Kapitel 48

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Mimmis Sicht

Du darfst alles machen, was du willst, aber du musst mit den Konsequenzen leben. Ein Satz meiner Mutter, den ich auswendig konnte. Sie sagte dies immer zu mir, wenn ich irgendwas tun wollte, was ihr nicht Recht war. So auch beim Thema Alkohol. Ich durfte zwar trinken, musste meine Grenzen aber selbst kennen.

So rieb ich mir verschlafen die Augen und kuschelte mich wieder an Milans Brust. Schlagartig war ich hellwach. Träumte ich gerade oder was war los? Wieso lag Milan neben mir und wieso habe ich offensichtlich die ganze Nacht mit ihm gekuschelt? Wow, ich dachte, dass es letzte Nacht nicht so viel Alkohol war.

Bedacht mich nicht zu viel zu bewegen, um Milan nicht zu wecken, versuchte ich mich an die vergangene Nacht zu erinnern. Doch irgendwie war alles so verschwommen. Je länger ich aber nachdachte, desto mehr Erinnerungen kamen wieder. Izzy und ich sind an die Bar gegangen und haben kurze Zeit später mit ein paar anderen Mädels in unserem Alter getanzt. Doch was war dann? Das Nächste, woran ich mich erinnerte, war, dass ich mit so einem Typen eng umschlungen getanzt hatte. Und dieser Typ war nicht Milan. Wer war das bitte? Naja, eigentlich ja auch egal.

Anschließend konnte ich mich aber nur wieder an die Heimfahrt erinnern. Milan war ein echt miserabler Fahrer, andauernd diese Schlangenlinien, die er gefahren ist. Gut, vielleicht war das auch Absicht, aber ich meinte mich entsinnen zu können, dass er Diego sagte, dass Izzy und ich auf keinen Fall ins Auto kotzen sollten.

Hinter mir wachte nun auch Milan auf, der sich zu mir drehte und einen Arm um mich legte. Ich hatte mich dann doch mit dem Rücken zu ihm gelegt, da ich die Situation zwischen uns nicht deuten konnte. Naja, jetzt lag er eng an meinem Rücken und seine Hand ruhte auf meiner Hüfte.

"Guten Morgen, Liebes. Gut geschlafen?", fragte er mich mit einer müden und rauen Stimme, die zugegeben sehr angenehm klang. "Jup und du?", entgegnete ich kurz und knapp. "Mhm.", bejahte er nur und kuschelte sich noch enger an mich. Er kuschelte mit mir? Er war doch gestern noch sauer auf mich? Hatten wir uns versöhnt? Shit, das letzte, woran ich mich erinnerte, war die Autofahrt. Den Weg ins Bett hatte ich nicht mehr im Kopf.

Doch es schien wirklich so, als wäre er nicht mehr sauer auf mich. Diese Erkenntnis zauberte mir ein leichtes Lächeln ins Gesicht. Eigentlich wollte ich mich ja nicht mit ihm streiten, aber bei der Aktion, die er geleistet hatte, war das nicht vermeidbar.

"Liebes?", fragte er nach einigen Minuten der Stille. "Hm?", entgegnete ich gedankenversunken. "Erinnerst du dich an alles von gestern?", wollte er wissen, verharrte aber in seiner Position. "Nicht ganz, war ich sehr peinlich?", erwiderte ich.

Hinter mir ertönte ein raues Lachen, was mich unwohl fühlen ließ. War ich so schlimm? Ich löste mich von ihm und drehte mich so, dass wir uns in die Augen sahen. "Was habe ich getan?", fragte ich ihn mit einer ernsten und festen Stimme.

Er schmunzelte: "Ach du hast nur gefragt, ob ich mit dir schlafen wollen würde und mich als Sexgott betitelt." Meine Augen weiteten sich. "Okay, nächstes Mal gibt es keinen Alkohol für mich.", meinte ich und hielt mir die Hände vors Gesicht. Gott war mir das unangenehm. Denn jetzt, als Milan es sagte, konnte ich mich auch wieder etwas mehr erinnern.

"Liebes?", fragte er erneut. "Ne, mach es bitte nicht unangenehmer.", lachte ich, doch er ließ sich nicht abhalten. Seine Hände wanderten zu meinen und umschlossen diese. Vorsichtig nahm er meine Hände von meinem Gesicht und sah mir sanft in die Augen. Sein Blick war weich und erinnerte mich keineswegs an den Milan, den ich gestern noch sah. "Liebes, ich...", setzte er an, doch wurde von einem Klopfen unterbrochen.

Keine Sekunde später öffnete Diego die Tür und sah uns schmunzelnd an. "Frühstück ist fertig.", rief er freudig. Als weder Milan noch ich irgendwelche Anstalten machten aufzustehen, sprach Diego weiter: "Beeilt euch lieber. Ich habe eine hungrige Ehefrau, kleine Zwillinge und ältere Geschwister, die gerne und viel essen am Esstisch."

Ich musste lachen und stand vom Bett auf. "Na dann sollten wir uns lieber beeilen, bevor alles weg ist.", meinte ich leicht lachend. Dabei nahm ich mir einfach ein weißes Sommerkleid aus dem Koffer und zog mir dies über. Da ich ja immer noch nur Unterwäsche trug, war das kein Problem. Ich könnte mich auch nach dem Frühstück richtig fertig machen.

Ich stelle mich neben Diego und sah zu Milan rüber, der auf dem Bett lag und sein Handy in der Hand hielt. "Kommst du?", fragte ich nochmal nach. "Geht schon mal vor, ich komme gleich hinterher.", entgegnete er und sah danach wieder auf sein Handy. Was war denn so früh am Morgen schon so wichtig?

Naja, Diego reagierte nur mit einem Schulterzucken und gemeinsam verließen wir das Zimmer. "Wie geht's dir?", fragte er mich, als wir durch den Flur liefen. "Ganz okay. Habe ein bisschen Kopfschmerzen, aber sonst geht's.", erklärte ich ihm. "Tja, daran bist alleine du Schuld.", bemerkte er. "Ich hab's ja verstanden.", lachte ich.

Ein kurzer Moment der Stille trat ein. Doch er fand ein für ihn geeignetes Thema. "Du und Milan?", fing er daher an. "Was war da die Nacht zwischen euch?", fragte er mich und sah mich vielsagend an. Ich musste schmunzeln: "Ich sag dir ehrlich, ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern, was wir geredet haben, aber so langsam kommen die Erinnerungen wieder."

"Und?", fragte er weiter. "Naja, scheint so, als hätten wir uns versöhnt, würde ich mal so behaupten.", erklärte ich. Dabei ließ ich bewusst weg, dass ich Milan als Sexgott betitelt hatte. Das waren dann doch Einzelheiten, die Diego nicht wissen musste.

"Wurde ja endlich auch mal Zeit. Diese Streitereien und das Gemecker waren ja nicht mehr auszuhalten.", entgegnete Diego und wir gingen die Treppenstufen runter. Kurz vor dem Esszimmer blieben wir aber stehen. "So oft haben wir uns doch gar nicht gestritten.", bemerkte ich.

Er musste lachen. "Die ganze Heimfahrt hast du ihm gesagt, was er denn für ein gemeiner Mensch sei und dass er gar nicht wisse, wie man richtig mit Frauen umgeht." erklärte er mir. Geschockt sah ich ihn an. Wieso war ich so? Da hat man einmal etwas zu viel getrunken und schon sagte man komische Dinge.

"Aber er hat sich das nicht zu Herzen genommen, oder?", fragte ich ihn. "Er hat schon Dinge an den Kopf geworfen bekommen, die viel schlimmer waren.", erwiderte Diego. "Hm, denkst du, er ist mir böse deswegen?", wollte ich wissen. "Sag du es mir. Ihr habt eben zusammen in einem Bett geschlafen, obwohl du das eigentlich gar nicht wolltest. Und gesprochen habt ihr wahrscheinlich auch, würde ich mal so annehmen.", meinte er mit einem Grinsen im Gesicht. "Wir sollten wirklich mal frühstücken, bevor nichts mehr da ist.", wich ich dem Gespräch aus.

Im Esszimmer setzte ich mich neben Izzy, die nachdenklich an ihrem Kaffee nippte. "Wo sind Giulia und Giovanni?", fragte ich sie, da Giulia ja heute Geburtstag hatte. "Die zwei haben eine langjährige Tradition. Wenn einer von ihnen Geburtstag hat, fahren sie eine Nacht vorher zu einem kleinen Häuschen und bleiben dort bis zum Nachmittag", erklärte sie mir.

Ich verstand recht schnell und nickte. Der Tisch, der reichlich gedeckt war, sah wirklich ansprechend aus, sodass ich mir ein Brötchen griff und mir Kaffee in die Tasse schenkte. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und sah nach rechts.

Milan kam angezogen ins Esszimmer und steuerte den Platz neben mir an. Bevor er sich aber setzte, gab er mir einen Kuss auf den Scheitel. Er begrüßte auch Izzy und die anderen, ehe er sich an Izzy wandte.

"Du siehst müde aus, war wohl nicht so deine Nacht, oder?", ärgerte er sie, was mich schmunzeln ließ. "Milan Sánchez, entweder du bist jetzt ruhig oder du wirst meine unangenehme Seite kennenlernen.", erwiderte sie ziemlich gelassen und entspannt.

Er lachte: "Spar dir lieber deine Energie, schließlich musst du dich noch um Mimmi und ihr Kleid kümmern." Sofort ließ Izzy das Messer auf dem Teller klirren. "Oh mein Gott stimmt.", sagte sie aufgeregt. "Das hätte ich fast vergessen.", rief sie.

"Mimmi, bist du fertig? Nein Quatsch, egal, jetzt bist du fertig.", bestimmte sie und sah mich erwartungsvoll an. Ich verdrehte leicht genervt meine Augen und stopfte das letzte Stückchen von meinem Brötchen in den Mund.

Sofort ergriff sie meine Hand und eilte mit mir im Schlepptau aus dem Zimmer. Als ich mich nochmal kurz umdrehte, sah ich Milans entschuldigenden Blick, den ich allerdings nur mit einem leichten Lächeln erwiderte.

Na das konnte ja etwas werden. Wenn Izzy in ihrem Mode-Wahnsinn war, konnte sie keiner stoppen.

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