Kapitel 54

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Milans Sicht

"Madam Rosa, wären Sie bitte so nett und würden Mimmi zum Frühstück herunterbitten.", forderte ich Madam Rosa auf, als sie noch eine Kanne Kaffee auf den Tisch stellte.

"Bei allem Respekt Mr. Sánchez, aber ich glaube nicht, dass Mimmi Gesellschaft zu Mute ist.", entgegnete sie. Madam Rosa war die Einzige, die so mit mir reden durfte. Alle anderen wären schon längst nicht mehr unter uns.

"Was hast du ihr denn gesagt?", mischte sich Diego ein, der ebenfalls am Tisch saß. "Sie wollte zu ihrem Onkel, aber du weißt, dass das aus gegebenem Anlass nicht möglich ist. Es ist zu ihrer Sicherheit und das sollte sie wissen.", erklärte ich ihm.

"Du verweigerst ihr den Besuch bei ihrem Onkel?", fragte Izzy ungläubig nach. Ich seufzte: "Im Augenblick ja. Bin ich der Einzige hier, der die Situation ernst nimmt?"

"Milan, wir nehmen die Situation auch ernst, aber Mimmi ist gut vorbereitet, sie kann doch wohl auch zu ihrem Onkel gehen. Sie ist zwar deine Freundin, aber du kannst sie hier nicht ewig einsperren.", versuchte mir Diego zu erklären, doch auf diesem Ohr hörte ich nichts.

Mimmis Sicherheit hatte für mich größte Priorität. Klar, sie konnte sich im Notfall verteidigen, doch mir war es dann doch lieber, wenn sie bei mir war.

"Es geht um ihre Sicherheit verdammt. Sie wird momentan ihren Onkel nicht besuchen gehen. Ende der Diskussion.", meinte ich mit lauter Stimme. Kurz sah ich, dass Diego noch etwas sagen wollte, doch zum Glück ließ er das bleiben.

Doch Izzy konnte ihren Mund nicht halten: "Für was haben wir sie denn dann trainiert? Zum Spaß und an der Freude? Genau für sowas haben wir sie vorbereitet."

"Isabelle, ich habe sie trainiert, um sie zu beschäftigen. Ich habe sie in Sicherheit gebracht und wollte nicht, dass sie sich langweilt, während sie hier ist. Also komm mir bitte nicht blöd, indem du sowas sagst.", erfand ich ziemlich schnell eine Ausrede.

Natürlich war das nicht der wahre Grund. Niemals hätte ich sie nur deswegen hier gelassen. Schon seit unserem ersten Treffen fand ich Mimmi besonders und ich wollte, dass sie bei mir in der Nähe bleibt.

Zudem wollte ich ja, dass sie sich verteidigen und andere angreifen konnte, jedoch kam es gerade hart auf hart. Und bei so einer Situation wollte ich nicht, dass Mimmi das Haus verlässt oder geschweige denn in Schwierigkeiten gerät.

"Aber jetzt ist sie deinetwegen sauer.", argumentierte Izzy. "Miss Evans ist sowieso nicht in ihrem Zimmer.", informierte Madam Rosa uns, die offensichtlich nach Mimmi geguckt hatte.

"Was soll das heißen?", fragte ich ungläubig nach, da ich das Ganze nicht wahrhaben wollte. "Miss Evans war vermutlich die ganze Nacht nicht in ihrem Zimmer, da ihr Bett gemacht ist und die Gardinen immer noch zugezogen sind. Das war aber beides ich, da die Sonne sonst zu sehr ins Zimmer geschienen hätte.", erklärte sie die Situation.

Kurz atmete ich tief durch. "Wie kann es sein, dass keiner mitbekommen hat, dass sie weg ist?", fragte ich mit einer ruhigen Stimme, um nicht auszurasten.

"Sie hat dein Auto genommen und ist weggefahren.", meinte Leo und setzte sich ebenfalls an den Tisch. "Und wie kann es sein, dass gerade du das mitbekommen hast und mir nichts gesagt hast?", fragte ich wieder ruhig.

"Ich wusste nicht, dass es ihr nicht erlaubt war. Ihr seid mittlerweile so lange zusammen, da könnte man annehmen, dass sie mehr Freiheiten hätte.", entgegnete er in einem genauso ruhigen Ton wie ich, was ein wenig provokant wirkte.

Ich seufzte. War es zu viel verlangt, eine junge Frau hier zu behalten?

Leicht sauer stand ich vom Tisch auf und lief ins Wohnzimmer. Diego folgte mir einen Moment später. "Was hast du jetzt vor? Sollen wir sie suchen?", schlug er vor. "Und sie auf gut Glück finden? Niemals, das verbraucht zu viel Zeit.", entgegnete ich ihm und ordnete meine Gedanken.

"Hast du sie mal angerufen?", fragte er mich. "Ja, aber es geht direkt die Mailbox dran.", antwortete ich.

"Sie wollte doch zu ihrem Onkel.", dachte ich laut. "Ich rufe bei ihm an, einfach, um sicher zu gehen. Wahrscheinlich ist sie eh da, aber ich möchte einfach sicher gehen.", meinte ich und griff in meiner Hosentasche nach meinem Handy.

Die Handynummer ihres Onkels hatte ich zum Glück eingespeichert. Zur Not wäre ich auch vorbei gefahren, aber ich wollte Mimmi nicht den Anschein geben, als würde ich ihr gar nicht vertrauen.

"Hallo, Milan. Schön mal wieder von dir zu hören.", ertönte es am anderen Ende der Leitung. "Hallo. Ich will dich gar nicht lange von deiner Arbeit abhalten, aber ist Mimmi bei dir?", kam ich direkt zum Punkt. Er schien kurz zu stutzen. "Nein, Mimmi hat die nächsten zwei Wochen noch frei. Ich habe sie zuletzt gesehen, als ihr nach eurem Urlaub hier wart. Wieso? Gibt es ein Problem?", fragte er nach, als hätte er gewusst, dass etwas nicht stimmte.

Einen kurzen Moment musste ich über meine Antwort nachdenken. "Ah okay, alles gut. Madam Rosa hat mir gerade gesagt, dass Mimmi den Wocheneinkauf übernehmen wollte.", versuchte ich ihm weis zu machen, obwohl nichts davon stimmte. "Tut mir leid, dass ich gestört habe, Colin. Tschüss.", beendete ich das Gespräch so schnell wie möglich, um keine Zeit zu verlieren.

"Und nun?", fragte Diego, der das Gespräch mitgehört hatte. "Jetzt müssen wir hoffen, dass Mimmi ihre Uhr an hat. Rufst du bitte alle in den Besprechungsraum?", bat ich ihn. Er nickte und verschwand aus dem Wohnzimmer.

Mit einem unwohlen Gefühl im Magen setzte ich mich noch einmal auf die Couch. Mein Kopf malte sich die schlimmsten Dinge aus. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass meine Befürchtung richtig war.

"Was ist jetzt mit Mimmi?", fragte mich Izzy, als ich den Besprechungsraum betrat. "Bei ihrem Onkel ist sie jedenfalls nicht. Ich habe mit ihm telefoniert, er hat zwar gefragt, ob irgendwas los sei, doch ich möchte nicht, dass er sich Gedanken macht. Er denkt, dass Mimmi den Wocheneinkauf übernommen hat und deswegen jetzt erstmal nicht da ist.", erklärte ich in die Runde. Izzy, Diego, Marco, Alice und zwei meiner engsten Männer standen mit im Raum und merkten sich jedes Detail.

"Doch ich gehe jetzt vom Schlimmsten aus. Marco, wärst du so lieb und schaltest das Hologramm ein. Orte bitte Mimmi und dann wissen wir ja, wo sie ist.", meinte ich.

Marco widmete sich dem Laptop zu und ortete Mimmi. Der Laptop und das Hologramm waren miteinander verbunden, sodass Marco uns auf dem Hologramm der Stadt alles zeigen konnte. "Also, dein Auto konnte ich jetzt erstmal schneller orten, Milan. Mimmi ist gestern Abend über die Innenstadt zu dieser Straße hier gefahren.", erklärte er und deutete auf die jeweiligen Straßen.

"Dort müsste das Auto immer noch stehen und laut meinen Recherchen wohnt in dieser Straße auch Madam Rosett, die Frau von der Mimmi erzählt hat.", erklärte Marco weiter. "Ja, Mimmi wollte mal wieder mit dem Hund von der Frau Gassi gehen.", meinte ich.

"So viel zu deinem Auto.", sagte Marco. Die Sicht änderte sich und man konnte auf dem Hologramm einen grünen Punkt sehen. "Hier sind wir.", meinte Marco. Er fügte noch den blauen und auch den roten Punkt hinzu. "Und hier sehen wir Blau und Rot.", erklärte Marco und sah mich wissend an.

Meine Adern verkrampften sich und ich konnte meinen schneller werdenden Herzschlag im ganzen Körper spüren. Jeder hier im Raum wusste, was das bedeutete und jeder wartete auf irgendeine Reaktion von mir. Doch ich blickte nur noch ein letztes Mal auf das Hologramm, ehe ich den Raum verließ.

"Was ist jetzt mit Mimmi?", fragte Leo, der ebenfalls besorgt wirkte und mich vor dem Besprechungsraum abfing.

Ernst sah ich ihn an, während ich die Worte, die ich niemals aussprechen wollte, sprach: "Mario hat sie."

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