Kapitel 50

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(Musik kann direkt zu Beginn laufen)

Ich erwiderte Milans Lächeln und ergriff seine Hand: "Aber natürlich, Mr. Sánchez." Dabei machte ich einen leichten Knicks vor ihm.

Er führte mich in die Mitte der Tanzfläche und wir stellten uns so auf, dass wir tanzen konnten. "Du kannst doch tanzen, oder?", flüsterte er mir zu. Ich nickte.

Die Musik begann zu spielen und wirklich alle Blicke lagen auf uns. Ich hatte Glück, dass ich damals einen Tanzkurs besucht hatte und daher ein paar Schritte konnte. Ansonsten wäre das ziemlich peinlich geworden.

Doch wirklich viel machen musste ich nicht. Milan schien einige Erfahrungen zu haben, denn er führte mich die ganze Zeit. Seine eine Hand lag auf meiner Taille, die andere hielt meine Hand - fast wie beim Walzer.

Der Moment schien nicht perfekter zu sein. Die Musik spielte und die Aufmerksamkeit galt uns. Einige Tanzschritte lang blieb das auch so, bis dann schließlich ein Tonartwechsel kam und die anderen Gäste dem Tanz einstiegen.

Es war wie im Film. Alles harmonierte, alle waren glücklich. Aus dem Augenwinkel sah ich Giulia und Giovanni, die ebenfalls tanzten. Auch Diego und Izzy ließen sich das Ganze nicht entgehen und tanzten. Es war, als stünde die Zeit still. Als gäbe es nur diesen Moment. Als gäbe es keinen Morgen.

Ich konzentrierte mich weiterhin auf die Tanzschritte und die Musik, die dazu spielte. Beim nächsten Tonartwechsel ließ Milan von meiner Taille ab und hielt seine Hand in die Höhe, sodass ich mich einmal um mich selbst drehte.

Kurz danach lag seine Hand wieder da, wo sie vorher lag. Er sah mir tief in die Augen und schenkte mir ein warmes Lächeln. Ich erwiderte sein Lächeln. Als er dann meine Hand losließ und ebenfalls auf meiner Taille lag, wurde mir warm ums Herz.

Wie automatisch wanderten meine beiden Hände zu seinem Nacken. Zwischen uns beiden hätte kein einziges Blatt mehr gepasst, so nah tanzten wir zusammen. Die Schmetterlinge in meinem Bauch flatterten wild umher und dieses Gefühl in mir wurde stärker. Dieses Gefühl, jemanden zu lieben und nie wieder loslassen zu wollen.

Denn in diesem Moment wurde mir das klar, vor dem ich mich eigentlich die ganze Zeit geweigert hatte - ich hatte mich verliebt. Und dieser jemand war niemand geringerer als der Mann, mit dem ich gerade Arm in Arm tanzte.

Doch auch im selben Moment machte sich Unsicherheit in mir breit. Was, wenn er nicht auch so empfand wie ich? Was, wenn er mich nur ausnutzen würde? Was, wenn er mich genauso hintergehen würde, wie ich es schon mal erlebt hatte?

"Liebes, wo sind deine Gedanken gerade?", holte Milan mich aus meinen Gedanken zurück. Er flüsterte mir die Worte so ins Ohr, dass sich eine Gänsehaut auf meiner Haut ausbreitete. Ich zuckte allerdings nur mit meinen Schultern und blickte wieder ins Leere.

Er atmete einmal tief durch, ehe er anfing zu sprechen: "Du erinnerst dich vielleicht noch an heute Morgen, wo ich dann so komisch war, als Diego reinkam. Da wollte ich dir eigentlich was Wichtiges sagen." Ich ließ von ihm ab und sah ihn mit großen Augen an. Die Zeit blieb stehen. Es war, als hätte jemand auf Pause gedrückt.

"Mimmi, ich liebe dich."

Mein Herz machte einen Sprung. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Immer noch erwartungsvoll sah er mich an. Ohne groß zu überlegen legte ich meine Hände wieder um seinen Nacken und presste meine Lippen auf seine. Sofort erwiderte er den Kuss. Seine Lippen waren weich und fordernd. Der Moment war unbeschreiblich, es war wirklich wie in einem Film. Mit seiner Hand strich er mir langsam über den Rücken und drückte mich noch ein kleines Stück näher an sich.

Ich löste mich von seinen Lippen und sah ihm glücklich in die Augen. "Ich liebe dich auch, Milan Sánchez.", flüsterte ich ihm ins Ohr. Er musste auch lächeln. Wie von allein verschwanden meine Sorgen, die ich kurz vorher noch hatte.

Die Menge applaudierte und man hätte meinen können, der Applaus hätte sich auf uns bezogen, doch die Musik und so auch der Tanz war zu Ende.

Nach dem Tanz gab es erstmal Essen. Am Buffet gab es viele kleine Leckereien und auch noch Sekt, an dem sich Roberto am meisten bediente.

Und so saßen Milan und ich an einem runden Tisch, wo ich keinen kannte. Milan hingegen schien alle von irgendwoher zu kennen und unterhielt sich mit ihnen. "Und ihr zwei seid verheiratet oder wie?", fragte eine Frau, die etwas älter war als ich und uns gegenüber saß. Ihre Stimme klang dabei nicht so sehr erfreut.

Milan legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und sprach zu der Frau: "Verlobt, ja." Die Frau musterte mich. "Aha und wann heiratet ihr?", wollte sie wissen, wieder in diesem abwertenden Ton. Noch unhöflicher ging es bei ihr auch nicht.

"Dauert nicht mehr lange. Aber sag mal, Michelle, wie läuft es denn bei dir?", fragte Milan sie und man konnte ein kleines bisschen Provokation heraushören. Schien so, als kannten sie sich schon länger.

"Ach, du weißt schon. Hier und da mal ein Mann. Aber ich muss sagen, der Sex mit dir war schon am besten. Sollten wir mal wiederholen.", redete sie einfach, als wären wir alleine an dem Tisch. Diese Frau nahm echt kein Blatt vor den Mund. Die anderen, die bei uns saßen, schienen, als würden sie das Gespräch überhören.

Doch so etwas musste ich mir mit meinen 19 Jahren nicht anhören. Kurzerhand stand ich vom Stuhl auf. "Ich gehe mal an die frische Luft, hier ist es etwas stickig.", teilte ich Milan mit und machte mich auf in das Obergeschoss. Ein paar Menschen waren auch hier, die mich zwar etwas komisch ansahen, sich allerdings wieder ihrem Gespräch widmeten.

Das Gebäude hatte zum Glück einen großen Balkon, der mir schon aufgefallen war, als wir ankamen. Die angenehme Sommernachtluft umhüllte mich und man konnte perfekt in den klaren Nachthimmel blicken. Ich stellte mich ein Stückchen näher an die weiße Brüstung und wandte meinen Blick nicht vom Himmel ab.

Unwillkürlich musste ich an meine Eltern denken. Was wäre geschehen, wenn sie noch leben würden? Hätte ich dann jemals Milan kennengelernt? Würde ich dann immer noch nicht die Wahrheit kennen?

Ich war mal wieder so in Gedanken versunken, dass ich zusammen zuckte, als sich zwei starke Arme um meine Taille legten. "Shhh, Liebes, ich bin's.", flüsterte Milan mir ins Ohr. "Das mit Michelle ist schon lange her. Da brauchst du dir keine Sorgen machen.", erklärte er mir und strich mir dabei langsam über den Unterarm.

"Madam Rosa hat aber schon gesagt, als ich bei dir aufgewacht bin, dass du öfters mal Frauen mit nach Hause nimmst.", gab ich etwas kleinlaut von mir. Die Worte von ihr blieben mir total in Erinnerung.

Er seufzte. Dies war aber kein genervtes Seufzen. "Du weißt aber auch, dass sie sagte, dass du die einzige bist, um die ich mich kümmere? Das mit anderen Frauen war, bevor wir uns kannten. Glaub mir, ich würde dich niemals hintergehen.", erklärte er mit einer ruhigen und ehrlichen Stimme.

Er drehte mich so, dass ich ihm in die Augen gucken musste. Erst wegen seinem Blick, bemerkte ich die Tränen, die nach und nach meine Wangen herunter kullerten. Mit seinem Daumen strich er mir langsam die Tränen von meiner Wange.

"Du bist so bezaubernd, Mimmi Evans. Niemals könnte ich dir etwas antun.", flüsterte er mir zu.

Ehe ich mich versah, lagen seine Lippen wieder auf meinen. Meine Hände fanden wie von selbst den Weg zu seinem Nacken, an dem ich nach Halt suchte. Auch er verstärkte seinen Griff um meine Hüfte und drückte mich näher an ihn.

Seine Lippen waren genauso weich wie vorhin, nur diesmal konnte man ganz leicht den Sekt schmecken, den er vorher getrunken hatte. Allmählich wurde der Kuss immer fordernder, doch wir wurden von einem Räuspern unterbrochen.

"Ich störe euch zwei ja wirklich ungern, aber wir wollen los.", informierte uns Diego, der an der Tür zum Balkon stand und am Türrahmen lehnte. Sein Grinsen konnte man dabei nicht übersehen. "Wir sind gleich unten.", meinte Milan und Diego ging schon mal runter. Die Situation war mir etwas unangenehm, aber lieber Diego als Milans Tante oder Onkel.

"Du musst nicht rot werden, Liebes.", sagte er zu mir und sah mir tief in die Augen. "Und lass dir eins gesagt sein, ich werde dich immer lieben und beschützen, egal was kommt, mein Herz.", flüsterte er mir zu und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

"Ich liebe dich.", erwiderte ich.
"Ich liebe dich auch.", entgegnete er lächelnd.

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