Kapitel 43

568 31 6
                                    


Genervt verdrehte er die Augen, als ich mich immer noch nicht rührte. Schneller als ich denken konnte, stand Milan vor mir und sah mich mit einem ernsten Blick an. "Bring mich nicht dazu, Gewalt anzuwenden.", flüsterte er mir zu und packte mein Zeug zusammen.

"Bist du fertig?", fragte er mich und deutete auf meine Klausur. "Ja, ja, denke schon.", stotterte ich. "Wobei ich müsste nochmal drüber lesen.", fügte ich noch hinzu. Doch er ging schon auf meinen Professor zu. Als ich ihn eingeholt hatte, drehte er sich zu mir: "Du brauchst nicht drüber lesen, du hast es bestimmt richtig."

"Ehm, Sie können Mimmi nicht einfach mitnehmen, hier wird eine wichtige Prüfung geschrieben.", meinte mein Professor und war selbst sichtlich verwirrt über die Situation. Doch Milan sah ihn emotionslos an. "Sie ist fertig, wo liegt das Problem? Außerdem ist sie meine Frau, da liegt das ja wohl in meiner Hand.", entgegnete er, griff mein Handgelenk und zog mich förmlich aus dem Raum.

"Spinnst du? Du kannst mich doch nicht einfach aus der Klausur holen.", meckerte ich ihn an, während er mich fast schon durch den Flur zog. "Und wie ich das kann. Hast du doch eben gesehen.", meinte er trocken und verlangsamte seinen Schritt natürlich nicht. Stattdessen zog er mich weiter Richtung Ausgang.

"Was willst du überhaupt von mir? Ich bin nicht ohne Grund gegangen.", fragte ich ihn und er stoppte endlich mal. Er sah mich mit so einem Blick an, den ich mal wieder nicht deuten konnte. Ich könnte schwören, einen kurzen Moment lang gesehen zu haben, dass er verletzt war. Doch dies musste ein Irrtum gewesen sein.

"Wir haben noch was vor. Schon vergessen?", meinte er, griff erneut mein Handgelenk und lief weiter. Und da fiel es mir wieder ein. Shit, ich habe im Café nicht mal gelogen, es ging wirklich in den Urlaub, falls man es so nennen konnte. Sizilien. Natürlich musste es Sizilien sein. Wieso konnte es denn kein Nachbarstaat sein?

"Was war nochmal der Grund für Sizilien?", fragte ich geradewegs, da ich wirklich keine Idee mehr hatte. Er sah mich skeptisch an, antwortete mir aber netterweise: "Immer noch der Geburtstag meiner Tante."

Ich stoppte. "Oh nein, ganz sicher nicht. Nicht mit mir, nicht nach Sizilien.", sagte ich und versuchte, mich aus seinem Griff zu lösen. "Ganz sicher doch. Ich habe meiner Tante bereits zugesagt, außerdem besteht sie darauf, dass meine Freundin mitkommt.", erwiderte er.

"Ich bin aber nicht deine Freundin. Such dir gefälligst eine Neue.", maulte ich und versuchte, mich weiterhin von ihm zu lösen. Weiterhin, aber ohne Erfolg. "Verdammt.", murmelte ich zu mir selbst, als ich bemerkte, dass das nichts brachte.

"Liebes, ich habe dir doch eben schon erklärt, dass ich keine Gewalt anwenden möchte.", meinte er ruhig. "Und was soll ich meinem Onkel sagen? Langsam wird es auffällig und er merkt, dass etwas nicht stimmt.", entgegnete ich. Ha, da konnte er sich nicht rausreden.

"Ach, mach dir da keine Sorgen. Ich war vorhin bei ihm und wir hatten ein nettes Gespräch.", waren seine Worte und ich stockte. Milan war bei ihm? Och nö, was sollte das denn? Jetzt hatte ich keinen Grund mehr, den ich Milan nennen konnte.

"Du kannst dir so viele Ausreden suchen, wie du willst, aber am Ende des Tages befinden wir uns auf italienischem Boden.", sagte er mit so einer Strenge in der Stimme, dass ich fast schon Angst bekam - aber nur fast.

Ohne noch ein Wort zu sagen, lief ich neben ihm weiter, bis wir schließlich an seinem Auto ankamen.

"Steig ein.", sagte er wieder mit dieser gewissen Strenge. Ohne Widerworte zu geben, stieg ich ein. Es hatte ja eh keinen Sinn mit ihm zu diskutieren. Ich musste mit, egal ob ich wollte oder nicht.

"Was hast du meinem Onkel erzählt?", fragte ich ihn, nachdem wir schon einige Minuten auf den Straßen von LA fuhren. "Die Wahrheit kann es ja wohl nicht gewesen sein.", fügte ich noch mit einem ironischen Ton hinzu.

"Naja, da ich ihm ja letztes Mal erzählt habe, dass wir in Venedig seien, wäre es zu auffällig gewesen, wenn es wieder Italien wäre. Also ist es jetzt mal Paris.", meinte er trocken und blickte weiterhin auf die Straße.

"Du scheinst Europa ja echt zu mögen.", entgegnete ich und sah auf mein Handy. Eine Nachricht meines Onkels. Viel Spaß in Frankreich, du weißt ja, Paris ist die Stadt der Liebe...
PS: für Kinder bist du noch zu jung!

Meine Augen weiteten sich, als ich das las. Ich sah Milan von der Seite an. War das absichtlich gewesen? Hatte er deshalb Paris gesagt?

"Wie sieht überhaupt dein Plan aus?", fragte ich und lehnte mich leicht genervt in den Sitz. "Nun ja, meine Tante hat Geburtstag, wir werden da auf so einer Feier sein, wo viele Leute sind. Jeder wird denken, dass du meine Freundin bist und fertig. Kann sein, dass wir dann noch ein paar Tage bleiben müssen, meine Tante ist da recht streng.", antwortete er mir.

"Ich werde aber gucken, dass das nicht so lange geht. Ich bin ehrlich, wenn ich dir sage, dass ich darauf auch nicht sonderlich Lust habe.", fügte er noch hinzu und wirkte etwas gereizt.

Jup, es lag definitiv an mir. Seine ganze Ausstrahlung verriet mir, dass ich das Problem war, aber nur mit musste, da seine Tante es wollte.

"Kommt Izzy mit?", fragte ich ihn hoffnungsvoll. Wobei, vielleicht war sie ja auch sauer, dass ich einfach so gegangen bin. Ouh man, konnte ich nicht einfach in meinem eigenen Bett bleiben und Ruhe haben?

"Ja.", sagte er kurz und knapp. Doch so gesprächig, cool. "Und Diego?", hakte ich nach. "Es ist seine Mutter, natürlich kommt er auch mit.", meinte er trocken.

Ups, ja, das klang logisch. Konnte ich ja nicht wissen. "Sind sie auch sauer?", fragte ich, ohne ihn anzusehen. "Wieso sollten sie?", stellte er die Gegenfrage.

Doch ich antwortete ihm nicht darauf. In mir herrschte ein Gefühl, welches ich noch nie hatte. Eine Mischung aus Schuld und irgendwie war ich traurig, aber auch irgendwie nicht. Ach, keine Ahnung. Das war alles so komisch.

Aus dem Augenwinkel sah ich noch, dass Milan mich für einen Moment abwartend ansah. Doch auch er sagte nichts mehr dazu. Wofür ich eigentlich dankbar war. Das hätte die Situation wahrscheinlich noch unangenehmer gemacht.

Nach ein paar Minuten fiel mir aber was entscheidendes ein: "Aber ich habe doch gar keine Koffer gepackt oder so. Zumal habe ich meinen Reisepass gar nicht dabei. Der liegt in irgendeiner Schublade." Und das sagte ich nicht mal, um mich rauszureden.

"Keine Sorge. Izzy hat einen Koffer für dich gepackt, es sind ja eh nur ein paar Tage. Und um deinen Reisepass mach dir mal keine Sorgen, den brauchst du nicht.", entgegnete er und wirkte dabei so tiefenentspannt.

Fragend sah ich ihn an, da ich nicht verstand, was er damit meinte. Wie sollte ich denn bitte sonst nach Italien kommen, wenn ich meinen Reisepass nicht dabei hatte? Ging das auch ohne?

Als das Auto allerdings zum Stehen kam und ich mich umblickte, konnte ich mir den Grund fast schon denken. "War ja klar, dass du dich niemals in ein normales Flugzeug setzen würdest.", meinte ich.

Er sah mich nur kurz an, ehe er mich aufforderte, ihm zu folgen. Ein paar Meter hinter ihm lief ich ihm hinterher und kam fast schon aus dem Staunen nicht mehr raus. Schließlich hatte ich nicht das Glück, jeden Tag ein Privatjet zu Gesicht zu bekommen. Diesmal war es aber nicht klischeehaft in matt schwarz sondern einfach nur weiß.

Milan klärte noch irgendetwas mit einem Mann, der da stand und wenig später betraten wir schon das Luxusflugzeug.

"Mimmi!", rief Izzy freudig und kam auf mich zu. Ehe ich mich versah, wurde ich von ihr schon in eine herzliche Umarmung gezogen. "Ich bin so froh, dass du wieder da bist.", sagte sie und löste sich anschließend von mir.

Sie sah mich mit so einem warmen und liebevollen Blick an, dass es mir fast das Herz zerbrach. Schließlich wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte. Bisher haben Milan und ich nur über Sizilien gesprochen und Stand jetzt würde es kein danach mehr geben.

Ich sollte nur noch für den Geburtstag seiner Tante bei ihm bleiben.

Life with secrets and liesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt