmengen an Alkohol zu trinken.

Obwohl ich mich nie mit Messern oder sowas in der Art Selbstverletzt habe , ich habe mir in den Arm gekniffen, so feste, bis es geblutet hatte.
Der Schmerz von den Wunden auf meiner Haute fühlte sich so viel erträglicher und besser an, als der Seelische Schmerz.
In diesen Momenten überdeckte der Schmerz  den anderen Schmerz und ich fühlte mich erleichtert. Der ganze Druck und alle Sorgen verschwanden in diesem Moment und ich fühlte mich befreit. Es machte süchtig.
Das kann bestimmt nicht jeder nachvollziehen, aber für mich fühlte es sich genau so an. Es war richtig in diesem Moment, das einzige was mir half.

Ich strich nachdenklich über die Narben auf meinem linken Arm. Ich fuhr sie mit meinen Fingerspitzen nach und zitterte etwas. Ich hatte mich schon lange nicht mehr Selbstverletzt, ich wollte es auch nicht mehr.
Ich zog meine Finger weg und strich mir durch meine immer noch nassen Haare. Ich wollte nicht mehr an diese schlimme Zeit in meinem Leben denken, nur ob mein Leben mit siebzehn so viel besser war als damals wage ich zu bezweifeln.
Aber was soll man machen oder?

Mit meiner rechten Hand tastete ich nach meinem Handy, dass neben mir irgendwo im Bett lag. Ich schaute drauf und direkt wurden mir 3 Verpasste Anrufe von Anna
angezeigt. Ich stöhnte auf. Ich liebte sie, aber manchmal war sie so nervig. Ich beschloss mich dazu es einfach zu ignorieren und ließ mich nach hinten auf das Bett fallen.

Fünf Minuten später hörte ich es an der Tür klingeln. Ich stöhnte auf, ich hätte es mir denken können, dass sie nicht so leicht aufgab. Sie hatte einfach ein Gespür dafür, wenn es jemanden schlecht ging.
Ich stand etwas widerwillig auf und stapfte zur Tür. Ich schob den Riegel von der Tür weg und schloss sie auf.
Vor mir stand eine wütende Anna, die mich vorwurfsvoll anschaute. „ was ignorierst du mich?", Schnauzte sie mich an. „ Sorry, wollte keinen sehen", erwidertet ich entschuldigend. Sie stieß mich zur Seite, ging an mir vorbei und lief geradewegs in mein Zimmer rein. Ich lief ihr so schnell ich konnte hinterher und verschloss die Zimmertür.

Anna hatte es sich schon gemütlich auf meinem Bett gemacht und schaute mich mit ihren leuchtend grünen Augen erwartungsvoll an. Sie klopfte mit ihrer Hand auf das Bett, um mir zu verdeutlichen, dass ich mich zu ihr setzten sollte. Ich seufzte und ging langsam auf mein Bett zu und ließ mich neben sie auf das Bett fallen.
„Erzähl. Was ist passiert?", fragte sie mich und musterte mich aufmerksam.
Verdammt, jetzt musste ich es ihr erzählen, sie würde nicht locker lassen. Das wusste ich ganz genau.

„Also...", fing ich an. Aber ich fand irgendwie nicht die richtigen Worte.
Ich sortierte die ganzen Worte in meinem Kopf und versuchte es erneut.
„ Gestern im Club, da auf dem Klo..., stotterte ich ein bisschen unbeholfen. „Ja was ist passiert?", hackte sie weiter nach. „Jonas war da und..." „Jonas?", unterbrach mich Anna schockiert. „ Was wollte er da? Aber er hat doch nicht oder? Oder doch?", fragte sie erschrocken und in etwas lauterer Stimme. „ Er hat mich geküsst.", sagte ich mit bebender Stimme und den Tränen nahe.
Die Vergewaltigung verschwieg ich dabei mit Absicht, dass konnte ich keinem erzählen. Es war mir peinlich. Vielleicht war ich ja auch Schuld daran. Oder vielleicht war es ja gar nicht so? Oder? Ich meine ich war betrunken. Vielleicht habe ich ihm nicht deutlich genug gemacht, dass ich es nicht wollte?

Anna, die sonst zu allem einen Kommentar hatte schaute mich nur stumm und mit aufgerissenen Augen an.
„ Aber warum Jonas? Wir sind doch alle Freunde? Und er hat doch Lilly.", brachte sie nach ein paar Minuten über ihre Lippen. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich wusste doch auch nicht was mit ihm los war. Ich spürte wie sich das Wasser in meinen Augen sammelte und ich versuchte es weg zu blinzeln, was nicht viel brachte. Langsam kullerten ein paar Tränen meine Wagen runter. Anna schlang ihre Arme um mich und vergrub meinen Kopf in ihrer Schulter. Leise fing ich an zu schluchzen und ich hasste mich selbst dafür. Ich wollte keine Träne für diesen Idioten verschwenden.
Anna konnte mich ein bisschen beruhigen und ich löste mich aus ihrer Umarmung.
Sie reichte mir ein Taschentuch und ich wischte mit damit die Tränen von der Wange.

„Dieses scheiß ARSCHLOCH! Ich bringe ihn un!", hörte ich plötzlich Anna neben mir rufen. Ich zuckte etwas erschrocken zusammen und schaute sie an. Man sah wie wütend sie auf einmal war. Ich konnte richtig ihren Hass in ihren Augen sehen. „ Was fällt dem bitte ein?", fluchte sie weiter. „ Keine Ahnung was in den gefahren ist", erwiderte ich mit immer noch leicht zittriger Stimme. „ Soll ich das Lilly erzählen?", fragte ich und schaute sie dabei an. „ Was für eine Frage, natürlich! Sie muss wissen wen sie da als Arschloch Freund hat!" „ Scheiße, verdammt, ich will nicht diejenige sein, die ihre Beziehung zerstört." „ Ach Key, das hat doch Jonas schon bereits getan."

Sie hatte Recht und trotzdem hatte Jonas mich in diese scheiß Situation gebracht.
„Ja du hast Recht", stimmte ich ihr zu. „ Man dieser Arsch, warum ich?", fragte ich jetzt auch mit wütender Stimme. „Mhm, ich weiß es nicht. Aber vielleicht bist du gar nicht die erste. Wer weiß wie lange er schon Spielchen treibt", entgegnete mir Anna.

BreathtakingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt