Kapitel 35

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Frisch geduscht, geschminkt und fertig angezogen stand ich nun vor dem Spiegel. Unsicher und misstrauisch musterte ich mich. Das weinrote Satinkleid war eindeutig zu kurz. Ich versuchte es zwar ein wenig runter zu ziehen, doch ohne Erfolg. Der Tatsache ins Auge sehend, dass das Kleid nur knapp über meinen Hintern ging, nahm ich mir noch die kleine Tasche, die auf meinem Bett lag.

Mittlerweile kannte ich mich auch besser hier aus, sodass ich den Weg runter relativ schnell fand. Im Flur unten standen bereits Milan, Diego und auch Marco war mal wieder da. "Marco, schön dich mal wieder zu sehen.", begrüßte ich ihn.

Sofort galt die Aufmerksamkeit nicht mehr ihrem Gespräch, sondern mir. Alle drei sahen mich mit großen Augen an, doch Milan musterte mich besonders. "Shit.", brachte er nur von sich und Diego musste grinsen. "Ich verteidige sie hier, Kumpel. Aber du hast ihr das Kleid ausgesucht und nicht sie.", meinte er lachend. Ich schenkte Diego einen dankenden Blick.

Milan seufzte, wandte sich dann aber zu Diego: "Ich habe doch gar nicht gemeckert, also alles gut." Die Ruhe in seiner Stimme wirkte fast schon bedrohlich. "Ich sage es ja nur.", erwiderte Diego und hielt ergebend seine Hände in die Luft.

"Du siehst bezaubernd aus, Liebes.", hauchte Milan mir ins Ohr und nahm mir meine Tasche ab. "Das müsste passen, oder?", meinte er, als er wieder zu Diego und Marco ging. Beide betrachteten die Tasche genaustens. "Ja, das passt perfekt.", entgegnete Marco und gab Milan die Waffe. Warte was? Was hatten die vor?

Misstrauisch beobachtete ich Milan, wie er die kleine Pistole in meiner Handtasche verstaute. "Was soll das werden?", fragte ich ihn und versuchte, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Doch Milan bemerkte diese: "Keine Sorge, die ist einfach nur für den Notfall. Sollte zwar nicht nötig sein, aber sicher ist sicher."

Stumm nickte ich. Geheuer war mir das natürlich nicht, aber diskutieren wollte ich auch nicht. Also nahm ich die Tasche wieder und versuchte nicht an den Inhalt zu denken. Milan nahm allerdings auch eine Pistole an sich und erst jetzt fiel mir auf, wie gut er doch aussah mit seiner schwarzen Jeans und seinem schwarzen Hemd.

Doch bevor er meinen Blick bemerken konnte, nahm er sich seinen Autoschlüssel und wandte sich zu mir: "Bereit?" Ich nickte und hakte mich bei ihm ein. Gemeinsam verließen wir nun sein Haus.

Während der Autofahrt machte ich mir einige Gedanken. Wie würde es wohl sein? Würde den Leuten auffallen, dass ich nicht Milans Freundin war? Wenn doch, was war dann?

"Mach dir nicht so viele Sorgen, es wird schon gut gehen.", beruhigte mich Milan. "Ich kenne die zwei sehr gut, wir machen schon seit Jahren gemeinsame Geschäfte, da kann dir nichts passieren.", fuhr er fort, nachdem ich nichts sagte.

"Okay, ich vertraue dir einfach mal.", meinte ich und sah ihn mit einem leichten Lächeln an. "Aber musst du mit deinem Auto so angeben? Die Leute gucken ja schon.", fügte ich noch hinzu, da er mit seinem Auto immer mal wieder den Motor aufheulen ließ. Und in den vollen Straßen von Los Angeles blieb das natürlich nicht wirklich unbemerkt.

Milan musste grinsen: "Tja, wer kann der kann." Ich verdrehte die Augen. Er hatte zwar Recht, ja, aber er musste immer noch einen drauf setzen. Wir saßen doch schon in einem teuren Sportwagen und dann noch das. Typisch Männer.

Doch irgendwie sorgte die Unterhaltung dafür, dass ich mich den Rest der Fahrt etwas besser fühlte. Ich war nicht mehr so krass nervös wie vorher und generell die Stimmung war etwas lockerer.

Als Milan dann auf den Parkplatz fuhr, schaute ich mich direkt um. Es wirkte nicht so, als würden wir hier zu einer Bar gehen. Unsicher tat ich es ihm aber gleich und stieg auch aus. Die warme Nachtluft umhüllte einen wieder sofort, doch mir war immer noch unwohl. Instinktiv griff ich in meine Tasche und ließ meine Hand auf der kleinen Pistole. "Ich dachte, wir gehen in eine Bar, das sieht mir hier nicht so aus.", sagte ich ihm.

Der Parkplatz war eingegrenzt und dichte Hecken versperrten die Sicht auf die Straßen. Das einzige, was mich beruhigte, war, dass hier viele Autos standen. So waren wir wenigstens nicht wirklich alleine.

"Hatte ich das nicht erwähnt?", fragte er und sah mich erwartungsvoll an. "Das Treffen wurde in ein Restaurant verschoben, hier haben wir mehr Ruhe.", sagte er und ich spürte, dass sich Erleichterung in mir breit machte. Also doch nichts schlimmes. Nach seiner Aussage verschwand auch meine Hand wieder aus meiner Tasche.

Gemeinsam betraten wir nun das Gebäude und standen schneller als gedacht im Aufzug nach oben. "Am besten ist es, wenn du mich reden lässt. Rede du einfach nur das Nötigste mit ihnen. Sie werden dich wahrscheinlich ein bisschen ausfragen, da sie dich ja als meine Freundin kennenlernen, aber wenn es zu viel wird, gehe ich dazwischen. Wenn du dich unwohl fühlst, gib mir einfach ein unauffälliges Zeichen. Ansonsten versuche ich, das hier alles nicht als so lange zu halten.", erklärte er mir.

"Wieso muss ich nochmal mit?", fragte ich ihn und atmete hörbar aus. Milan grinste. "Sieh es als Entschädigung dafür, dass du mich verprügelt hast.", meinte er trocken.

Die Aufzugtür ging auf und Milan verschränkte seine Hand mit meiner, ehe wir raus traten. Direkt kam auch ein Kellner auf uns zu. "Guten Abend, Mr. Sánchez und Mrs. Sánchez nehme ich mal an.", meinte er, musste bei mir aber kurz überlegen.

Milan nickte und ging nicht weiter darauf ein, dass ich diesmal als seine Frau angesprochen wurde. Im Gegenteil, er hatte sogar ein dämliches Grinsen im Gesicht. Idiot.

Der Kellner führte uns zu einem Tisch, der eher abseits stand. An diesem saßen auch ein etwas älterer Mann und ein Mann, der ungefähr in Milans Alter sein musste.

Als die zwei uns sahen, mussten beide lächeln, was mir ein beruhigendes Gefühl gab. Milan begrüßte die zwei und ganz gentlemanlike zog er meinen Stuhl zurück, sodass ich mich setzen konnte. Er selbst nahm neben mir Platz. Nun saßen wir den zwei Männern gegenüber.

"Das ist also deine Freundin von der alle reden.", meinte der ältere Mann und ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke. Die redeten alle über mich? Och manno. Ich dachte, das würde nicht so auffallen mit Milan.

Milan musste lächeln: "Genau, das ist Mimmi." Ich lächelte beide freundlich an, nachdem Milan mich vorstellte. "Freut mich wirklich sehr, meine Liebe. Ich bin ja froh, dass Milan den richtigen Weg noch gefunden hat.", entgegnete wieder der ältere Mann.

"Das ist übrigens Mr. Berlusconi und das ist sein Sohn Pablo.", stellte nun Milan die zwei Männer vor. "Freut mich ebenfalls.", sagte ich mit einem ehrlichen Lächeln. Die zwei wirkten wirklich nicht gefährlich und würde ich es nicht besser wissen, würde ich niemals denken, dass sie in Mafia-Geschäfte verwickelt sind.

Gut, das dachte ich bei Milan, Diego und Marco auch nicht und habe sie einfach in meine Suite gelassen. Ups.

Kurze Zeit später kam auch wieder der Kellner und nahm unsere Bestellung auf. Den Abend in einem Restaurant zu überstehen, war mir dann doch lieber als in einer Bar. Da hatte Milan Recht.

"Milan, sie weiß aber von all dem hier, oder?", fragte Mr. Berlusconi. Milan sah zuerst mich und dann Mr. Berlusconi wieder an: "Ja, größtenteils. Sie weiß Bescheid."

Mr. Berlusconi lehnte sich zurück. "Gut, dann können wir ja offen reden. Ich war am Anfang unsicher, dass du eine Freundin hast, aber wenn sie über alles Bescheid weiß, ist gut.", antwortete er.

Als Milan mir einen warmen Blick schenkte, konnte ich diesen nicht ganz deuten. Es war irgendwie eine Mischung aus -es ist okay, dass du hier dabei sitzt und alles mitbekommst- und -vielleicht war es doch keine so gute Idee, du kennst meine Geschäfte nicht-.

Unsicher rückte ich mich auf meinem Stuhl zurecht. Nicht nur, dass mir die Situation doch etwas unangenehm war, nein, das Kleid war immer noch viel zu kurz...

Mr. Berlusconi sah uns interessiert an: "Aber erzählt doch mal, wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?"

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