Kapitel 55

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Mimmis Sicht

Dunkelheit - in Wirklichkeit hat man Angst, nicht alleine zu sein.

Erschrocken öffnete ich meine Augen, doch sah nichts. Rein gar nichts. Nur die Dunkelheit umhüllte mich. War ich tot? Fühlte sich so das Ende eines Lebens an, welches noch nicht richtig gelebt wurde?

Allerdings konnte ich diesen Gedanken ziemlich schnell loswerden, da meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und ich leichte Umrisse des Raumes erkennen konnte.

Es schien, als wäre ich in einem Abstellraum oder sowas. Allerdings stand der Raum so gut wie leer. Nur ich lag auf einer Art Bett. Moment, was? Ich wollte aufstehen, doch auch das gelang mir nicht. Sowohl meine Füße als auch meine Hände waren an Metallketten festgekettet.

Die kühle Luft des Raumes umhüllte mich und mit einem Mal war mir total kalt. Dadurch, dass die Luft meinen Körper strich, wusste ich, dass ich nicht mehr viel anhaben musste. Mein Sommerkleid, welches ich vorher an hatte, hätte mich wenigstens noch ein bisschen gewärmt. Doch so musste ich nur in Unterwäsche hier liegen. In einem Raum, den ich nicht kannte, auf einem Holzbrett, das mehr als unbequem war und an ein altes Krankenhausbett erinnerte, und ich mich vermutlich an einem Ort befand, den ich niemals freiwillig besucht hätte.

Krampfhaft versuchte ich mich an die Situation zu erinnern. Ich war mit dem Hund von Madam Rosett spazieren und dann, was war dann? Mein Kopf versuchte jedes Detail zu rekonstruieren, doch das war schwieriger als gedacht.

Moment mal. Jemand hatte mir ein Tuch ins Gesicht gedrückt und mich dann mitgenommen. Da waren so Männer, es müssten drei gewesen sein und eine Stimme kam mir bekannt vor. Als hätte ich sie schon mal gehört, doch ich konnte sie nicht zuordnen. Wer war das?

Verzweifelt versuchte ich mich von den Metallketten zu lösen, doch es sollte mir einfach nicht gelingen. Die Ketten waren so eng um mein Handgelenk gebunden, dass ich bestimmt schon Abdrücke von ihnen hatte.

Doch je mehr ich versuchte, mich von den Ketten zu lösen, desto verzweifelter und panischer wurde ich. Mehr als nur Panik machte sich in mir breit und ich stand gefühlt vor einem Nervenzusammenbruch. Ganz ruhig, Mimmi. Ein- und ausatmen, ein- und ausatmen. Diese Worte versuchte ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu holen. Und tatsächlich hatte ich das Gefühl, ruhiger geworden zu sein.

Trotzdem musste ich hier irgendwie weg. Nur wie? Oder war ich noch Zuhause? War das die Strafe von Milan? Nur weil ich zu Madam Rosett und zu meinem Onkel wollte? Zu meinem Onkel... Ich hatte ihn schon echt lange nicht mehr gesehen und wollte ihn deshalb mit meinem Besuch überraschen. Im Nachhinein war ich froh, dass ich mich vorher nicht angekündigt hatte. Er hätte sich bestimmt Sorgen gemacht, wenn ich nicht da gewesen wäre.

Doch damit hätte jemand mitbekommen, dass ich von wem auch immer entführt worden bin. Ob Milan wusste, wo ich war? War er noch sauer auf mich? Fragen über Fragen, doch diese konnte ich nur lösen, wenn ich diese Ketten los bekommen würde.

Allerdings stoppte ich mein Vorhaben, an den Ketten zu ziehen, als ich Schritte im Flur hörte. Die Panik kehrte zurück und da ich nicht wusste, was ich machen sollte, stellte ich mich schlafend. Ich war zwar mehr als neugierig, wer das Zimmer betreten würde, doch die Angst stand momentan vor meiner Neugier.

Die Tür wurde aufgerissen und den Schritten zur Folge betraten zwei Männer den Raum. "Wie kann es sein, dass dieses Mädchen immer noch bewusstlos ist?", meinte der eine Mann mit einer tiefen Stimme. "Früher oder später wird sie eh aufwachen, ob das heute oder morgen ist, ist dem Boss auch egal.", entgegnete der andere Mann so, als ob es ihn gar nicht interessieren würde. Gut, wieso sollte ihn das auch interessieren? Hier lag ja nur ein 19-jähriges Mädchen in Unterwäsche, was mal eben so verschleppt wurde. Idioten.

"Weißt du, was der Boss mit ihr machen will?", fragte der zweite Mann nach einem Moment der Stille. "Umbringen.", entgegnete der andere Mann trocken und ich merkte, wie mein Herz mehrere Aussetzer machte. Ich wollte noch nicht sterben. Ich hatte mein ganzes Leben doch noch vor mir.

"Nein Spaß. Keine Ahnung, was er mit ihr vor hat. Ich glaube nicht, dass wir sie so vorsichtig entführen, nur damit sie am Ende so schnell umgebracht wird. Wenn wäre das eh vor Milans Augen und nicht heimlich im Keller.", meinte der Mann. Ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder noch ängstlicher sein musste.

Die zwei Männer waren natürlich auch so raffiniert, dass sie keinen Namen erwähnten, sondern immer nur Boss sagten. Das machte es mir nicht gerade leichter zu wissen, wo ich war. In einem Keller also. Blöd nur, dass so gut wie jedes Haus einen Keller besaß. Jedoch schienen diese Männer und ihr Boss Milan zu kennen. Sonst würden sie nicht wollen, dass ich vor Milans Augen sterbe.

Ich wusste, dass Milan viele Feinde hatte oder auch Leute, die unsere Beziehung nicht für gut hießen. Wenn ich da an Pablo oder Michelle zurück dachte, wurde ich schon wieder sauer.

"Wobei schlecht sieht sie ja wirklich nicht aus. Scheint, als hätte Milan doch Geschmack.", meinte der eine Mann und bei diesen Worten wurde mir schlecht. Ich hätte ihm ja so gerne eine rein gehauen oder wenigstens meinen Körper verdeckt, allerdings wollte ich weiterhin den Anschein wahren, dass ich noch bewusstlos war.

"Halt deinen Mund. Sowas ist ekelhaft, sie könnte deine Tochter sein, also reiß dich wenigstens etwas zusammen.", erwiderte der andere Mann. Für diese Worte war ich ihm mehr als nur dankbar. Schade, dass ich mich nicht bedanken konnte. Wenn ich die Männer jemals zu Gesicht bekäme, könnte ich sie eh nicht auseinanderhalten. Ihre Stimmen klangen zu ähnlich.

"Ist ja schon gut, aber solange sie noch bewusstlos ist, können wir eh nichts tun.", meinte der andere Mann wieder. "Wir sagen dem Boss Bescheid. Wenn sie in 24 Stunden immer noch nicht wach ist, sollten wir uns echt was überlegen. Für eine so lange Zeit ist keiner bewusstlos.", entgegnete der Mann. Süß, der Mann machte sich ja wirklich Sorgen. Kurz danach hörte ich, wie die Tür wieder ins Schloss fiel. Sie waren wieder weg.

Endlich traute ich mich auch wieder, meine Augen zu öffnen. Der Raum war immer noch ein wenig dunkel, jedoch hing an der Decke eine Lampe, die schwach leuchtete. So konnte ich aber wenigstens den Raum besser sehen.

Der Raum stand wirklich fast leer. Nur ein klappriger Holzstuhl stand in der rechten Ecke und ein alter Holzschrank war noch zu sehen. Erst jetzt bemerkte ich auch, dass ich wirklich nur Unterwäsche trug. Gut, das war von Anfang an meine Vermutung, jedoch wollte ich diese nicht wahrhaben. Allerdings lag ich tatsächlich nur auf einem Brett. Das Brett schien sogar etwas höher gelegen zu sein. Wenn jemand neben mir stehen würde, wäre ich wahrscheinlich so auf Hüfthöhe mit ihm.

Doch weitere Versuche, den Raum zu betrachten, scheiterten, als plötzlich die Tür schwungvoll geöffnet wurde. Ein Mann, von dem ich schon zu viel gehört hatte und dem ich leider schon einmal begegnet war, betrat den Raum.

"Hallo, Kleines. Du bist ja doch wach, schön dich wieder zu sehen."

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