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Keyla

Vor dem Hochhaus hielt er an. „Danke, danke für alles", sagte ich. „Dafür doch nicht", winkte er ab. Ich wollte gerade aus dem Auto steigen, als er mich am Handgelenk festhielt. Ich schaute ihn fragend an. „Bei mir liegen immer noch deine Anziehsachen, wenn du Zeit hast, kannst du morgen vorbeikommen und sie abholen." Ich überlegte kurz, sagte dann aber „Okay, ich komm morgen." Er grinste nur und ich verschwand aus seinem Auto. Ich schaute mich noch einmal um und ein kleines Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus, als ich sah, dass sein Blick immer noch auf mir ruhte.

Bitte spiel einfach nicht mit mir, bitte. Dieser Gedanke schoss den ganzen Weg nach oben durch meinen Kopf, denn das würde mein Herz höchstwahrscheinlich nicht überleben. Ja ich mochte Jacob, ich musste es mir endlich eingestehen. Und er mochte mich ja anscheinend auch oder?

„Ach ist die feine Dame auch mal wieder zurück?", kam mir meine Mutter lallend entgegen. Schon wieder? Sie sollte mit dem trinken aufhören. „Warum trinkst du?", fragte ich leicht verletzt, da sie sich anscheinend keine Sorgen gemacht hatte. „Das geht dich einen scheiß an und jetzt geh mir aus den Augen." Ich starrte sie mit einem kalten Blick an, wendete mich aber ab und ging Richtung Zimmer. Wenn sie Alkohol trank, sollte man nicht in ihrer Nähe sein, ich wusste wie das ausging.

Cayleb, schoss es mir durch den Kopf. Ich wusste zwar, dass meine Mutter ihn mag, aber ich war mir nicht sicher, ob sie in ihrem Dauerrausch noch irgendwas mitbekam. Irgendwie fühlte ich mich schuldig, da ich es war, die die Wahrheit erzählt hatte. Ich schüttelte leicht meinen Kopf und ging zu Calbe's Zimmertür. Leise öffnete ich die Tür und sah Caleb zusammengekauert auf deinem Bett sitzen. Erschrocken über diesen Anblick eilte ich auf ihn zu.

„Hey, alles gut? Was ist passiert?", fragte ich ihn besorgt. „Mama ist weg", schluchzte er. „D-da draußen ist eine Frau die sich seltsam verhält, Keyla. Ich- sie gibt mir kein Essen und hat mir Mama weggenommen." Ohne es zu wollen sammelten sich Tränen in meinen Augen. Die Worte von meinem Bruder machten mich so unfassbar traurig. Es tat mir so unfassbar leid, ich dachte er müsste sowas niemals erleben. Ich wischte mir eine Träne von der Wange und nahm ihn behutsam in den Arm. „Alles wird gut, ich verspreche es", flüsterte ich.

Ich musste ihn hier rausbringen. Das alles konnte ich ihm nicht antun. Ich würde ihn zu Markus bringen. Noch heute. Er ist immerhin sein Vater. Mir gefiel der Gedanke zwar nicht ganz, da ich Angst hatte, dass Markus sich nicht um ihn kümmert, da er zu abgelenkt ist von seiner neuen Flamme. Aber alles war besser als hier und in ein Heim wollte ich ihn schon gar nicht stecken. Und die Eltern von Cara wohnten in Italien, also viel zu weit weg.

„Pack deine Sachen, wir fahren zu Dad", sagte ich zu ihm. Er schaute mich etwas verunsichert an, nickte aber. Ich kramte seinen Koffer unter dem Bett hervor und fing an seine Klamotten einzupacken. Caleb sammelte sein Spielzeug vom Boden auf und warf es in eine Tasche. Als alles fertig gepackt war, nahm ich ihn bei der Hand und öffnete vorsichtig die Tür. Ich schaute mich um, konnte meine Mutter aber nirgends entdecken. Wahrscheinlich war sie in irgendeine Bar gegangen. Die Trennung hatte ihr ganzes Leben zerstört. Und ich war irgendwie schuld daran. Ich war schuld daran, dass Caleb jetzt weg musste. Und ich hasste mich dafür.

Mit einem Koffer bepackt liefen wir jetzt schon seit einer viertel Stunde durch die Straßen. Es fuhr kein Bus zu meinem Vater, da auf der Strecke eine Baustelle war und ein Auto hatten wir nicht. Naja beziehungsweise nicht mehr, da Markus es mitgenommen hatte. Denn eigentlich konnte ich fahren und das sogar recht gut, denn früher bin ich ab und zu Autorennen mit Jonas gefahren. Ich schüttelte schnell meinen Kopf, damit der Gedanke von Joans wegging.

Caleb lief neben mir, bepackt mit der Spielzeugtasche. Am Anfang ist er noch munter neben mir hergelaufen, aber jetzt fing er an zu quengeln. „Ich will nicht mehr", rief er. Ich stöhnte innerlich auf. „Nur noch fünf Minuten, dann sind wir da", versuchte ich es. Doch er setzte sich abrupt auf den Boden und schrie „Ich will nicht mehr." „Komm Cayleb, es ist nicht mehr weit", sagte ich genervt. „Nö", zickte er mich an. „Cayleb bitte", flehte ich jetzt, da ich am Ende mit meinen Nerven war. Doch er schüttelte stur seinen Kopf.

„Bei Papa gibt es Eis", versuchte ich ihn zu locken. Ich hatte zwar nicht große Hoffnungen, dass er drauf anspringen würde, aber sein Gesicht verzog sich zu einem grinsen. „Okay ich komme, aber ich will Schoko Eis", sagte er freudig und stand auf. Ich hoffte Markus hatte Eis zu Hause. Freudig sprang Cayleb den Rest des Weges vor mir her, was auch ziemlich anstrengen war, aber wenigstens kamen wir voran. Ein Glück wusste ich durch den blöden Zufall wo er jetzt wohnte und steuerte auf einer der hintersten Häuser in der Straße zu.

Das Haus war groß, sehr groß. Der Vorgarten sah sehr gepflegt aus und alles war perfekt aufeinander abgestimmt. Ich schüttelte nur den Kopf und klingelte an der Haustür. Ich nahm Cayleb an die Hand und wartete, dass uns jemand öffnete.

Die Haustüre öffnete sich schwungvoll und eine ältere Dame mit einer Schürz öffnete uns die Tür „Wie kann ich ihnen helfen?", sagte sie mit einem Fragenden Blick und schaute dabei erst mich und Cayleb an und dann das Gepäck in unseren Händen. „Ähm ist Markus da?", fragte ich und ignorierte dabei ihren stechenden Blick. „Sicher, warten sie kurz ich hole ihn", antwortete sie mir und lief mit schnellen Schritten den Gang entlang.

Wir warteten ein paar Minuten draußen, als ich eine Gestalt auf uns zu kommen sah. Markus. „Hey, schön das ihr vorbeisch-", fing er an, stoppte dann allerdings, als er das Gepäck sah. „Was wird das?", fragte er nun ernster. „Können wir vielleicht erst mal reinkommen, dann erzähl ich dir alles", sagte ich mit etwas Nachdruck. „Ähm ja sicher kommt rein." „Papa, Papa", schrie Cayleb auf einmal und flitzte an mir vorbei auf Dad zu. „Hey mein Schatz, lang nicht mehr gesehen, siehst gut aus", sagte er. Ich lachte innerlich auf, Cayleb sah alles andere als gut aus. Er war abgemagert und seine Augen sahen müde aus. Wir konnte ihm das nur nicht auffallen?

Nachdem ich Markus die Lage erklärt hatte, sah er mich geschockt an „Es tut mir leid Keyla." „schon gut", winkte ich mit einem gezwungen Lächeln ab. „Cecile, Koch Cayleb bitte was", rief mein Vater der Frau zu, die uns die Tür geöffnet hatte. Cecile nickte und flitzte in Richtung Küche.

Cayleb hatte sich auf den Boden im Wohnzimmer gesetzt und spielte mit seinen Autos.

„Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist, wenn Cayleb hier einzieht", seufzte er auf. „Warum?", fragte ich verwirrt. „Weil Naomi schwanger ist", entgegnete er mir. Oh wow das ging aber schnell. Ach ne warte vergessen, die beiden hatten ja schon über ein Jahr was miteinander. „Was?", brachte ich trotzdem erschrocken über meine Lippen. Er sah mich nur unschuldig an. „Bitte, lass Cayleb bei dir, er ist dein Sohn", sagte ich leicht flehend und versuchte meine aufkommende Wut so gut es geht zu unterdrücken.

Er seufzte und sagte „Na gut, aber nur er, du kannst nicht auch noch hier einziehen." Au, das tat weh. Ein gewaltiger Stich fuhr durch mein Herz. Ich hatte zwar nicht vor hier einzuziehen, alleine wegen dieser Nanni oder wie sie hieß und trotzdem taten diese Worte unfassbar weh. Ich überspielte allerdings meine Enttäuschung sehr gut mit einem sanften Lächeln. „Nur Cayleb", versicherte ich ihm. Er nickte nur und schaute stumm zu Cayleb rüber.

Ich musterte ihn, seit wann war er so kalt geworden? Das lag bestimmt an der komischen Tusse. Und ich war mir auf einmal nicht so sicher, ob Markus wirklich die beste Entscheidung war. Aber andererseits war es sein Sohn, er liebte ihn doch oder? Ich würde ihn auf jeden Fall besuchen kommen, um zu gucken ob es ihm gut geht. Denn so ganz vertraue ich Das nicht mehr.

„Bärchen, wer sind die?", fragte eine hohe Frauenstimme hinter uns. Ich verzog angewidert  mein Gesicht bei dem Wort Bärchen, war das ekelhaft.

BreathtakingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt