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Keyla

Ich öffnete die Wohnungstür. Es war schon spät, da ich mit Jacob noch lange bei Cayleb war. Ich hatte diesen Abend so genossen, da es sich so normal und unbeschwert angefühlt hatte. Ich schloss mit einem leichten Lächeln die Tür und zog meine Schuhe aus.

Ich hörte durch die Wohnzimmertür laute Stimmen aus dem Fernseher klingen und stöhnte genervt auf. Konnte man das nicht einfach in normaler Lautstärke hören? Genervt lief ich ins Wohnzimmer. „Meine Güte, mach den Fernseher doch nicht so-", ich stoppte mitten in meinem Satz. „Mum?", schrie ich entsetzt auf. Sie lag zusammengesackt auf dem Sofa und bewegte sich kein Stück mehr. Ich rannte auf sie zu und rüttelte an ihrer Schulter. „Wach auf verdammt", schrie ich unter Tränen meine Mutter an.

Ich klopfte energisch gegen ihre Wange, doch sie rührte sich nicht. Ich überprüfte zitternd ihren Puls, der rasend war und meine Panik stieg von Sekunde zu Sekunde mehr an. Mein ganzer Körper zitterte und Tränen liefen mir über die Wangen. „Warum musst du so viel trinken?", schrie ich sie an, als ob es was bringen würde. Ich versuchte sie so gut es ging gerade auf das Sofa hinzulegen und wickelte sie eine Decke ein. Dann griff ich zu meinem Handy und rief den Notarzt an. Ich schaffte es gerade so, meine Adresse, ohne das meine Stimme abbrach, zu sagen. Während ich auf den Krankenwagen wartete lief ich unruhig im Wohnzimmer auf und ab.

Verdammt, warum machte es mir so viel aus? Sie war nie richtig für mich da, nie eine richtige Mutter für mich gewesen. Und doch konnte und wollte ich sie nicht verlieren. Es tat unfassbar weh, sie so zu sehen. Wenn ich in dieser Lage gewesen wäre, hätte sie sich vermutlich einen Dreck um mich geschert. Ich hasste mich dafür, dass ich Angst um meine Mutter hatte. Ich fühlte mich so hilflos, ich hatte keine Ahnung, was ich in dieser Situation tun sollte. Mein Zittern wurde immer schlimmer und ich glaube ich fing an zu Hyperventilieren. Mir wurde schlecht und ich bekam kaum noch Luft, wie als würde mir jemand die Lunge abschnüren. Ich ließ mich auf den Boden fallen und versuchte krampfhaft meine Atmung unter Kontrolle zubringen, was mir nach ein paar Minuten einigermaßen gut gelang.

Ich schreckte auf, als es an der Tür klingelte. Ich stemmte mich von Boden hoch und rannte zur Tür und ließ die Sanitäter in die Wohnung rein. „Hier ist sie", deutete ich den Sanitätern an. „Wie viel hat sie getrunken?", fragte mich einer der Sanitäter. „Viel vermute ich, sie ist süchtig", berichtete ich ihm. Er nickte verstehend und wendete sich wieder Cara zu. „Wir nehme sie jetzt mit, sie hat sehr wahrscheinlich eine Alkoholvergiftung." Ich nickte nur zaghaft und eine Träne rollte mir über die Wange, die ich aber schnell wegwischte. „Kann", ich stockte kurz und versuchte meine zitternde Stimme unter Kontrolle zu bekommen, „Kann ich mit?" „Sie können hinten mitfahren", sagte der eine Mann freundlich.

Sie hoben meine Mutter auf eine Trage und trugen sie aus dem Wohnzimmer. Ich lief ihnen hinterher. Meine Mutter wurde in den Krankenwagen verfrachtet und ich stieg mit ein. Cara wurde an irgendwelche Geräte angeschlossen und ich setzte mich hin und schnallte mich zittrig an. Die Türen von dem Krankenwagen wurden geschlossen und sofort setzte sich der Krankenwagen in Bewegung. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis wir endlich zum stehen kamen und das Krankenhaus erreicht hatten. Ich stieg schnell aus dem Krankenwagen, denn angenehm war die Fahrt definitiv nicht gewesen.

Es eilten schon einige Schwestern auf uns zu und Cara wurde auf eine Transportliege gelegt und in das Krankenhaus geschoben. Die Sanitäter hatten einen schnellen Schritt drauf und ich hatte Mühe hinterher zukommen. Vor einer großen Tür wurde ich von einer Ärztin gestoppt. „Sie müssen hier warten, ihre Mutter wird auf die Intensivstation gebracht", sagte sie ruhig. „Aber", fing ich an, doch sie unterbrach mich. „Setzten sie sich hier hin", sie deutete auf die Stühle, die an der Wand standen. „Sie können später zu ihrer Mutter." Ich wollte protestieren, aber die Kraft fehlte mir dafür. Also setzte ich mich auf einen der freien Stühle und wartete.

Ich war wahrscheinlich vor Erschöpfung eingeschlafen, denn ich schreckte auf, als sich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich schaute nach oben und sah in das besorgte Gesicht von Jacob. „Was.. Woher wusstest du das ich hier bin?", fragte ich verwirrt. „Ich weiß immer, was hier in unserm Krankenhaus passiert." Okay hätte ich mir denken können. Ich stand langsam auf und schlang meine Arme um ihn. „Ich habe Angst um sie", flüsterte ich und schon wieder sammelten sich Tränen in meinen Augen. Jacob umschloss mit seinen Armen meine Taille und zog mich noch ein Stück näher an sich heran. „Hier sind die besten Ärzte, sie wird das schaffen", versuchte er mich zu ermutigen. „Ich will jetzt zu ihr", sagte ich. „Okay dann komm", entgegnete er mir, nahm meine Hand und ging in Richtung Intensivstation.

Auf den Weg zu Caras Krankenzimmer wurden wir von keinem einzigen Arzt gestoppt. Alle machten den Anschein auf mich, als hätten sie enorme Angst und Respekt vor Jacob. Jeder begrüßte ihn und ging dann schnell weiter. Jacob hingegen achtete auf keinen, sondern ging einfach an ihnen vorbei, als wären sie gar nicht da. Jacob stoppte vor einen der Zimmer und öffnete die Tür und überließ mir den Vortritt.

Der Anblick von meiner Mutter erschreckte mich. Aus ihr war jegliche Farbe gewichen und sie lag einfach nur starr in ihrem Bett. Sie war an vielen Geräten angeschlossen und die Ärztin von vorhin stand neben ihr und checkte irgendwas ab. „Was hat sie?", fragte ich und kam mir direkt dämlich vor. Sie schaute mich überrascht an, doch als sie dann Jacob hinter mir entdeckte, fing die Ärztin schnell an zu reden „ Wie schon vermutet hat sie eine Alkoholintoxikation, also eine Alkoholvergiftung , die sich im Narkosestadium befindet. Dieses Stadium ist ziemlich lebensbedrohlich, aber wir haben sie durch Infusionen gut stabilisieren können." Ich atmete hörbar erleichtert aus. „Wie behalten sie noch 24 Stunden zur Beobachtung hier", erklärte sie mir dann weiter und ich nickte verstehend. Sie schrieb noch irgendwas schnell auf und verschwand dann aus dem Zimmer.

„Wie lange trinkt sie schon?", fragte mich Jacob. „Keine Ahnung, eigentlich schon immer. Aber schlimmer ist es geworden seit der Trennung." Ich schaute traurig auf meine Mutter. „Hattest du von ihr deine Verletzungen? Und lüg mich jetzt nicht an", sagte er ernst. „Ja", flüsterte ich. „Warum machst du dir dann so sorgen um sie?" „Ich weiß es nicht, vermutlich weil sie meine Mutter ist." Ich wünschte mir so sehr, dass es mir scheiß egal wäre, wie es ihr geht. Er griff sachte nach meiner Hand und drückte sie leicht. „Du kommst jetzt erst mal zu mir und um deine Mutter kümmere ich mich später."

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