Kapitel 6

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Auf dem Weg in die Bar dachte ich nochmal über die Situation nach. War es richtig, diese Männer alleine in meiner Suite zu lassen? Würden sie doch meine Sachen durchwühlen und herumschnüffeln? Aber andererseits wieso sollten sie das tun? Ich war 19 Jahre alt und diese Typen waren locker schon 25. Die interessierten sich doch nicht für eine Studentin, die mehrere Jobs hatte. Oder? 

Verunsichert, aber mit ein bisschen Hoffnung, dass nichts passierte, lief ich weiter. Bis mir einfiel, dass mein Chef ja noch gar nicht wusste, dass ich kurzfristig vorbeikam. Sollte ich ihn anrufen? Er könnte nein sagen, aber einfach so aufkreuzen wollte ich auch nicht. Ich entschied mich also für den mehr oder weniger ehrlichen Weg und wählte seine Nummer. 

"Hallo Mimmi, was verschafft mir denn diese Ehre um diese Uhrzeit?", fragte mein Chef und ich musste schmunzeln. Wir zwei verstanden uns echt gut und er ersetzte ein wenig die Vaterrolle. "Hallo Chef.", sprach ich, da ich wusste, dass er es nicht mochte, Chef genannt zu werden. "Ich habe gerade nichts zu tun und wollte daher fragen, ob ich irgendwas in der Bar helfen kann." Ich hoffte wirklich, dass er nicht ablehnte. 

"Du hast aber doch heute frei oder nicht?", fragte er nun sichtlich verwirrt, da er offensichtlich nicht damit gerechnet hatte. "Ja, aber trotzdem.", gab ich ein wenig kleinlaut von mir. "Ich bewundere wirklich sehr, dass du nach allem, was du durchmachen musstest, so viel Engagement zeigst. Tatsächlich hat sich Penny heute krank gemeldet und du könntest ihre Schicht übernehmen. Von 23 Uhr bis etwa 2 Uhr wärst du dann am Arbeiten." 

Zufrieden, dass ich was machen konnte, sprach ich: "Perfekt, Dankeschön. Ich bin in ca. 8 Minuten da." Mit diesen Worten war das Gespräch beendet und ich verstaute mein Handy in der Tasche meines Rocks. 

Kurz vor der Bar kam mir schon der Duft von Alkohol in die Nase und man konnte leicht den Bass der Musik spüren. Ich ging an ein paar Menschen vorbei, die schon ziemlich betrunken waren. Am Eingang standen schon die zwei Türsteher, da sie mich aber kannten, nickte ich ihnen nur kurz zu, ehe ich drinnen verschwand. 

Drinnen angekommen war es ziemlich stickig. Menschen tanzten und es roch deutlich mehr nach Alkohol als draußen. Ich bahnte mir den Weg durch die Menschenmenge und kam dann schließlich an der Bar an. Ich begrüßte kurz Marcel, der gerade Getränke mixte. Wir verstanden uns recht gut, aber außerhalb der Arbeit hatten wir eigentlich nichts weiter zu tun. 

In dem hinteren kleinen Personalraum verstaute ich meine kleine Umhängetasche und band mir unsere Dienstschürze um. Diese war schwarz, genau wie unsere ganze Arbeitskleidung, und hatte auch das Logo der Bar oben links bestickt. Mir persönlich gefiel das echt gut, da ich schwarz mochte und das grüne Logo dazu passte. 

Ich war gerade im Begriff, den Raum zu verlassen, als mein Chef rein kam. "Hallo Mimmi, danke fürs Einspringen und das auch noch so kurzfristig." Ich lächelte. "Klar, gar kein Problem, ich war bereits unterwegs. Hat daher also gut gepasst." Zufrieden lächelte er und verließ dann auch wieder den Raum. Beim Rausgehen sprach er aber noch zu mir: "Schreib dir die Stunden von heute dann als Überstunden auf. Das passt so besser." Ich nickte und er verschwand. 

An der Theke angekommen, verschaffte ich mir erstmal einen Überblick. Das tat ich eigentlich immer. Es war relativ viel los, aber das war für mich noch nie ein großes Problem. 

Es war mittlerweile halb zwei. Die Zeit verging recht schnell und so langsam wurde es auch etwas leerer in der Bar. 

Doch die ganze Zeit, wenn ich mal nichts zu tun hatte, machte ich mir Gedanken um diese Typen. Wie hießen sie nochmal? Diego, Marco und Milan glaube ich. Ich sollte eigentlich gar nicht so misstrauisch sein und ihnen vertrauen. Wobei Vertrauen hatte ich tatsächlich nur in die Wenigsten. 

Bevor ich aber weiter denken konnte, wurde ich von einem zerbrechenden Glas unterbrochen und der danach folgenden Stille. Ich schreckte hoch, da das wirklich unerwartet kam. Das einzige was man noch hörte, war die Musik, die im Hintergrund spielte. 

Ich schaute, wie alle anderen, in die Mitte der Bar. Dort schauten sich zwei Jungs, ungefähr in meinem Alter, wütend an. Ich konnte mir schon denken, was gleich folgte... Ehe ich wirklich zu Ende denken konnte, holte der andere auch schon zum Schlag aus. Er traf den anderen Jungen mitten ins Gesicht und er taumelte ein paar Schritte nach hinten. 

Dies ließ er sich aber nicht gefallen und schlug zurück. In wenigen Sekunden wurde aus den kleinen Schlägen eine richtige Schlägerei. Da wirklich keiner Anstalten machte, etwas dagegen zu unternehmen und sie alle nur drum herum standen, nahm ich das Ganze in die Hand.

Mit zügigen Schritten drängte ich mich durch die Massen von Menschen. Ich versuchte, mich zwischen die Jungs zu stellen und sie aufzuhalten. Die zwei erstmal auseinander zu bringen, um mich dazwischen zu stellen, war schon schwer genug, doch es klappte. Da die zwei aber weder mich beachteten noch aufhörten, schlug ich dem einen Jungen ins Gesicht, der auch angefangen hatte. Ich löste zwar keine Probleme mit Gewalt, naja eigentlich, aber keiner machte ja irgendwas. 

Er taumelte zurück und sah mich verblüfft und auch wütend an. Die Menge jubelte natürlich, aber er war sauer, sehr sauer. Ehe ich mich versah, schlug er mich zurück. Er traf mich mit seiner flachen Hand an der Wange. Durch die Wucht schnellte mein Kopf zur Seite und es fing sofort an zu brennen. 

Die Menge wurde leise. Man hörte nur noch das laute Atmen des Jungen vor mir. Ich konnte nichts mehr machen, da kam schon Marcel mit den Türstehern und John, meinem Chef. Die Türsteher gingen zielstrebig auf die Jungs zu, dicht gefolgt von Marcel. John kam direkt auf mich zu. "Bist du lebensmüde, geht es dir gut?", sprach er aufgebracht. Ein wenig außer Atem und leicht zitternd sprach ich: "Ja, es geht schon." 

Klar, meine Wange schmerzte, aber das war jetzt erstmal zweitrangig. Wichtiger waren diese Jungs. Sie wurden gerade von den Türstehern raus gebracht. Marcel, John und ich folgten ihnen. 

John, der als Chef natürlich eingreifen musste, war wütend und so sah ich ihn eigentlich nie. Trotz seiner Wut sprach er mit einer ruhigen Stimme: "So ihr zwei. Ihr erklärt mir jetzt mal ganz in Ruhe, was dieser Scheiß da drin sollte. Und vor allem wieso du..." und zeigt dabei auf den einen Jungen, "meiner Mitarbeiterin ins Gesicht schlägst." Er allerdings zeigte nur ein wenig Reue. "Sie hat zuerst zugeschlagen.", versuchte er, sich zu verteidigen.

Ich schaute verwirrt. "Ist das dein Scheiß Ernst? Du hast diesen Jungen doch zuerst geschlagen und ich bin nur dazwischen!" Ich war wütend. Jetzt sollte ich Schuld sein oder was? Ganz sicher nicht. "Das ist doch totaler Quatsch, Mimmi jetzt die Schuld zu geben. Sie wollte nur Schlimmeres verhindern.", mischte sich nun auch Marcel ein. Ich lächelte leicht, da er mich verteidigte. 

"Bevor das hier draußen ausartet, werde ich das alleine klären. Marcel, bring du doch bitte Mimmi wieder rein und gib ihr was zum Kühlen für ihre Wange. Ich seh doch von hier, dass diese rot ist.", sprach mein Chef in einem bestimmenden, aber ruhigen Ton. Wow, dass er so ruhig bleiben konnte. Marcel nickte und begleitete mich mit rein. 

Ich blieb noch einen Moment im Personalraum und kühlte meine Wange. Doch irgendwann kam John in den Raum. "Die zwei haben jetzt Hausverbot hier, es sollte also nicht mehr vorkommen. Wie geht es dir jetzt?" "Mir geht es gut, war wahrscheinlich eher der Schock, dass er Hand gegen mich erhoben hat.", sprach ich etwas leise. Er nickte. 

"Wieso bist du aber nicht gleich zu Bill und David gegangen? Dafür haben wir doch Türsteher.", er sah mich leicht vorwurfsvoll an. "Ich... Ich habe nicht nachgedacht. Es hat jeder nur zugeschaut und ich bin einfach dazwischen.", erklärte ich. "Okay, aber mach das nie wieder, wären die älter gewesen, wäre wahrscheinlich noch schlimmeres passiert.", er kam auf mich zu und umarmte mich kurz. 

"Jetzt geh aber nach Hause, es ist schon spät und du solltest dich ausruhen.", befahl er fast schon. Ich nickte und verschwand dann aus dem Raum. Beim Rausgehen spürte ich zwar einige Blicke auf mir, ignorierte diese aber gekonnt. 

Draußen an der frischen Nachtluft atmete ich einmal tief durch. Wo sollte ich jetzt hin? Es war kurz nach 2 Uhr und die Nacht war noch jung. Sollte ich nach Hause gehen oder wo sollte ich hin? 


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