Kapitel 7

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Währenddessen bei Milan:

Mimmi war keine fünf Minuten weg, da war Marco schon wieder am Kühlschrank. "Du bist auch nur am Essen, oder?", sprach ich meine Gedanken laut aus. "Die Kleine hat Trauben im Kühlschrank, das fällt eh nicht auf.", rechtfertigte er sich. Ich schüttelte nur meinen Kopf und setzte mich auf die Couch zu Diego.

"Sie scheint recht nett zu sein.", sprach Diego zu mir. Ich nickte. "Dafür, dass sie uns nicht einmal kennt, finde ich es krass, dass sie uns hier schlafen lässt.", sagte Marco, während er sich auf dem Sessel zu uns saß. "Sie hat irgendwas an sich, sie ist freundlich und lässt uns hier schlafen, aber wirklich vertrauen tut sie uns glaube ich nicht.", beteiligte ich mich nun am Gespräch.

"Pass auf, am Ende hat sie hier Kameras und Mikros angebracht und belauscht uns.", scherzte Diego und Marco musste lachen. Sie wohnte in einer Suite in einem Hotel, theoretisch wäre das schon möglich gewesen, aber das traute ich ihr eigentlich nicht zu. Dafür wirkte sie zu vertrauensvoll. Ihre Art wirkte selbstbewusst und sicher, aber vermutlich hatte sie auch eine verletzliche Seite.

Ich wurde von einer mir bekannten Stimme aus meinen Gedanken gerissen. "Milan, hallo? Hörst du mir überhaupt zu?", kam es von Diego. "Was nein, ich meine ja, natürlich höre ich dir zu, aber ich verstehe den Sinn deiner Frage nicht.", log ich ihm trocken ins Gesicht, da ich wirklich keine Ahnung hatte, was er gesagt hatte. "An was denkst du gerade?", fragte er mich mit einem intensiven und durchbohrenden Blick. Natürlich hielt er es nicht für nötig, seine vorherige Frage zu wiederholen. 

Ich verdrehte genervt die Augen. "Nichts was dich angeht.", gab ich etwas angepisst von mir. Er kannte mich einfach zu gut. Er war mein Cousin und auch einer der wenigen, denen ich wirklich vertraute. "Bestimmt denkt er an diese Kleine, die Blicke, die er ihr gegeben hat, waren nicht zu übersehen.", sprach nun Marco. Wenn er kein Freund von mir wäre, wäre er für diese Aussage von mir erschossen worden.

"Hier wird keiner umgebracht, Milan, ich sehe deinen Blick, lass es.", sprach Diego in einem ruhigen Ton und sah mich wieder an. "Fandet ihr aber nicht auch ihr Verhalten ein wenig komisch? Ich meine, sie lässt wirklich drei fremde Männer in ihre Wohnung und vor allem geht sie dann, anstatt hier nach dem Rechten zu sehen.", kam er nun wieder auf unser Anfangsthema zurück.

"Das würde wieder zu den Kameras und Mikros führen.", scherzte Marco. "Das stimmt schon, ich an ihrer Stelle hätte einfach gesagt, dass wir zu einem anderen Hotel sollen.", sprach ich und ging nicht weiter auf Marcos Kommentar ein. Dass sie uns belauschte, hielt ich immer noch für Schwachsinn.

"Ich denke, dass da noch mehr dahintersteckt. Sie tut auf stark, kann aber ganz einfach verletzt werden.", sprach ich meine Gedanken laut aus, da mir dies schon die ganze Zeit nicht aus dem Kopf ging. 

"Glaubt ihr, sie weiß von uns Bescheid?", mischte sich nun wieder Marco ein. Ich überlegte kurz, sprach aber dann ehrlich: "Ich denke nicht, wenn sie generell davon wüsste, würde sie keine Fremden hier alleine lassen. Zudem würde sie dann nicht im Hotel arbeiten, wo sie täglich Gefahren ausgesetzt ist." Diego nickte. "Da hast du recht."

Ein Moment der Stille herrschte. Jeder war irgendwie in Gedanken versunken und starrte ins Leere. Ich musste, wie die ganze Zeit schon, an Mimmi denken. Sie ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Sie war so freundlich und ihr Lächeln war wirklich atemberaubend. Vor allem wenn sie sich etwas verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr strich. Man merkte auch, dass sie nicht genau wusste, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Ihre ganze Körpersprache sprach mehr als Worte.

Zudem war sie echt gut gebaut. Sie war nicht zu dünn, aber auch nicht dick. Sie hatte dunkle Augen und lange wellige braune Haare.

Besonders gefiel mir, wie sie mehr als nur verwundert und verunsichert war, als ich ihren Namen sagte, an Stelle von ihr. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wahrscheinlich hatte sie nicht mehr im Sinn, dass sie so ein Namensschild trug. Keine Ahnung, ob sie mit was schlimmen rechnete, aber man sah ihre Erleichterung in den Augen, als ich ihr mehr oder weniger erklärte, woher ich ihren Namen wusste. Am Ende hielt sie mich für einen Stalker. Dieser Gedanke ließ mich schmunzeln.

"Wieso lächelst du so?", holte mich Diego - wer auch sonst - aus meinen Gedanken. Um die Stimmung nicht zu versauen, antwortete ich diesmal ehrlich: "Das Mädchen. Sie ist besonders und sie gibt nicht alles aus ihrem Leben preis und zeigt es offen, das gefällt mir." Diego und Marco schmunzelten. Dass ich so ehrlich über das sprach, was ich dachte, passierte echt selten. Aber wenn nicht mit den Jungs, mit wem dann.

"Denkt ihr, sie verheimlicht irgendetwas?", fragte Diego. "Jeder Mensch hat Geheimnisse und sie sehr wahrscheinlich auch, Diego.", gab ich von mir. "Ich habe den ganzen Dienstkram dabei, soll ich mal schauen, ob ich was von ihr finde. Eine staatliche Akte oder so?", warf Marco in den Raum.

Marco kannte sich am besten mit dem Computerzeug aus. Er konnte sich in so gut wie alle Systeme hacken, ohne dass Spuren entstanden.

Nach kurzem überlegen, ob das richtig wäre, ihre Akte zu lesen, sagte ich kurz und knapp: "Ja, mach das." Marco holte also nun den Laptop aus einer seiner Taschen und stellte diesen auf den Wohnzimmertisch.

Einen Moment später sprach er nun belustigt: "Es ist immer wieder amüsant zu sehen, wie einfach man doch in diese Systeme kommt. Zumal es keinem auffällt. Für jeden Hacker ein einfaches Werk."

"Wie war nochmal ihr ganzer Name?", fragte Marco nach einer kurzen Zeit. "Mimmi Evans.", kam es von mir.

"Hier, Mimmi Kiana Evans, das ist ihr vollständiger Name.", sagte Marco und drehte den Laptop so, dass wir auch drauf schauen konnten. Er las weiter vor: "Geboren am 9. Mai 2002 in Dublin, Irland. Sie zog, als sie 6 Jahre alt war, mit ihren Eltern hierher nach LA. Mutter wurde in Irland geboren und Vater ist gebürtiger Amerikaner. Diese verstarben allerdings vor drei Jahren bei einem Autounfall." 

Er machte eine kurze Pause, bevor er weiter vorlas: "So viel zu ihrer Herkunft. Wirklich wichtige Sachen sind aber nicht mehr dabei. Bis auf..." Er stockte. "Meine Güte jetzt sag schon und mach es nicht so spannend.", gab ich ruhig, aber ein wenig gereizt von mir. "Hier ist ein Anhang dabei, eigentlich unüblich in so einer Art." Wieder eine Pause, doch er las dann weiter. "Das ist ein Formular eines Psychologen. Sie hat offensichtlich nach dem Tod ihrer Eltern einen Psychologen besucht." 

"Und sowas kommt in diese Akte?", fragte nun Diego. "Ja, gehört zu ihrem Leben, also ist es drin.", antwortete Marco. Er sprach etwas leiser als vorher weiter: "Hier ist auch ein Schreiben des Psychologen über ihre Sitzungen bei ihm. Soll... soll ich die vorlesen?" Ich überlegte und beide sahen mich an. Sollten wir? Einerseits würden wir so in ihren Kopf quasi schauen, aber andererseits ist das schon sehr privat. "Ja.", sagte ich in einem bestimmenden Ton. "Aber das ist eigentlich zu privat.", sprach nun Diego wieder. Ich verdrehte die Augen, meine Meinung konnte er aber mit der Aussage nicht ändern. "Ich bin der Boss und jetzt lies das vor Marco oder ich lese selbst." Widerwillig las Marco dann doch das Schreiben vor. 


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